Eine neue Saison steht an und die Erwartungshaltung im Lager der effzeh-Fans schwankt zwischen dem Angriff auf Europa und der Angst vor einer negativen Überraschung. Da aber niemand zu recht zu wissen scheint, woran man denn bei diesem neuen effzeh ist, wird sich auf unterschiedliche Argumente berufen: der ausgeglichene Kader, die Erfahrung der Spieler, der gute Zusammenhalt – unser Interviewpartner Dustin Ward (Twitterprofil: @saturdayoncouch) wählt einen anderen Weg.
Der amerikanische Daten-Experte stützt sich wie im Film Moneyball auf Statistiken. Er arbeitet und schreibt für die Webseite statsbomb.com, wo seine Arbeit darin besteht, Statistiken auszuwerten und darauf aufbauend Spiele und Spieler besser zu verstehen. Dustin hat in dieser Woche seine Saisonvorschau veröffentlicht, die ihr in Originalsprache hier findet. Darin geht er auch näher auf den effzeh ein und prognostiziert gegenläufig zu den meisten Experten einen Abstieg. Problemzonen sind für ihn mangelnde Balance zwischen der rechten und linken Seite und die zu defensive Haltung des effzeh. Wir haben ihm vor dem Bundesliga-Auftakt gegen Darmstadt ein paar Fragen gestellt.
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— StatsBomb (@StatsBomb) August 24, 2016
effzeh.com: Hallo Dustin, wie verfolgst du die Bundesliga und wie viele Spiele schaust du dir pro Wochenende an?
Dustin Ward: Ich schaue so viele Spiele wie ich kann, Gott sei Dank werden alle Spiele in den USA übertragen. Meistens beschränke ich mich auf zwei bis vier Einzelspiele, die ich dann im Split Screen an einem Samstagmorgen verfolge. Vier Spiele zeitgleich zu verfolgen ist natürlich nicht zu empfehlen, wenn man eine taktische Analyse schreiben will, deswegen schaue ich die Spiele erst einmal zur Unterhaltung und setze mich erst später mit einer tiefergehenden Analyse auseinander. Da arbeite ich dann auch die Statistiken zu jedem Spiel ein.
effzeh.com: Wie würdest du den 1.FC Köln aus statistischer Hinsicht bewerten? Über was für eine Art von Mannschaft sprechen wir?
Dustin Ward: Grundlegend kann man das folgendermaßen zusammenfassen: Köln spielt in der Bundesliga das tiefste Pressing und vereint damit die höchste Zahl an geblockten Schüssen. Daraus ergibt sich, dass ich den 1. FC Köln als die italienischste Mannschaft in der Bundesliga bezeichnen würde.
effzeh.com: Welche Stärken siehst du beim 1.FC Köln in Vergleich mit den anderen Bundesligisten?
[perfectpullquote align=”left” cite=”Dustin Ward” link=”” color=”” class=”” size=””]”Generell sind Innenverteidiger und Torhüter aber aus statistischer Sicht schwer zu beurteilen, da die Ausrichtung des jeweiligen Teams und der Faktor Zufall in ihrer Arbeit und den daraus resultierenden Zahlen eine große Rolle spielen.”[/perfectpullquote]Dustin Ward: Ganz deutlich zu erkennen ist die Stärke der Mannschaft, wenn es um Abschlüsse auf das gegnerische Tor geht. Da waren in der vergangenen Saison nur Bayern München, Borussia Dortmund und der VfL Wolfsburg stärker. Ein weiteres interessantes Muster betrifft den Prozentsatz an Pässen, die im Angriffszentrum gespielt werden, da liegt der 1.FC Köln im Ligavergleich sehr weit vorne. Die Ausrichtung auf schnelle Konter hilft dabei natürlich, trotzdem ist diese Statistik sehr aufschlussreich. Hinzu kommt, dass die am häufigsten auftretende Passkombination der Liga zwischen Marcel Risse und Anthony Modeste besteht und Risse ja bekanntlich auf dem rechten Flügel spielt, d.h., dass seine Pässe auch im Normalfall von da kommen. Vernachlässigt man diese Tatsache, ist die hohe Zahl der zentral gespielten Pässe dieser Mannschaft sehr erstaunlich.
effzeh.com: Welche Schwächen hast du in deiner Analyse bemerkt? Wo muss sich der effzeh verbessern?
