Ein junger, talentierter Innenverteidiger soll die Defensive des 1. FC Köln verstärken: Luca Kilian kommt auf Leihbasis für ein Jahr vom 1. FSV Mainz 05 ans Geißbockheim. Der 21 Jahre alte Abwehrhüne hatte seinen Durchbruch in der Bundesliga-Saison 2019/20 unter Steffen Baumgart beim SC Paderborn gefeiert, will nun seine ins Stocken geratene Karriere in Köln wieder in Schwung bringen. Der Enkel des einst als “Eisenfuß” verschrienen Verteidigers Amand Theis gilt als eine Art “Musterschüler” des neuen FC-Trainers und wird mit seinen bekannten Qualitäten eine weitere Option für das Abwehrzentrum der “Geißböcke” darstellen, die im Sommer den Abgang des belgischen Innenverteidigers Sebastiaan Bornauw verkraften mussten.
Kann Kilian die Lücke füllen, die der Wechsel des Abwehrchefs zum VfL Wolfsburg gerissen hat? Wie hat sich der Innenverteidiger in seiner Paderborner Zeit unter Steffen Baumgart geschlagen? Und was für einen Spieler hat sich der FC dort für die Defensive ausgeliehen? Darüber sprechen wir unter anderem in unserem Experteninterview mit dem Sportjournalisten Lukas Thiele, der in Köln unter anderem für den WDR und den Deutschlandfunk arbeitet, dessen Herz aber schon seit längerer Zeit für den SC Paderborn schlägt. Als SCP-Fan hat er natürlich Luca Kilians Bundesliga-Zeit ganz genau verfolgt und kann uns sagen, was sich der FC von der Leihe des 1,92 Meter großen Innenverteidigers versprechen kann.
Lukas, Luca Kilian verstärkt den 1. FC Köln auf Leihbasis, kommt für ein Jahr von Mainz 05 und kehrt zu seinem einstigen Förderer Steffen Baumgart zurück. Hat der FC einen Lieblingsschüler unseres neuen Trainers verpflichtet?
Lieblingsschüler ist vielleicht ein zu großes Wort. Es ist jedoch klar, dass Steffen Baumgart große Stücke auf Kilian hält. Wenn Baumgart eines mag, dann sind das junge, entwicklungsfähige Spieler, die auch noch laufen können. Und genau das ist Luca Kilian. „Ich schätze Luca sehr und aus rein persönlicher Sicht hätte ich ihn gerne behalten“, hatte Baumgart nach Kilians Wechsel nach Mainz in einem Interview gesagt. Man kann also schon sagen, dass euer Trainer ein Fan von ihm ist. Wird er deswegen in Köln irgendeine Sonderbehandlung bekommen? Definitiv nicht, wir reden immer noch von Steffen Baumgart.
“Lieblingsschüler ist vielleicht ein zu großes Wort. Es ist jedoch klar, dass Steffen Baumgart große Stücke auf Kilian hält.”
Kilian hat in eurer Bundesliga-Saison für euch verteidigt, wechselte aus der Reserve von Borussia Dortmund zum SCP. Wie hat er sich auf dem ungewohnten Niveau geschlagen?
Sehr gut! Es war schon sehr überraschend, als Kilian am sechsten Spieltag 2019/20 im Heimspiel gegen den FC Bayern plötzlich in der Startelf stand, ohne vorher einmal auf dem Platz gestanden zu haben. Ich meine, Du machst als junger Spieler dein erstes Bundesliga-Spiel und musst gleich Robert Lewandowski stoppen. Gibt sicher leichtere Sachen. Einmal ist ihm Lewandowski dann auch entwischt, aber er hat seine Sache dennoch sehr ordentlich gemacht. Auch in den folgenden Spielen hat sich Kilian nahtlos in die Mannschaft eingefügt. Ein Qualitätsverlust war nicht zu spüren, eher im Gegenteil. Denn die das vorherige Innenverteidiger-Paar Christian Strohdiek/Uwe Hünemeier war zwar Bundesliga-erfahren, aber auch furchtbar langsam. Hier hat Kilian durch seine Schnelligkeit auf jeden Fall viel bewirkt.
15 Spiele absolvierte er 2019/20 in der Bundesliga für den SCP – auch weil einige Verletzungen ihn ausbremsten. Waren es ausschließlich diese Probleme, die mehr Einsätze verhinderten?
Ich würde sagen: auf jeden Fall. Denn nach dem besagten Bayern-Spiel stand Kilian jedes Mal 90 Minuten auf dem Platz und gab wirklich überhaupt keinen Grund, ihn herauszunehmen. Dann kam eine Muskelverletzung, gefolgt von der beinahe berühmten Corona-Infektion als erster Bundesliga-Spieler. Danach hat ihn eine Oberschenkel-Verletzung wieder aus dem Verkehr gezogen, sodass er 14 Spiele lang draußen war. Das war natürlich wirklich bitter für einen aufstrebenden jungen Spieler. Aber als er dann wieder fit war, stand er auch wieder in der Startelf, auch wenn es dann nur noch zwei Spiele waren und der Abstieg bereits feststand.
