Nein, es war keine gewöhnliche Bundesligapartie, kein business as usual. Zwar werden die Statistiker den 3:2-Sieg der Bayern gegen den 1. FC Köln zügig abhaken, die Fußballfans aber, die werden noch lange an diesen frühen Sonntagabend im August zurückdenken. Es war das erste Heimspiel der Münchener, seitdem die Nachricht vom Tod des legendären Torjägers Gerd Müller die Säbener Straße erreichte. Und es war mehr als nur ein Hauch von Melancholie, der sich über die Allianz Arena legte, als Präsident Herbert Hainer und Ehrenpräsident Uli Hoeneß vor dem Anpfiff an den Sportler wie an den Menschen Gerd Müller erinnerten und an Szenen, die kein Fußballfan je vergessen wird. An seine Tore in unvergesslichen Europapokalspielen, seine Treffer gegen England und Italien bei der WM 70 und das Siegtor im Endspiel 1974 gegen Holland, das Deutschland zum Weltmeister machte.
Erinnerungen an Gerd Müller umrahmten das Spiel
Uli Hoeness war es, der ins Gedächtnis rief, dass es Gerd Müllers unnachahmlichem Torinstinkt zu verdanken sei, dass die Bayern zu dem werden konnten, was sie heute sind – ein Gigant im Weltfußball. Welch ein Kontrast! Hier der liebenswerte, bescheidene und grundanständige gelernte Weber aus dem beschaulichen Nördlingen und da ein Verein, der zu einem Weltunternehmen geworden ist und sich nicht selten auch so aufführt. Einen Torjäger wie ihn wird es nie wieder geben, da waren sich alle einig, und auch nicht einen Sportler, der seinen überwältigenden Erfolgen mit so viel Demut begegnet war, wie er das sein Leben lang tat.
So mancher der 20.000 Zuschauer im weiten Rund des Münchener Stadions wischte sich noch eine Träne aus dem Augenwinkel, als Schiedsrichter Martin Petersen die Partie um kurz nach halb sechs anpfiff. Gerd Müllers Nachfolger im Bayerntrikot mit der Nr. 9, Robert Lewandowski, sollte in den folgenden 90 Minuten auf seine Weise an den verstorbenen Torjäger erinnern, mit einem Tor aus fünf Metern – Müllers Lieblingsdistanz. Doch bis dahin hatten die Bayern sich fast 50 Minuten lang die Zähne ausgebissen an einem Kölner Team, das mit Vehemenz dagegenhielt und zahlreiche Ballgewinne zu verzeichnen hatte, allerdings noch zu wenig Mut und Präzision bei den sich bietenden Konterchancen offenbarte. “Ich finde, wir haben in der ersten Halbzeit ganz gut verteidigt, hätten die ein oder andere Konterchance noch besser zu Ende spielen müssen”, sagte Florian Kainz dazu.
Eine turbulente zweite Halbzeit mit fünf Toren
Nach der Halbzeit dauerte es nur fünf Minuten, bis Jamal Musiala seinem Mittelstürmer den Ball so mundgerecht servierte, dass der nur noch einschieben musste. Kaum zehn Minuten später kombinierten sich Lewandowski und Thomas Müller durch die FC-Abwehr, die anschließende Flanke vollendete Gnabry zur 2:0-Führung für die Bayern. Wer nun dachte, dass die Partie ihren erwarteten Verlauf nehmen würde, der irrte. Die Kölner schüttelten sich kurz, dann flankte Jonas Hector punktgenau auf Anthony Modeste, der unhaltbar zum 1:2-Anschlusstreffer einköpfte. Keine 120 Sekunden später spielte Ehizibue zu Uth, der den Ball an Neuer vorbei zum 2:2 ins Tor spitzelte.
Die Partie wogte nun hin und her, die Bayern rannten an, Steffen Baumgarts Team hielt dagegen und suchte selber auch den Weg nach vorne. Schließlich war es Timo Horn, der eine eher harmlose Flanke nicht abfing, sondern nach vorne faustete, mittig bis kurz hinter die 16-Meter-Linie, wo Kimmich den Ball zu Gnabry köpfte, der mit einem wuchtigen, aber keinesfalls unhaltbaren Schuss über den Kölner Keeper hinweg das 3:2 für die Münchener erzielte. Der 1. FC Köln warf in den verbleibenden Minuten alles nach vorne, doch alles Anrennen blieb vergebens, der nicht einmal unverdiente Ausgleich versagt.
Die Erkenntnisse aus der Partie
Zweifellos, der 1. FC Köln hat sich in der Allianz Arena teuer verkauft. Die von Trainer Steffen Baumgart vermittelte Spieltaktik wird von seinem Team angenommen und artet nicht in das vielfach befürchtete Harakiri aus. Dies ist umso bemerkenswerter, als die Abwehr sich als Achillesferse der Kölner entpuppt. Angefangen bei Timo Horn, der noch mit seiner neuen Torwartrolle fremdelt, über Kingsley Ehizibue bis hin zu Jorge Meré, der an den ersten beiden Gegentoren beteiligt war. Gerade in der Innenverteidigung ist die Personaldecke sehr dünn, sowohl quantitativ als auch qualitativ. Legt der Verein hier noch nach oder spielt man tatsächlich va banque?
“Wir sind stark ins Spiel zurückgekommen, schade, dass wir nichts mitgenommen haben. Wir haben einen Schritt nach vorne gemacht, die Entwicklung ist erkennbar.”
Doch es gab auch Lichtblicke: Dejan Ljubicic und Ellyes Skhiri zum Beispiel, die lauffreudig und zweikampfstark im Mittelfeld agierten. Jan Thielmann macht Freude, Mark Uth ist ein Gewinn – und Modeste trifft wieder. So fällt dann auch das Fazit von Steffen Baumgart insgesamt recht positiv aus: “Wir sind stark ins Spiel zurückgekommen, schade, dass wir nichts mitgenommen haben. Wir haben einen Schritt nach vorne gemacht, die Entwicklung ist erkennbar.”
Der Ausblick zum nächsten Spiel
Am nächsten Samstag wartet die nächste Aufgabe zur gewohnten Zeit um 15.30 Uhr. Und vor 25.000 Zuschauern, die hoffen, eine ähnlich starke Leistung ihrer Mannschaft zu sehen wie zum Saisonauftakt. Gegen den Aufsteiger aus Bochum geht’s, ein gleichermaßen kampf- wie spielstarkes Team, das den wahrlich nicht schwachen Mainzern am Wochenende so gut wie keine Chance ließ und die Rheinhessen mit einer 2:0-Niederlage nach Hause schickte. Der VfL wird den Kölnern alles abverlangen. Auch der Defensive. Dort tut Besserung not.
Den Anhängern der Bayern wird dies egal sein. Sie werden sich beim Heimweg über die gewonnenen drei Punkte gefreut haben, über Gnabrys Doppelpack, Süles Wucht und Musialas feines Spiel. Vielleicht werden sie auf ihrem Weg nach Hause auch einen Blick zurück zur Allianz Arena geworfen haben. Und ihnen wird dabei aufgefallen sein, dass das Münchener Stadion sie mit dem besonderen Schriftzug „Danke Gerd“ verabschiedete. Danke, Gerd Müller, für ein Leben für den Fußball und für Tore, die man nicht vergisst.