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Vorspiel

Stuttgart zu Gast in Köln: Blaupause für die kommenden Monate

Die Partie gegen den VfB Stuttgart wird zeigen, ob der 1. FC Köln den Modus von Europaparty zu Bundesligaalltag wechseln kann. Das Spiel dient daher als Blaupause für die Monate September und Oktober.

Foto: Matthias Hangst/Getty Images

Ach, was waren das für wilde Tage. Heimspiel gegen den Fehérvár FC verloren, im Rückspiel alles korrigiert und letztlich verdient weitergekommen, Wunschreiseziele flogen in FC-Messenger-Gruppen und auf Twitter links und rechts durch den Äther, dann die Auslosung und sofortiger Sturm auf Google Maps und Wikipedia, längst vergessen geglaubte Kopfrechenkünste wurden reaktiviert, um das Auswärtskartenkontingent im tiefsten Tschechien auszurechnen, dann der konkrete Terminplan am heutigen Samstagmittag, sofort glühten die Buchungsportale. Flüge, Hotels, Züge, Leihwagen – die Reiseindustrie dürfte sich freuen. Was in all dieser Aufzählung etwas unterging: Dazwischen hat man sich irgendwie so halb auf dem Zahnfleisch gehend dank Jan Thielmanns Traumtor zu einem Unentschieden gegen die Eintracht aus Frankfurt gefightet.

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Und darin liegt dann auch die Crux der kommenden Wochen und Monate: zwischen all der Europa-Euphorie, zwischen all den Buchungsportalen und all den Rechnereien gibt es auch noch den Bundesligaalltag. Und dieser heißt am kommenden Sonntag VfB Stuttgart. FC-Trainer Steffen Baumgart aber auch die Spieler Jonas Hector und Timo Hübers wurden nicht müde, direkt nach dem Rückspiel in Székesfehérvár auf das sonntägliche Aufeinandertreffen hinzuweisen. Genau dies wird nämlich die Kunst bis zur WM-Pause im November sein: bei allen Highlights unter der Woche nicht das Tagesgeschäft zu vergessen. Die große Fähigkeit des FC Bayern Münchens ist es ja, unter der Woche gegen Real Madrid ein Fünf-Sterne-Menü zuzubereiten und am Samstag danach gegen den FC Augsburg leicht angekokelte Grillwürste genauso anzunehmen – aber Vereine, für die das nicht der Alltag ist, scheitern mitunter genau hieran.

Blaupause für die kommenden Wochen

Baumgart und Co. wissen daher ganz genau, warum sie so mahnerhaft auf das Stuttgart-Spiel hinweisen. Denn allzu verlockend wäre es, das Spiel gegen die Schwaben so nebenbei abzuarbeiten, einmal kräftig durchzurotieren und den Tabellenzwölften (2 Punkte aus 3 Spielen) schon irgendwie in einem Heimspiel zu schlagen. Einzig: so funktioniert die Bundesliga nicht. Dieser Wettbewerb ist viel zu stark und ab Platz 5 auch zu ausgeglichen, um irgendwen mal irgendwie so nebenbei abzufrühstücken.

Und gerade gegen den Verein für Bewegungsspiele sahen die letzten Heimspiele selbst ohne Doppelbelastung nicht gerade rosig aus. Zwar konnte man letzte Saison daheim mühsam mit 1:0 gewinnen, in den Saisons davor liest sich die Heimbilanz jedoch wie folgt: 0:1, 2:3, 1:3, 0:0, 1:1, 1:3, 1:5, 0:3, 0:0 usw. Tatsächlich muss man für den letzten Sieg daheim vor Steffen Baumgart bis in die Saison 2000/01 zurückgehen: 3:2 nach 0:1 Rückstand. Zweimal Christian Springer, einmal Dirk Lottner. Willkommen in den 2000ern.

Für Stuttgart geht es um den Befreiungsschlag

Alleine wegen der prekären Situation in Stuttgart sollte man diese – getreu dem Motto “verwundete Raubtiere sind am gefährlichsten” – schon nicht auf die leichte Schulter nehmen: die letzte Saison hängt dem Verein noch in den Klamotten, hier konnte man sich erst am letzten Spieltag in der Nachspielzeit gegen, natürlich, den 1. FC Köln retten, Trainer Pellegrino Matarazzo wird zumindest in Teilen daher auch kritisch gesehen. Zudem weiß niemand so ganz genau, welche Spieler eigentlich am Sonntag zur Verfügung stehen. Die Abwanderungsgerüchte um Stoßstürmer Saša Kalajdžić sind soweit gediehen, dass dieser seinen Trainer darum bat, nicht am Abschlusstraining teilnehmen zu müssen – Matarazzo strich den Top-Torjäger daraufhin für das Spiel am Sonntag aus dem Kader. Auch Außenverteidiger Borna Sosas Wechselwünsche werden immer konkreter, wie Kalajdžić wurde auch er unter der Woche bei einem Testspiel gegen den FC St. Gallen (3:0) nicht eingesetzt. Es ist daher unklar, ob der Deutsch-Kroate gegen den FC auflaufen wird und man dabei eine Verletzung riskiert – und ob die Gedanken überhaupt noch beim VfB wären. Eine Situation ähnlich wie der Effzeh selbst sie mit Anthony Modeste kurz vor dem Spiel gegen den FC Schalke 04 erlebte. Verzichten müssen die Süddeutschen in jedem Fall auf Tiago Tomás (Mandelentzündung), Enzo Millot (Schlag aufs Knie) und Ex-FCler Nikolas Nartey (Muskelfaserriss).

