Nasskalt war es an diesem Sonntagabend im November. Das unwirtliche Wetter passte zu der fast schon melancholisch anmutenden Leere des Müngersdorfer Stadions. Es passte auch zu den Mienen der Akteure des 1. FC Köln, die – wie schon so oft in dieser Saison – mit leeren Blicken da standen und zu verstehen suchten, was kaum zu verstehen war. Sie hatten verloren, wieder einmal. Mit 1:2 gegen den 1. FC Union Berlin. Dabei hatten sie gegen die “Eisernen” gekämpft, sich gegen die drohende Niederlage aufgebäumt. Vergeblich.
Die beiden Tore, die sie kassiert hatten, waren unverzeihlichen Fehlern geschuldet,. Unverzeihlich, weil vermeidbar. Wie schon so manches Mal vorher. Rafael Czichos schüttelte den Kopf, Ismail Jakobs saß ausgepumpt auf dem Rasen und Sebastian Andersson tauschte sein buntes Jersey mit einem Gegenspieler. Zu allem Überfluss hatten sie im Karnevalstrikot antreten müssen, das dem Flickenkostüm eines Clowns nachempfunden ist. Der Rubel muss rollen, auch in Zeiten, in denen es für Menschen im allgemeinen und für FC-Profis im besonderen kaum einen Grund zum Feiern gibt.
Rückstand durch ein vermeidbares Gegentor – wieder einmal
Vom Anpfiff an wurde klar, dass Trainer Markus Gisdol zu einer taktischen Maßnahme aus lange vergangenen Fußballtagen gegriffen hatte. Er hatte Max Kruse, den besten Torschützen der Berliner, in Manndeckung nehmen lassen. Ellyes Skhiri, der tunesische Nationalspieler in Reihen der Kölner, war mit dieser Aufgabe betraut worden. Ungeachtet seiner Bewachung schoss Kruse sein Tor, Skhiri absolvierte jedoch trotzdem sein bestes Saisonspiel für die “Geißböcke”.
Fast eine halbe Stunde lang passierte wenig in Müngersdorf. Die Berliner kontrollierten das Spiel, ohne wirklich gefährlich zu werden, die Kölner konzentrierten sich auf die Arbeit gegen den Ball. In der 26. Minute flog ein langer Ball aus dem Mittelfeld an den Strafraum des Heimteams, Jorge Meré verlor das Kopfballduell, Marius Wolf und Rafael Czichos standen sich gegenseitig im Weg. Taiwo Awoniyi nahm das Geschenk dankend an und überwand Timo Horn mit einem Flachschuss ins linke Eck – 0:1.
Die Kölner wehrten sich, kamen allerdings aus dem Spiel heraus zu keinerlei Chancen. So nahm es nicht wunder, dass erst ein Freistoß, den Ondrej Duda von der rechten Seite in den Berliner Strafraum schlug, zum 1:1-Ausgleich durch Ellyes Skhiri führte (35.).
Max Kruse besiegelt die Niederlage
Nach der Halbzeit sah man lange ein verteiltes Spiel, bis der Kölner Fehlerteufel erneut zuschlug (72.). Czichos spielte einen Fehlpass, die Berliner kombinierten sich mit rasender Geschwindigkeit auf der rechten Seite durch. Ingvartsen konnte die anschließende Flanke im Strafraum unbedrängt annehmen, umspielte dann den zurückgeeilten Salih Özcan, der das Standbein des Norwegers traf – Elfmeter.
Max Kruse trat an, zielte ins rechte Eck – und Horn wehrte ab. Was dann folgte, wird Gisdols Blutdruck in ungeahnte Höhen katapultiert haben. Alleine Skhiri fühlte sich bemüßigt, dem abgewehrten Ball entgegenzulaufen, seine Mannschaftskollegen verfolgten das weitere Geschehen von der Strafraumgrenze, interessiert, aber bewegungslos. Kruse nutzte seinen Vorsprung und netzte ein – 1:2.
Was bleibt nach diesem Spiel?
