Der 1. FC Köln hat einen Nachfolger für Interimslösung André Pawlak gefunden: Achim Beierlorzer (51) soll den effzeh in der kommenden Saison in der Bundesliga betreuen. Der gebürtige Franke und Pädagoge übernimmt im Sommer die Aufgabe, den Verein für die neue Liga fit zu machen – genau wie Pawlak (Chemie und Sport) ist Beierlorzer Lehrer – allerdings für die Fächerkombination Mathematik und Sport. Beide absolvierten darüber hinaus noch die Ausbildung zum Fußballlehrer in Hennef.
Der derzeitige Trainer vom SSV Jahn Regensburg, zuvor Gymnasiallehrer für die Fächer Mathematik und Sport, beendete den Jahrgang 2013/2014 gar als Jahrgangsbester, bekannte andere Teilnehmer waren Manuel Baum, Daniel Farke oder Valérien Ismael. Als Fußballer spielte Beierlorzer, dessen älterer Bruder Bertram in der Bundesliga für den FC Bayern auflief, maximal auf Regionalliga-Niveau mit der SpVgg Fürth – während seiner Zeit dort spielte er auch mehrfach im DFB-Pokal. Zuvor hatte er auch für die zweite Mannschaft des 1. FC Nürnberg die Schuhe geschnürt.
Karrierestart im Nachwuchsbereich in Fürth
Mit 35 Jahren beendete der Fußballer seine aktive Karriere, um danach als Trainer beim SC Schwabach in Bayern zu arbeiten – nach einem Jahr dort wechselte er zum SV Kleinsendelbach in Oberfranken, um dort als Spielertrainer auch wieder aktiver am Geschehen teilzunehmen. Nach sechs Jahren bei diesem Verein startete Beierlorzer dann im Alter von 43 Jahren bei Greuther Fürth im Nachwuchsbereich eines Profivereins, wo er vier Jahre die U17 betreute und wie bereits erwähnt auch die Ausbildung zum Fußballlehrer abschloss.
2014 lockte ihn RB Leipzig in den Osten der Republik, dort übernahm er ebenfalls die U17 – nach dem Rücktritt von Alexander Zorniger rückte Beierlorzer dann sogar auf den Posten des Cheftrainers der Zweitliga-Mannschaft des Marketingkonstrukts auf. Als Interimstrainer betreute er die Mannschaft für 15 Spiele und legte einen Punkteschnitt von 1,4 aufs Parkett, was letztlich für Rang fünf reichte. Den Aufstieg in die erste Liga stellte RBL dann in der kommenden Saison sicher, Ralf Rangnick war Cheftrainer und Beierlorzer sein Assistent. Danach rückte Rangnick auf den Posten des Sportdirektors, während der Franke für ein Jahr die U19 übernahm.
In Regensburg mit geringen Mitteln viel erreicht
Über seine Zeit in Leipzig sagte er im Interview mit dem “Donaukurier” Anfang Mai: “Ich habe die ganze Bandbreite an Dingen miterlebt, die man im Fußball machen kann. Wir hatten in Leipzig alles. Und wir hatten mit Ralf Rangnick einen Trainer, der jedes Steinchen nochmal umgedreht hat.” Der künftige Köln-Coach ergänzte: “Ich selbst habe mich in den drei Jahren extrem weiterentwickelt, auch was die Spielphilosophie bzw. deren Umsetzung anbelangt. Die Trainingssteuerung hab’ ich zum Beispiel komplett mit hierher (nach Regensburg, Anm. d. Red.) genommen.”
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Dort holte er mit bescheidenen Mitteln in den beiden folgenden Zweitliga-Spielzeiten jeweils 48 Punkte – in der vergangenen Saison reichte das für Rang fünf, in diesem Jahr steht sogar noch ein Spiel aus. Insgesamt ist für den Jahn noch eine Platzierung zwischen sechs und neun möglich. Beierlorzer erreichte zusammen mit seiner Mannschaft diese Erfolge auch durch die Erkenntnisse, die er in Leipzig sammeln konnte.