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Für den VfB ist dieses Spiel aber aus genau diesen Gründen nicht ohne Zündstoff: mit einem Sieg gegen erschöpfte Kölner könnte man einen ersten Befreiungsschlag landen und sich etwas Luft nach unten verschaffen. Sollte der Sieg ohne Kalajdžić und gegebenenfalls Borna Sosa zustande kommen, hätte man das Umfeld gleich etwas mehr beruhigt ob dieser Abgänge (auch dem FC gegen Schalke nicht unähnlich) und auch Materazzo säße wieder etwas fester im Sattel.

Beim letzten Aufeinandertreffen noch im Kader: Stürmer Saša Kalajdžić (hier im Laufduell mit Timo Hübers). (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Für den FC, der im Sondertrikot auflaufen wird, hingegen geht es darum, sich direkt an die Gangart der englischen Wochen zu gewöhnen und Anflüge von Schonung im laufenden Spiel gar nicht erst zuzulassen. Zupass kommt Trainer Baumgart hier, dass die Kaderplanung eine gewisse Rotation erlaubt: Kristian Pedersen hat sich als Alternative zum angeschlagenen Kapitän Hector bewiesen und letztlich sogar seinen Offensivdrang entdeckt, Florian Dietz könnte man etwa durch Steffen Tigges oder den reaktivierten Sebastian Andersson ersetzen, Spieler wie Sargis Adamyan oder Ondrej Duda sehen sich sicherlich nicht als Bankspieler, Mathias Olesen machte zuletzt mit einem Startelf-Einsatz gegen die SGE und guten 35 Minuten gegen Fehérvár auf sich aufmerksam, Kingsley Schindler köpfte den FC in Ungarn in die Ekstase.

Die Breite des Kaders als Trumpf

Gegen den VfB wird es auch darauf ankommen, schnelle Spieler auf dem Platz zu haben, die Tiefenläufe von Spielern wie Silas oder Chris Führich mitgehen können. Es wäre daher nicht völlig überraschend, wenn – wie bereits im letzten Aufeinandertreffen – ein Kingsley Ehizibue den Vorzug vor Benno “Cafú” Schmitz bekäme oder Sargis Adamyan bzw. Jan Thielmann in die Startelf rotieren würden. Setzte man gegen die Ungarn noch auf physische Überlegenheit und brachte vor allem robuste, großgewachsene Spieler – was sich durch zwei Kopfballtore bzw. zwei Tore nach Standards ja durchaus auszahlte – könnte gegen Stuttgart eher der Faktor “Speed” über die Aufstellung entscheiden. Dabei kann das Trainerteam fast aus den Vollen schöpfen: lediglich Mark Uth fällt noch länger aus, Tim Lemperle spielte gegen die U21 der Fortuna aus Düsseldorf und dürfte daher erneut im Kader fehlen. Von personellen Planspielen einmal abgesehen ist es sicherlich auch von Vorteil, dass Steffen Baumgart vermutlich genau der richtige Trainer ist, um ein Larifari gar nicht erst zuzulassen, sondern beim leisesten Anzeichen dessen direkt energisch dazwischen hauen wird. Die gute Nachricht ist ja, dass die Leistungsdichte im Kader diverse Gedankenspiele des Trainers und einen entsprechenden Matchplan überhaupt erst zulässt.

Top-Fakt

Der VfB Stuttgart gewann saisonübergreifend nur eines der letzten zehn Bundesligaspielen – und zwar das Spiel gegen den 1. FC Köln.

Das sagen die Trainer:

Pellegrino Matarazzo (VfB Stuttgart): “Der FC hat eine sehr intensive Mannschaft, die emotional geführt wird. Es ist schon eine Herausforderung, in Köln zu spielen. Wir freuen uns darauf.”

Stimmen von FC-Trainer Steffen Baumgart lagen bis Redaktionsschluss leider nicht vor.

So könnte der FC spielen

Schwäbe – Ehizibue, Kilian, Hübers, Hector – Skhiri – Thielmann, Olesen, Kainz – Tigges, Adamyan

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