Es war das Spiel 1 nach Nizza. Nach friedlichem Fanmarsch, nach großer Vorfreude auf das Spiel, nach Jagdszenen im und um das Stade de Nice. Drei Tage danach stand zumindest für 90 Minuten das Geschehen auf dem grünen Rasen im Mittelpunkt und nicht die Vorkommnisse auf den Zuschauerrängen. Nicht, dass es deshalb ein vergnüglicher Nachmittag wurde.
Nein, die 0:1-Niederlage des 1. FC Köln gegen Union Berlin ließ heitere Gedanken ebenso wenig zu wie die Erinnerungen an die Ereignisse vom letzten Donnerstag. Auch die Spätsommersonne konnte die Trübsal nicht verscheuchen, die sich über das Stadion in Müngersdorf legte. Und man muss kein Prophet sein um vorauszusagen, dass noch so mancher Tropfen Wasser den Rhein hinunter fließen muss, bevor unbekümmerte Heiterkeit wieder uneingeschränkt möglich sein wird.
Union – überlegen in Hälfte 1, clever und abgezockt danach
Die Partie begann so, wie sie aus Kölner Sicht nicht anfangen sollte: Union Berlin legte los wie die Feuerwehr, der FC schien nicht auf dem Platz zu sein. Nach drei Minuten lenkte Timo Hübers Sheraldo Beckers Flanke unhaltbar ins eigene Tor ab – 0:1. Weitere fünf Minuten später entschied Schiedsrichter Benjamin Cortus auf Elfmeter, nachdem Luca Kilians linker Arm von hinten angeköpft wurde – eine zumindest diskutable Entscheidung. Jordan Siebatcheu lief an – Marvin Schwäbe parierte, hielt dabei sogar den Ball fest.
Eine Viertelstunde war gespielt, als Becker das vermeintliche 0:2 erzielte, dem nach Intervention des VAR wegen Abseits die Anerkennung versagt blieb. Dann musste Schwäbe in höchster Not per Fußabwehr gegen Becker retten, wenig später verfehlte Siebatcheus Kopfball das Kölner Tor nur um Zentimeter. Der Spielstand gab den Verlauf der Partie nur höchst unzureichend wieder, die Berliner hätten zu diesem Zeitpunkt schon mit zwei, wenn nicht gar drei Toren führen müssen.
Union Berlins Torhüter Lennart Grill klärt vor Luca Kilian und Eric Martel. (Foto: UWE KRAFT/AFP via Getty Images)
Taten sie nicht, und so blieb der 1. FC Köln im Spiel. Nach einer halben Stunde bot sich dem Team die erste Chance in personam Linton Maina, dessen Schrägschuss Lennart Grill genau so parieren konnte wie Mainas Versuch sechs Minuten später. Pedersen und Martel verpassten kurz vor der Halbzeit jeweils nach Ecke Kainz den möglichen Ausgleich, so ging man mit der knappen Berliner Führung in die Halbzeitpause.
Unmittelbar nach Wiederanpfiff war es wiederum Maina, der vor Grill auftauchte, den Berliner Tormann jedoch wieder nicht überwinden konnte. Abgesehen von Trimmels Lattenheber sollte dies die letzte Torchance der Partie bleiben. Kilian sah noch Gelb-Rot, die Berliner ergingen sich im Verhindern von Fußball und verbrachten die letzten Minuten des Spiels an der linken Kölner Eckfahne – clever, abgezockt und mit Erfolg, denn nach 94 Minuten besiegelte Cortus’ Schlusspfiff ihren 1:0-Auswärtssieg beim 1. FC Köln.
Erkenntnisse: Ein Plan, der nicht aufging
Es funktionierte kaum etwas im Spiel des 1. FC Köln. Jonas Hector vermochte auf der 10 keine Impulse zu geben, Florian Dietz verlor jeden Ball, den man ihm zuspielte, und Sheraldo Becker machte 30 Minuten lang mit der Kölner Abwehr, was er wollte. Das musste auch Steffen Baumgart zugeben: “Der Plan, den wir hatten, ist mal gar nicht aufgegangen,” sagte er nach dem Spiel und fügte hinzu: “Wir hatten keine Antworten.”
“Der Plan, den wir hatten, ist mal gar nicht aufgegangen.” (Steffen Baumgart)
Was war gut? Wieder einmal das Torwartspiel von Marvin Schwäbe, der Schlimmeres verhindern half. Und sonst? Kaum etwas. Florian Kainz deutete zweimal an, wie man einen schnellen Mann wie Linton Maina in Position bringen kann, doch beide Chancen machte Lennart Grill im Tor der Berliner zunichte. Die Eisernen zeigten, welche Fähigkeiten ein Team ohne überragende Individualisten benötigt, um erfolgreich zu sein: Schnelligkeit, Zweikampfstärke und taktische Disziplin. In allen drei Bereichen ist noch einige Luft nach oben beim 1. FC Köln.
Ausblick: Zuerst Slovácko, dann Bochum
Am Sonntag (17.30 Uhr) muss der 1. FC Köln im Bochumer Ruhrstadion antreten, bei einem VfL, der Thomas Reis freistellte, ein Trainer, der den Klub in die Bundesliga zurückführte und in der letzten Saison das Team in beeindruckender Weise zu einem nie wirklich gefährdeten Klassenerhalt führte. Auf der Trainerbank der Bochumer wird Heiko Butscher sitzen, langjähriger Spieler des VfL und zuletzt für die U19 des Vereins verantwortlich.
Im letzten Spiel beim VfL kämpft Florian Kainz um den Ball mit dem Bochumer Eduard Löwen. (Foto: Christof Koepsel/Getty Images)
Eine unangenehme Aufgabe für die Kölner, erwartet doch alle Welt einen Sieg beim bisher punktlosen Tabellenletzten. Es gab Beispiele in der Vergangenheit, in denen der FC ähnlichen Konstellationen nicht zu bewältigen vermochte. Zudem sind die Domstädter bereits unter der Woche gefordert als Gastgeber des 1. FC Slovácko in der Conference League und absolvieren damit die zweite Englische Woche hintereinander. Wird die Kraft reichen? Kann der FC seiner Favoritenrolle gerecht werden? Übersteht er die ersten Spielminuten ohne Gegentor? Fragen über Fragen. Auf die Antworten darf man gespannt sein.