“Die Philosophie ist auf jeden Fall ähnlich zur Leipziger. Der Jahn hat diesen Stil auch schon vor mir verfolgt, deshalb hat man sich ja auch für mich entschieden.”
Gegenüber dem “Donaukurier” beschrieb er die Zusammenhänge so: “Die Philosophie ist auf jeden Fall ähnlich. Der Jahn hat diesen Stil auch schon vor mir verfolgt, deshalb hat man sich ja auch für mich entschieden. Ich finde, wir spielen das zurzeit sogar noch radikaler als Leipzig. Aber natürlich auch deshalb, weil Leipzig in der Bundesliga on top ist und da nochmal andere Anforderungen an die Mannschaft gesetzt sind. Leipzig muss mit Ball viel stabiler unterwegs sein.”
Vertreter der “Gegenpressing”-Philosophie
Generell ist Beierlorzer damit ein Vertreter der von Jürgen Klopp prominent gewordenen Bewegung der “Gegenpressing”-Trainer – diese Philosophie findet ihre umfassendste Interpretation seit Jahren in Leipzig. Aus diesem Umfeld stammt ebenso Marco Rose, der in der kommenden Saison Trainer bei Borussia Mönchengladbach werden wird – der Ex-Profi hat ebenfalls die RB-Schule durchlaufen, allerdings in Österreich.
Der FC Schalke bekommt mit David Wagner gar einen weiteren Klopp-Schüler als neuen Trainer. Deswegen kann man durchaus damit rechnen, dass der 1. FC Köln in der kommenden Saison mit zwei Viererketten und zwei Stürmern agieren wird, wenngleich die Frage bleibt, wie intensiv das Pressing tatsächlich ablaufen wird – schließlich ist der effzeh ein Aufsteiger und der Kader aktuell noch nicht aller Sorgen ledig.
Beierlorzer erläuterte im Interview mit der “Süddeutschen” vor anderthalb Jahren: “Wenn man den B- und den A-Schein als Trainer macht, dann geht es dort viel um Mittelfeldpressing – tiefer stehen und warten, bis der Gegner einen Fehler macht. Als ich dann in Fürth die ersten zwei Junioren-Bundesliga-Saisons abgeschlossen habe, kam ich zu der Überzeugung, dass gerade für jüngere Spieler das Abwarten nicht der richtige Weg ist. Die wollen agieren, der Spieler möchte so schnell wie möglich den Ball wieder zurückhaben, um mit Dynamik aufs Tor zu spielen.”
Ein klarer Plan, der das Kollektiv stark macht
Daraus folgerte er für die eigene Arbeit: “Dann habe ich die letzten zwei Saisons in Fürth viel weiter vorne angreifen lassen, teilweise auch mit dem Risiko, ballentfernte Spieler stehen zu lassen. In der Fußballlehrer-Ausbildung mussten wir alle unsere Fußball-Philosophie niederschreiben. Und da es dann zu Leipzig ging, das dieses Spiel fest in der Vereinsphilosophie stehen hat, ist es noch ausgeprägter geworden. Jetzt laufen wir den Gegner schnell an, und wenn wir den Ball dann gewinnen, ist es schwierig, unsere Dynamik zu kontrollieren.”
“Wir wollen immer aktiv sein, den Gegner hoch anlaufen, ihn weghalten von unserem Tor. Und mit dieser aggressiven Arbeit gegen den Ball und unserem Umschaltspiel haben wir eine enorme Wucht.”
Deswegen sei es auch möglich gewesen, dass seine Mannschaft trotz geringerer individueller Qualität so gute Platzierungen erreichen konnte – man verfolge einen klaren Plan, der das Kollektiv stark mache, beschrieb er im “Donaukurier”. Über die Ergebnisse seiner Arbeit freute er sich ebenfalls: “Wir wollen immer aktiv sein, den Gegner hoch anlaufen, ihn weghalten von unserem Tor. Und mit dieser aggressiven Arbeit gegen den Ball und unserem Umschaltspiel haben wir eine enorme Wucht. Man hört ja auch immer von den Gegnern, wie unangenehm es ist, gegen uns zu spielen.”
