Vom einfachen Fließbandarbeiter bis hin zum Professor oder dem Bundestagsabgeordneten – der „Proletensport“ der achtziger Jahre ist mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Trotz der zunehmenden Beliebtheit des Ballsports verbleibt der Fußballfan an sich als zumeist unbekanntes Wesen. Spätestens mit dem Medienoverkill am Ende der vergangenen Saison wurde deutlich, wie wenig diese mediale Gesellschaft über Fans und Fankultur weiß.
Dabei ist es offenkundig, wie sehr der Fußball – im Negativen wie im überwiegend Positiven – durch seine Anhänger lebt. „Fußball, deine Fans“ – herausgegeben von Martin Thein, seines Zeichens Mitarbeiter am Institut für Sportwissenschaft der Universität Würzburg – will in diesem Themengebiet eine Lücke schließen. Auf 240 Seiten nähert sich der Sammelband in chronologischer Form den „wunderbaren und auch ihren weniger schönen Facetten“ der Fankultur. Neben professionellen Fußball-Betrachtern wie ZDF-Reporter Thomas Wark und Buchautor Michael Horeni kommen auch Fans wie Mirko Otto (Mitbegründer des Fanzines „Blickfang Ultrá“) oder der Mainzer Anhänger Fabian Beyer zu Wort.
Die Stärken des Sammelbands sind gleichzeitig auch seine Schwächen: Durch die unterschiedlichen Verfasser der jeweiligen Texte gewinnt „Fußball, deine Fans“ an Authentizität und zeigt die Vielfalt der recht heterogenen Fankultur in diesem Land anschaulich auf. Durch diese Vielzahl an Blickwinkel schleichen sich jedoch einige Redundanzen in die Texte ein. Dazu schwankt die Qualität und der Erkenntnisgewinn der einzelnen Abschnitte doch enorm. Als Beispiel sei hierfür der Vergleich zwischen dem so kurzen wie nichtssagenden Text des omnipräsenten „Medienexperten“ Jo Groebel und dem hervorragenden Schlusskommentar des Herausgebers genannt. Auch scheinen mitunter einige „Fakten“ nicht immer belegbar beziehungsweise komplett nachrecherchiert zu sein.
Überzeugend ist „Fußball, deine Fans“ vor allen Dingen in den Momenten, wo er die kleinen Geschichten der Autoren offen legt, die das große Ganze alias „Fankultur“ erst schaffen. Wie sind sie zum Fußball gekommen, was hat sie im Stadion gehalten, wie leben sie ihre Liebe zu Verein und Sport aus. Das schafft Identifikation der Leser mit den Autoren. Leider schafft der Sammelband mitunter nicht den Sprung auf eine höhere Betrachtungsebene, nämlich vom Speziellen zum Allgemeinen. Gerade bei den aktuell brennenden und komplexen Themen (vorrangig über die Ultrá-Bewegung) wäre ein übergeordneter Blick vielleicht sinnvoller gewesen.
Durch die kompromierte Behandlung des Themas (100 Jahre Fankultur auf 240 Seiten) sorgt „Fußball, deine Fans“ dafür, als leicht lesbare Kost für Übersicht, für eine erste Einordnung diverser Phänomene zu sorgen. Diese Verdichtung von Themen und Informationen sorgt allerdings auch zwangsläufig dafür, die recht vielschichtige Materie zwar in den Grundzügen analysieren zu können, aber am Ende aufgrund des fehlenden Umfangs doch zu oberflächlich betrachten zu müssen.
Letztlich ist trotz aller berechtigten Einwände „Fußball, deine Fans“ ein richtig gelungenes Einstiegswerk für Interessierte, die sich für Fankultur im Allgemeinen zu begeistern beginnen. Um danach tiefer in die jeweiligen, zumeist komplexen Themengebiete einzudringen, empfiehlt sich jedoch weiterführende Lektüre.
ACHTUNG: effzeh.com verlost zwei Exemplare von „Fußball, deine Fans“. Um an unserem Gewinnspiel teilzunehmen, kommentiert diesen Artikel auf unserer Seite mit „Ich bin effzeh-Fan“. Oder ihr tweetet uns das Ganze. Alles, was bis Ostermontag, 1.4., 23:59:59 Uhr bei uns über diese Wege eingeht, kommt mit in die Lostrommel. Auf geht’s!