Es gibt so Spieler, deren wahren Wert man manchmal erst erkennt, wenn sie fort sind. In Köln wird der Name “Skhiri” immer ein wenig überstrahlt von Jonas Hector und Timo Horn, die zeitgleich mit dem Tunesier den Verein verlassen – zusammen über drei Jahrzehnte Vereinszugehörigkeit sind eben ein Pfund, mit dem selbst Skhiri nicht wuchern kann. Was dabei aber ein wenig unterging, ist, dass Skhiri auf dem Feld sogar ein noch größerer Leistungsträger als “Capitano” Hector war. Dies sieht man schon an den nackten Zahlen: mit sieben Nominierungen für die “kicker-Elf des Tages” lag der Nordafrikaner gemeinsam mit Nachbar Jeremie Frimpong auf der Pole Position dieser Wertung – und stach damit so namhafte Spieler beziehungsweise Shootingstars wie Kingsley Coman, Jamal Musiala oder Randal Kolo Muani aus.
Bedenkt man, in welchem Verein diese Spieler spielen und wo Skhiri gespielt hat, wird diese Leistung sogar umso herausragender. Zum Vergleich: Jonas Hector gelang es immerhin dreimal, als nächstbester Spieler des FC in dieser Wertung (gemeinsam mit Timo Hübers) zu landen. Doch ist dieser Kategorie natürlich subjektiv und mitunter von der Beobachtungsgabe oder Gunst des zuständigen Redakteurs abhängig. Es lohnt daher ein Blick auf die objektiven Werte: mit 393,38 km ist Skhiri nicht nur bis nach Osnabrück und zurück gelaufen, sondern führt damit auch diese Rangliste der Bundesliga an.
Um das mal einzuordnen: auf Platz zwei liegt hier Lucas Toussart von Hertha BSC, der fünf Kilometer weniger gelaufen ist – und das in einem Spiel mehr. Natürlich wird diese fast wahnwitzige Laufleistung dem FC nächstes Jahr fehlen, denn kaum ein Spieler vermochte es so gut, überall gleichzeitig auf dem Platz zu sein und hinten auszubügeln, nur um dann vorne sogleich zu vollenden. Unvergessen in dieser Hinsicht sein Sprint in der Nachspielzeit gegen Greuther Fürth über das ganze Feld mit anschließendem Torerfolg. Es ist so ein Tor, was keine Wahl zum “Tor des Monats” gewinnen würde, aber alles über den Willen, die Fitness und die Qualität dieses Spielers aussagt.
Einer der besten Mittelfeldspieler der Bundesliga
Überhaupt, das Toreschießen. In Montpellier war Skhiri noch ein vergleichsweise torgefährlicher Spieler, gerade aus der Distanz. In Köln wollte ihm das zunächst noch nicht recht gelingen, in einem Interview nach seiner zweiten Köln-Saison gab er die Steigerung der Torgefahr sogar als explizites Ziel aus. Ein Mann, ein Wort – und so wurden es insgesamt 20 Tore und acht Vorlagen. Alleine in dieser Saison steuerte der WM-Fahrer sieben Tore und einen Assist bei und gab starke 27 Torschussvorlagen – für einen Mann der Defensive ein wahnsinnig guter Wert. Joshua Kimmich (fünf Tore), Leon Goretzka, Konrad Laimer (je drei), Emre Can, Robert Andrich, Rani Khedira (je zwei) liegen alle hinter dem Mittelfeldmotor der Kölner – selbst in der Passquote (88 Prozent) liegen von den Genannten nur Kimmich und Can (beide 90 Prozent) hauchzart vor dem Tunesier. In seiner Zweikampfquote (56 Prozent) liegt er beispielsweise genau gleichauf mit Kimmich.
Kurzum: Die Werte bestätigen, was jeder FC-Fan ohnehin schon gefühlt hat – dieser Mann gehört zu den besten Mittelfeldspielern der Liga. Umso bemerkenswerter ist es, dass sowohl in den vergangenen vier Jahren dem Vernehmen nach nie ein seriöses Angebot für “Flaco” einging, als auch dass die Vereine jetzt, da der 28-Jährige ablösefrei ist, noch nicht zugegriffen haben. Gerade, da bei Skhiri auch alle Soft Skills zu stimmen scheinen: Als ruhiger, seriöser Vertreter seiner Zunft, der privat gerne angeln geht und Zeit mit seiner Familie verbringt, ist er so etwas wie der Prototyp des zuverlässigen, sachlichen Arbeiters, der sich stets in den Dienst der Mannschaft stellt, nie mit markigen Sprüchen die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, aber immer seine Leistung bringt. Oder zusammengefasst: ein Spieler, der so gut wie jeder Mannschaft auf dieser Welt gut zu Gesicht stünde.
Vielleicht aber ist er sogar etwas zu ruhig, etwas zu seriös, etwas zu wenig markig für den schrillen Zirkus des Spitzenfußballs, um die ganz große Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Wenn man sieht, für welche Irrsinnssummen Spieler wie Mahmoud Dahoud, Granit Xhaka oder Baptiste Santamaria teilweise gehandelt wurden, verwundert es umso mehr, dass für einen der besten Mittelfeldspieler der Liga “nur” 13 Millionen Euro Marktwert aufgerufen werden – so ganz wird man den Eindruck nicht los, dass er locker das Doppelte kosten würde, spielte er nur halb so gut für RB Leipzig oder den SC Freiburg. So einen Mann nun sogar ablösefrei zu verlieren, schmerzt wirtschaftlich ungemein, aber zumindest konnte man auf seine Dienste für die maximale Vertragslaufzeit zurückgreifen.
Ein großartiges Gesamtpaket, das es so ganz selten beim FC gab
Viel mehr schmerzen wird seine Absenz nächstes Jahr auf dem Platz. Man hat zwar mit Dejan Ljubicic und Eric Martel dem absehbaren Abschied gut vorgebaut und mit Denis Huseinbasic einen jungen Mann herangeführt – zudem lauern im Nachwuchs spannende Spieler wie etwa Jens Castrop (war ausgeliehen an Nürnberg) oder Meiko Wäschenbach (U19) auf ihre Chance im zentralen Mittelfeld der nahen Zukunft. Gleichwohl: Skhiri 1:1 ersetzen kann niemand von ihnen auf Anhieb. Einen Spieler dieser Qualität zu kompensieren, geht meist ohnehin nur im Verbund. Skhiri war einfach ein großartiges Gesamtpaket, das es so ganz selten beim FC gab.
Und obschon wir uns alle wünschen, dass Ellyes doch noch beim FC verlängert, mag man aber auch diverse Sportdirektoren dieser Welt am Liebsten an den Schultern packen, sie einmal kräftig durchschütteln und ihnen ins Gesicht schreien: “Auf was wartest du eigentlich noch?!” Vielleicht hat Skhiri ja auch alle Angebote auf dem Tisch und entscheidet sich nach dem verdienten Urlaub. Ganz in Ruhe und seriös, so wie er halt ist. Und so ganz verwundert wäre man auch nicht, wenn Skhiri selbst in seinem Urlaub noch jeden Morgen zu Fuß zum Bäcker sprintet. 13 Kilometer. Zum Warmwerden.