Was folgte, war ein erfolgloses, wenig geordnetes Anrennen der Kölner, die kurz vor Schluss durch den eingewechselten Rexhbecaj noch den Pfosten trafen. Was bleibt nach diesem Spiel? Gewiss drängen sich Fragen auf, die man Markus Gisdol stellen muss. Die wichtigste: Was sollen seine Spieler eigentlich tun, wenn sie den Ball haben? Das Offensivspiel seines Teams ist auf erschreckende Weise harmlos. Kombinationsversuche werden oft sehr schnell durch Ungenauigkeiten zunichte gemacht, einstudierte Spielzüge vermisst man gänzlich und Flanken auf den kopfballstarken Andersson lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen.
Dabei ist genau dies die Aufgabe des Trainers. Die Vermittlung einer Spielidee, das Einstudieren von Pass- und Laufwegen, das taktische Verhalten bei Ballbesitz. Gewiss, seine Mannschaft kämpft und läuft. Dies sind aber auch die Grundanforderungen an einen Fußballprofi, dazu braucht es keinen hochbezahlten Übungsleiter. Eines wird auch Gisdol wissen: Nach 18 Spielen ohne Sieg und bei einem Blick auf die Tabelle spüren auch die Kölner Verantwortlichen den Druck zu handeln. Treueschwüre hin und Lippenbekenntnisse her.
Stimmen zum Spiel
Markus Gisdol sprach die Fehler bei den Gegentoren an: “Es hat nicht viel gefehlt, um wieder zu punkten. In so einem Spiel musst du mindestens einen Punkt machen. Jetzt haben wir nichts. Wir haben im entscheidenden Moment den Fehler zu viel gemacht. Es ist ärgerlich. Vieles hängt mit dem Selbstvertrauen zusammen. Bei einem gesteigerten Selbstvertrauen macht man die einfachen Fehler nicht. Wir sind zu brav aktuell. Es hat mir gefehlt, dass wir uns gegenseitig pushen und mit letzter Entschlossenheit dagegen gehen. Das werde ich mit der Mannschaft besprechen. Es wird von Anfang bis zum Ende der Saison ein Kampf um den Klassenerhalt. Das ist klar. Wir dürfen nicht den Kopf verlieren. Wir müssen klar bleiben und dann Schritt für Schritt punkten.”
Timo Horn appellierte an den Kampfgeist seines Teams: “Wir müssen Woche für Woche wieder aufstehen. Union war nicht besser als wir, aber sie haben das Momentum auf ihrer Seite. Das 1:0 war ein Zufallsprodukt und der sechste Elfmeter im achten Spiel ist einfach zu viel. Es hilft nichts, wir müssen aufstehen und weitermachen. Wenn wir nicht an uns glauben, wer dann. Wir wissen, was wir können, und dass wir uns da unten rauskämpfen können. Es sind ein paar Mannschaften unten drin, die wir mit einem Sieg überholen können. Es geht nur darum, die Klasse zu halten.”
So wie wir verteidigen, das ist einfach schlecht, so holst du nie einen Punkt in der Bundesliga.
Rafael Czichos sprach die Fehler offen an: “So wie wir verteidigen, das ist einfach schlecht, so holst du nie einen Punkt in der Bundesliga. Auch nach vorne sind wir viel zu ungenau. Das Gegentor war ein Gestocher von mir und Marius, am Ende landet er beim Gegenspieler. Heute ist ein sehr bitterer Tag. Es bleibt uns nichts übrig, als weiter Gas zu geben. Wenn wir unsere Fehler nicht abstellen, gewinnen wir kein Spiel dieses Jahr.”
Der Ausblick auf die nächste Partie
Am nächsten Samstag geht es nach Dortmund zur dortigen Borussia. Was Haaland und Co. zu leisten imstande sind, haben sie bei der Hertha eindrucksvoll bewiesen. Die Schnelligkeit, mit der sie ihre Angriffe vortragen, die traumwandlerische Sicherheit ihres Passspiels, die tödliche Präzision des Abschlusses. Nimmt man die Darbietungen des 1. FC Köln zum Vergleich, mutet das Spiel des BVB an wie Fußball von einem ganz anderen Stern.
Alles andere als eine deutliche Niederlage wäre eine große Überraschung. Damit würde man die Serie der Spiele ohne Sieg auf 19 vergrößern, möglicherweise sogar auf den letzten Tabellenplatz zurück rutschen. Vorzeichen eines neuerlichen Abstiegs inmitten einer Krise, die den Verein dann an den Rand des finanziellen Ruins führen würde. Ein Hauch von Götterdämmerung legt sich über das Geißbockheim. Passend zum tristen Wetter im November.