Dustin Ward: Eine der Schwachpunkte liegt ganz deutlich darin, dass der 1. FC Köln es seinem Gegner zu häufig ermöglicht, sehr nah ans Tor zu kommen. Der Großteil der defensiven Statistiken ähnelte sehr dem FC Augsburg, der 52 Tore kassiert hatte. Da der 1. FC Köln trotzdem “nur” 43 Tore gegen sich verzeichnen musste, ist natürlich auch irgendwo eine Auszeichnung, weil es zeigt, dass die Qualität in der Endverteidigung hoch ist. Es gehört natürlich zur Ausrichtung dazu, sich tief zu positionieren und dann den Gegner quasi einzuladen, viel Druck auszuüben. Dennoch glaube ich, dass in der Defensivarbeit verstärkt darauf geachtet werden müsste, die Gegner früher vor dem eigenen Strafraum zu stoppen. Dazu ein Beispiel: die Mannschaft von Peter Stöger erlaubt den Gegnern die zweithöchste Anzahl an kurzen Pässen in den Strafraum, nur Hoffenheim liegt da vor den Kölnern.
effzeh.com: Ist das der Grund dafür, warum du in deiner Vorschau für statsbomb.com den 1. FC Köln als einen der Abstiegskandidaten siehst?
Dustin Ward: Ich glaube, das ist deswegen realistisch, weil die Defensive sich erneut viel Druck ausgesetzt sehen wird und sich vielleicht nicht allzu gut wie in der Vorsaison befreien kann. Ich gehe von einer Tordifferenz von etwa minus zehn Toren aus. Weiterhin ist es wahrscheinlich, dass der 1. FC Köln eine geringere Prozentzahl an Schüssen auf das Tor haben wird, was die Erfolgswahrscheinlichkeit natürlich verringert.
effzeh.com: Ein für dich zentraler Punkt in der Analyse des effzeh ist die Aufgabenverteilung der Außenverteidiger. Während Jonas Hector auf der linken Seite sehr viel Tiefe und Breite bringt, sind Olkowski und Sörensen deiner Meinung nach eher konservative Außenverteidiger. Wie äußert sich das statistisch?
Dustin Ward: Die gegnerischen Mannschaften attackierten die linke Seite der Kölner so intensiv, dass man daraus nur schließen kann, dass es bewusstes Vorgehen war. Der Raum hinter ihm war definitiv groß genug, um ihn zu attackieren und Potenzial daraus zu schlagen. Dass Hector stark am Offensivspiel beteiligt war, unterstützt diese These ja nur. Er war wesentlich mehr unterwegs als seine Kollegen auf der rechten Seite, dass es so scheint, als hätte es in der Bundesliga keine so große Diskrepanz zwischen linker und rechter Seite gegeben. Filmmaterial könnte darüber noch mehr Aufschluss geben, aber die Zahlen alleine sind für Köln schon beunruhigend.
effzeh.com: Wir glauben, dass der Verein darauf mit der Verpflichtung von Konstantin Rausch als Linksverteidiger reagiert hat. Er wurde in der Vorbereitung als Linksverteidiger eingesetzt, während Hector dafür ins zentrale Mittelfeld rückte. Wie schätzt du den Neuzugang ein?
Dustin Ward: Als Spieler ist Konstantin Rausch schwer zu analysieren, da ich nur Daten als Grundlage habe, die aus seiner Zeit bei Darmstadt 98 stammen. Darmstadt spielte ein extremes System mit Fokus auf vielen langen Bällen und dem Aufrücken von vielen Spielern auch wenn die Aussicht auf Erfolg eher gering war. Seine Rolle im Spielaufbau war in Darmstadt eine ganz andere. Dennoch glaube ich, dass er etwas wie ein Pendant zu Marcel Risse werden könnte, da er in der letzten Saison sehr häufig, in Zahlen ausgedrückt 62mal, den Ball in die Spitze auf Sandro Wagner spielte. Pässe zu anderen Spielern folgten erst mit weitem Abstand.
effzeh.com: Wer ist aus deiner Sicht der interessanteste Spieler im Kader des effzeh?
Dustin Ward: Das dürfte für mich Dominique Heintz sein. Er ist ein noch sehr junger Spieler, der im Kölner System bereits eine sehr wichtige Rolle einnimmt. Als linker Innenverteidiger muss er sich sehr stark um die in den Strafraum gespielten Pässe kümmern und diese abwehren. Dass der 1. FC Köln trotzdem nicht so viele Schüsse zulässt, wie man annehmen könnte, muss ja demnach der Verdienst der Innenverteidiger sein und mir ist da Heintz besonders positiv aufgefallen. Zusammen mit den anderen Defensivspielern hat er es geschafft, sehr viele Schüsse zu blocken, was auch eine Stärke ist. Generell sind Innenverteidiger und Torhüter aber schwer aus statistischer Sicht zu beurteilen, da die Ausrichtung des jeweiligen Teams und der Faktor Zufall in ihrer Arbeit und den daraus resultierenden Zahlen eine große Rolle spielen. Für den 1. FC Köln ist dennoch bemerkenswert, dass sich die Arbeit der letzten Jahren insbesondere in Hinblick auf die Defensive auf einem sehr guten Level bewegt.
effzeh.com: Gibt es in einer der internationalen Topligen eine Mannschaft, die du mit dem effzeh vergleichen würdest?
Dustin Ward: Ich sehe große Ähnlichkeiten zu einer italienischen Mannschaft. Vom Stil her dürfte eine Mannschaft wie Udinese am ehesten dem 1. FC Köln entsprechen.