Bei Beierlorzer ist das Team der Star
Wert legt der Fußballlehrer darauf, dass das Team der Star ist – nur als “geschlossene Einheit” könne es funktionieren. “Was bringt es uns, wenn wir jetzt einen Topspieler holen, der uns mit seiner Qualität vielleicht ein oder zweimal helfen kann, aber nicht zum Team passt? Wenn sich ein Spieler nicht integriert, besteht die Gefahr, dass er eher was kaputt macht und uns schadet – egal wie gut er ist”, stellte er klar.
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Dass der Teamgedanke über allem steht, liest man in mehreren Interviews mit ihm – vielleicht kommt da der Hintergrund als Pädagoge durch. Dem “Donaukurier” lieferte der Fußballlehrer dann auch einen passenden Vergleich: “Im Lehrerjob möchte man ja einer Gruppe vor sich etwas vermitteln. Wie nun als Trainer. Auch als Lehrer habe ich mich als Dienstleister für den Schüler verstanden. Vorher war es eben Mathematik und Sport – und jetzt ist es halt Fußball.”
Die Entwicklung einer Mannschaft aktiv zu begleiten scheint für ihn das Interessanteste an seinem Beruf zu sein – Zeugnis davon ist die Tatsache, dass er seinen Weg unbeirrt mit denjenigen Spielern gegangen ist, die vor einigen Jahren noch in der Regionalliga für Regensburg aufliefen. Zentral sei deswegen auch die Kommunikation mit seinen Spielern. “Ich bin auch keiner, der einen niederbrüllt. Wir haben ja ein Ziel, wir wollen die Mannschaft weiterentwickeln. Ich kann nicht den Teamgedanken an die höchste Stelle setzen und dann meine Spieler vor der Gruppe niedermachen. Aber Dinge klar anzusprechen, das gehört zum Job”, erklärte er.
Parallelen zu Vorgänger Anfang sichtbar
Zur Mannschaftsführung gehöre eben auch, “Mentalität” aus den Spielern herauszukitzeln – dies setze er durch viele Wettkämpfe in den Trainingseinheiten in die Praxis um, damit sich seine Spieler eine Siegermentalität angewöhnen. Dass er in Köln von seiner Philosophie abrückt, ist unwahrscheinlich – dem “Donaukurier” gegenüber betonte er, dass “Fußball Teamsport” sei.
“Ich bin keiner, der einen niederbrüllt. Ich kann nicht den Teamgedanken an die höchste Stelle setzen und dann meine Spieler vor der Gruppe niedermachen.”
“Natürlich würde ich auch bei jedem anderen Verein mit meiner Idee weiterarbeiten, weil ich der völligen Überzeugung bin, dass das diesen Fußballsport am besten widerspiegelt. (…) Da muss sich jeder unterordnen. Nur, weil es Spieler gibt, die das vielleicht anders sehen und ihre eigenen Interessen über das Wohl des Teams und des Vereins stellen, sag’ ich doch nicht, dass ich meinen Ansatz ändere.”
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Der 1. FC Köln kann sich also auf einen Pädagogen freuen, der (wie Markus Anfang) zuletzt zwei gute Saisons mit einem kleineren Verein hinlegte, eine klare Philosophie mitbringt und nun das erste Mal im ganz großen Geschäft mitmischen darf. Der Vergleich zum vor kurzem geschassten Ex-Trainer ist nicht böswillig gemeint, er soll lediglich aufzeigen, dass Beierlorzer nun der nächste Trainer ist, der Armin Veh von seinen Ideen überzeugen konnte und die Arbeit am Geißbockheim aufnehmen darf, ohne als “erfahrener Haudegen” zu gelten.
Weiterentwicklung und Mentalität: Auch in Köln?
Inwieweit dann die Realität in Köln mit seiner ideelen Herangehensweise kompatibel sein wird, dürfte die Zukunft zeigen – Beierlorzers Trainerkarriere in den letzten neun Jahren zeigte allerdings eine stetige Weiterentwicklung und es würde nicht überraschen, wenn auch der 1. FC Köln im kommenden Spieljahr zu einer gegenpressenden Mentalitäts-Mannschaft werden würde. Ganz cool wäre das schon.