Nach dem Abstieg verließ er euch Richtung Mainz, um in der Bundesliga zu bleiben. Ein Wechsel, der vielleicht zu früh kam? Hast du seinen Werdegang nach seinem Abgang überhaupt noch verfolgt?
Ich hab nach seinem Wechsel immer mal wieder geguckt, ob er in der Mainzer Startelf beziehungsweise im Kader stand. Und es hat mich schon gewundert, dass das sehr häufig nicht der Fall war und er dann sogar nur noch in der zweiten Mannschaft gespielt hat. Ich weiß natürlich nicht genau, wie er sich in Mainz präsentiert hat, aber im Nachhinein könnte man schon sagen, dass der Wechsel vielleicht nicht der richtige Schritt war. Hinterher ist man natürlich immer schlauer. Kilian hat bewiesen, dass er Bundesliga spielen kann und hatte die Chance, in der Bundesliga zu bleiben. Von daher war der Wechsel schon irgendwo verständlich. Dass es dann so gekommen ist, finde ich auch persönlich sehr schade. In Paderborn wäre er unbestritten Stammspieler gewesen, was für seine Entwicklung sicherlich besser gewesen wäre.
“Der FC bekommt einen Spieler, der alle Anlagen mitbringt, um ein guter bis sehr guter Bundesliga-Spieler zu sein.”
Nun die Leihe nach Köln: Welcher Spielertyp erwartet den FC? Wo liegen in deinen Augen seine Qualitäten, in welchen Bereichen muss er noch zulegen?
Der FC bekommt einen Spieler, der alle Anlagen mitbringt, um ein guter bis sehr guter Bundesliga-Spieler zu sein. Er ist schnell (hatte ich gesagt, ne?) und – und das ist vielleicht noch wichtiger – strahlt für sein Alter eine ungemeine Ruhe aus. Das hat mich damals bei ihm am meisten beeindruckt, dass er in die Startelf geworfen wurde und gespielt hat, als sei das völlig normal. Mir ist jetzt auch kein gravierender Fehler in Erinnerung. Auch spielerisch hat er einiges drauf. Steffen Baumgart will immer von hinten rausspielen. Da braucht es spielstarke Innenverteidiger, die auch unter Druck den Überblick behalten. Das kann Kilian.
Man darf aber trotzdem nicht vergessen, dass er erst 21 Jahre alt ist du jetzt auch länger nicht gespielt hat. In Paderborn hatte er zudem den Vorteil, dass er mit Christian Strohdiek, Uwe Hünemeier und Sebastian Schonlau erfahrene Leute mit Führungsqualitäten (alle waren mal SCP-Kapitän) neben sich hatte. Auch sind die Ansprüche und die generelle Aufmerksamkeit in Paderborn geringer als in Köln. Da wird sich dann zeigen müssen, wie er damit klar kommt. Steffen Baumgart wird ihm das Vertrauen schenken, das wird helfen.
Du bist selbst in Köln zuhause, hast daher sicherlich auch ein Auge auf den Verein dieser Stadt. Glaubst du, er kann die benötigte Verstärkung für den FC sein?
Die Leihe hat auf jeden Fall das Potential, eine Win-Win-Situation zu sein. Kilian hat wieder die Chance, regelmäßiger zu spielen. Und der FC bekommt einen hochbegabten und unaufgeregten Innenverteidiger. Man darf allerdings nicht den Fehler machen und glauben, er wäre ein 1:1-Ersatz für Sebastiaan Bornauw. Dazu bringt er vielleicht noch nicht die Körperlichkeit und auch nicht die Torgefahr mit. Er kennt aber Baumgarts Spielweise und Baumgart weiß, was Kilian kann und wie er ihn anpacken muss. Ich kann mir vorstellen, dass er etwas Anlaufzeit braucht, aber dann bin ich mir sicher, dass er dem FC weiterhelfen kann.
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Abseits des Platzes: Wie hat sich Kilian in Paderborn gemacht? Was für ein Charakter kommt da ans Geißbockheim?
Kurzum: ein guter Junge. Luca Kilian hat auf mich immer einen sehr reflektierten Eindruck gemacht. Er weiß genau, was seine Rolle ist und drängt sich nicht in den Vordergrund. Im vergangenen Jahr stand er ja ungewollt im Fokus aufgrund seiner Corona-Erkrankung. Ich finde aber, die Situation hat er sehr gut gemeistert. Er kann sich sehr gut ausdrücken und hat offen über das gesprochen, was er erlebt hat, ohne zu dramatisieren. Danach hat er sich ja auch deutlich gegen Anti-Corona-Maßnahmen-Demos geäußert. Er scheut also auch nicht davor, mal klar seine Meinung zu sagen.
Über unseren Interviewpartner: Lukas Thiele lebt in Köln und arbeitet als freier Sportjournalist unter anderem für den WDR und den Deutschlandfunk. Seit 2005 ist er Fan des SC Paderborn und war jahrelang Dauerkarteninhaber. Nun verfolgt Lukas das Geschehen bei seinem Club aus dem rheinischen Exil und ist, wenn es seine Zeit und die Pandemie erlaubt, im Stadion.