Viel ist seit dem letzten Spieltag der vergangenen Saison passiert beim VfB, zumindest personell. Der damalige Trainer Pellegrino Matarazzo ist längst weitergezogen gen Sinsheim, ersetzt hat ihn der auch in Köln bekannte und zwischendurch immer mal wieder gehandelte Bruno Labbadia. Insgesamt 17 Spieler verließen den Verein, am prominentesten darunter sicher der damalige Torschütze zum 1:0, Sasa Kalajdzic, der sich Wolverhampton anschl0ß. Ersetzen sollte ihn planmäßig der ebenfalls in Köln bestens bekannte Serhou Guirassy, was dem Guineer durchaus gelungen ist. Gegen Köln, so viel ist sicher, wird er nicht an seine bisherigen Leistungen anknüpfen können, denn der großgewachsene Stürmer fällt mit einer Verletzung im Adduktorensehnenbereich noch wochenlang aus. Ersetzen könnten ihn Luca Pfeiffer oder Eigengewächs Thomas Kastanaras.
Fehlt verletzt: Serhou Guirassy (hier im November 2018, Foto: Cathrin Mueller/Bongarts/Getty Images)
Ebenfalls an den Adduktoren verletzt ist der nächste Ex-Kölner, nämlich Nikolas Nartey – auch er steht nicht zur Verfügung. Für die wenig beliebte Kategorie “Ausgerechnet” bleibt also lediglich Chris Führich über, der sich am vergangenen Wochenende bereits warm geschossen hat und sein viertes Saisontor erzielte. Im Tor wurde Florian Müller unlängst von Fabian Bredlow abgelöst, zurückkehren in die Startelf nach Verletzung wird außerdem aller Voraussicht nach der pfeilschnelle Silas – er und Führich bilden eine der schnellsten Flügelzangen der Bundesliga und könnten Jonas Hector und Benno Schmitz vor Probleme stellen. Gleichwohl: bislang hat der VfB, zumindest den Ergebnissen nach, eher wenige Gegner in der Bundesliga vor Probleme gestellt. Denn trotz der ganzen oben skizzierten Änderungen gelangen bislang nur drei Saisonsiege (zum Vergleich, der FC hat sechs, nur Schalke hat mit zwei Siegen weniger eingefahren als Stuttgart), das Torverhältnis von -13 gibt VfB-Fans auch keinen Anlass zum Jubeln.
Es sind nur Zahlen
Allerdings wäre man beim “Effzeh” gut beraten, sich von diesen Zahlen nicht blenden zu lassen: Stuttgart war in sehr vielen Spielen sehr nah dran und oft auf Augenhöhe mit den Gegnern. Gegen Freiburg – ein Spiel, das man mit 2:1 verlor – hätten eigentlich fast alle Werte für die Schwaben gesprochen: 15:9 Torschüsse, 54% Zweikampfquote, zwei Kilometer mehr gelaufen. Nur das Glück, es wohnt derzeit nicht in einem süddeutschen Häusle. Nicht nur das Pech in Bezug auf die ganzen Verletzten, auch im Spielverlauf an sich hat bislang verhindert, dass Stuttgart sich aus dem Abstiegssumpf befreien oder dass ein “Labbadia-Effekt” einsetzen kann. Gegen Freiburg waren es letztlich zwei individuelle Fehler bzw. eine recht harte Schiedsrichterlinie, die einen Punktgewinn verhinderten – es ist das alte Lied von “erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech hinzu”. Dabei hat sich die Mannschaft unter Trainer Labbadia spielerisch durchaus weiterwickelt und kann sich beispielsweise aus brenzligen Situationen auch einmal spielerisch befreien, zumindest solange sie ihre individuellen Patzer abstellen. Der FC sollte sich also nicht auf Glück und Pech verlassen, sondern die eigenen Tugenden in die Waagschale werfen – ohnehin einer der Grundsätze von Steffen Baumgart.
Wie der FC spielen wird
Man könnte das Spiel jetzt anhand von Serien erzählen: die Auswärtsserie in Stuttgart oder die Prä-Rosenmontagsspiele. Da sich diese beiden Serien aber gegenseitig aufheben, und FC-Trainer Steffen Baumgart ohnehin nicht zur fatalistischen Sorte Mensch gehört, blicken wir lieber auf die spielerischen Ansätze, mit denen die Domstädter die Schwaben besiegen wollen. Seit Baumgart Trainer ist, muss man da auch gar nicht groß rumrätseln, denn die Marschroute wird klar sein: rennen, fighten, anlaufen, keinen Zentimeter preisgeben. Gerade gegen eine verunsicherte Mannschaft im Abstiegskampf, die zudem zu individuellen Fehlern neigt, ist konsequentes, hartes Pressing vermutlich sogar ein sehr probates Mittel: Fehler erzwingen, Ballgewinne provozieren und etwa Linton Maina auf die Reise schicken. Dies gepaart mit der Kölner Effizienz nach Ecken und der neuen Abwehrstärke im Jahr 2023: es könnte auf dem Papier so einfach sein. Gleichwohl fängt bei eben jener Abwehr auch eine Problemzone an: Timo Hübers fehlt gelbgesperrt, Nikola Soldo ersetzt ihn, Luca Kilian und Kristian Pedersen sind noch längerfristig verletzt. Passieren darf hinten also nichts mehr, denn man kann keine einzige der Positionen in der Viererkette positionsgetreu ersetzen (zumindest nicht mit Bundesligaspielern). Ab dann begänne das große Improvisieren. Zudem kann niemand in dieser Viererkette das Tempo der Stuttgarter Flügelflitzer mitgehen. Allerdings war dies auch gegen die Alleskönner aus München schon der Fall, als sich genau diese Kette unter maximalem Druck bereits einmal behauptet hat.
Dürfte zurückkehren in die Startelf: Dejan Ljubicic (Foto: Frederic Scheidemann/Getty Images)
Zudem macht die Rückkehr Dejan Ljubicics Vorfreude darauf, dass der Österreicher bald wieder zu seiner alten Form zurückkehrt – mutmaßlich wird er für Denis Huseinbasic in die Startelf rücken, wenn die Gesundheit es erlaubt. Ansonsten gilt: never change a running system. Was gegen Frankfurt recht und billig war, sollte auch gegen Stuttgart funktionieren können. Zumal Stuttgart einen ganz anderen spielerischen Ansatz hat als etwa Tabellennachbar Schalke, gegen die sich der Effzeh in der Rückrunde sehr schwer tat. Stuttgart wird in ihrem Heimspiel weit weniger tief stehen als die Knappen und versuchen wollen, mehr für das Spiel zu tun. Normalerweise liebt der FC solche Gegner, die Räume und Anfälligkeit für Pressing offenbaren (fragen Sie nach bei der Green-White-Wonderwall) – zeigt man hier die gleiche Griffigkeit und die gleiche Effizienz wie eben gegen Werder oder die Eintracht, wird es dieses Mal hoffentlich kein Happy Endo geben.
So könnte der FC spielen:
Schwäbe – Schmitz, Soldo, Chabot, Hector – Martel, Skhiri – Maina, Ljubicic, Kainz – Tigges