Leev Lück,
irgendwie habe ich kein gutes Gefühl. Nicht so sehr wegen der zwei Niederlagen zum Auftakt, die den 1. FC Köln wieder einmal von Beginn an der Musik hinterherlaufen lassen. Auch nicht wegen der Art und Weise, wie diese beiden Begegnungen verloren gegangen sind. Auch nicht so sehr wegen des anstehenden Derbys, das vermutlich wie gewohnt in die Hose geht. Ich bin vielmehr, wie es so schön heißt, mit der Gesamtsituation rund um unser aller Lieblingsverein unzufrieden. Sogar so sehr, dass ich wenige Tage vor dem Derby noch keinerlei Kribbeln verspüre. Das Duell mit Borussia Mönchengladbach: Mir egal? Klingt traurig, ist aber irgendwie so.
Denn auch wenn sowohl der misslungene Auftakt gegen Hoffenheim (immerhin 4:1 gegen den FC Bayern) mit dem 2:3 in letzter Minute als auch der harmlose Auftritt bei der Arminia auf der Alm keine Punkte brachten: Weit weg von der Musik war der FC nicht, auch wenn sich dafür niemand etwas kaufen kann. Mit den Neuzugängen, die leider erst kurz vor knapp zum Team stießen, ist zumindest noch deutlich Luft nach oben vorhanden. Dennoch: Unsere „Geißböcke“, sie kommen zum x-ten Mal in den letzten Bundesliga-Jahren eher schwer in die neue Saison und stecken bereits jetzt im Abstiegskampf. Und trotz gewisser Ansätze: Das große Ganze sieht alles andere als gut aus, seit verdammten zwölf Spielen ist der FC ohne Sieg. Das schlägt vermutlich nicht nur mir natürlich aufs Gemüt.
Jeder gegen jeden beim 1. FC Köln
Was meinen Frust ehrlich gesagt noch vergrößert: Die beliebte Alibisuche ist am Geißbockheim bereits angelaufen, wie die Aussagen der Verantwortlichen belegen. Natürlich komplett unverschuldet ist der FC von dunklen Mächten (Bill Gates anyone?) und nicht zu ändernden Umständen in eine bedrohliche Drucksituation geraten. Dass die kurze Vorbereitung holprig verlief? Doch nicht dem Trainer anzulasten. Dass der Kader erst extrem spät steht? Kann der Sportchef wohl nichts für. In der Nachspielzeit wieder Frederik Sörensen als Kevin-McKenna-Kopie in den Angriff schicken müssen? Ist halt so. Höhere Gewalt. Wie einen Torwart zwischen die Pfosten zu stellen, der seit drei Jahren wie sein untalentierter Zwilling daherkommt.
Ihr merkt: Mir ist die Ruhe abhanden gekommen, ich bin dezent frustriert. Das liegt aber auch an den Vorkommnissen abseits des Rasens. Wie so oft war der FC einmal mehr im Selbstzerstörungsmodus unterwegs, wie so oft verstrickt sich der komplette Verein in überflüssigen Nebenkriegsschauplätzen. KGaA gegen e. V., Geschäftsführung gegen Vorstand, Mitgliederrat gegen Mitglieder und eingebettete Medien, Fans in Diskussionen untereinander. Ich bin wahrlich kein Verfechter der „Ruhe ist erste Bürgerpflicht“-Strategie, aber was zuletzt in und um unseren FC abging, hinterlässt mich geradezu sprachlos. Dass am Ende einer unwürdigen Medienkampagne mit Stefan Müller-Römer einer der Streiter für einen demokratischen 1. FC Köln als Mitgliederratschef abgesägt wird, ist für mich traurig.
Stellungnahmen, Interviews, Interna: Alle melden sich zu Wort
Vor allem, wenn man die Maßstäbe anlegt, mit denen in den vergangenen Jahren das Verhalten der Vereinsverantwortlichen gemessen wurde. Stichwort Mixer mit W und so. Solche Ausfälle und noch viel mehr, alles von effzeh.com-Chefredakteur Thomas Reinscheid auf Twitter haarklein aufgelistet, hat in der Kölner Presse in keinem Fall solche Wellen geschlagen. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Das gilt auch für die Reaktion von Vorstand und Mitgliederrat, die in beiden Fällen nicht überzeugen konnten. Zwar verurteilte das Präsidium die Veröffentlichung von vertraulichen Mails durch den „Kölner Stadt-Anzeiger“, gab aber diesem durch Werner Wolf direkt im Anschluss daran ein ausführliches Interview. Auch bleibt nebulös, welche Aussagen Müller-Römers jetzt im Genauen warum so schlimm waren. Der Mitgliederrat beließ es derweil bei einer Lobeshymne für den scheidenden Chef und Kritik an „sogenannten Fachmagazinen“ – ohne zu erwähnen, warum sich das Gremium letztlich dem eigenen Vorsitzenden doch die Gefolgschaft verweigert hat.
Was im Übrigen rund um den @fckoeln nicht für Rücktrittsforderungen reichte:
❌ Durchstecken von vereinsschädigenden Interna
❌ Weiterleiten von WhatsApp-Nachrichten
❌ Wegputschen des Präsidenten
❌ Verweigerung von Dienstanweisungen— #Nazisraus | Thomas RausK (@koelnsued) September 17, 2020
Da macht es das Grummeln im Bauch nur unwesentlich größer, dass sich mit Volker Struth einer der mächtigsten Strippenzieher im deutschen Fußball in die vereinsinternen Querelen einmischt. Der Spielerberater, der unter anderem alle drei extrem qualifizierten Torhüter im Kader des 1. FC Köln vertritt, kritisierte aus der kalten Hose die Gremienstruktur der „Geißböcke“. Was dort passiere, hätte in seinen Augen nichts mit professionellem und zeitgerechtem Fußball-Business zu tun. Natürlich nicht die Geschäftsführung sei daran Schuld (wie so oft), sondern natürlich die dunklen Mächte im Hintergrund. Das müsse aufhören, so Struth, sonst begrüße der FC in zehn Jahren die Sportvereinigung Porz zum Meisterschaftsspiel in der Landesliga. Schenkelklopfer beiseite: Wer wissen will, wie professionelles und zeitgerechtes Fußball-Business für den qualifizierten Herrn Struth aussieht, kann gerne zum Hamburger SV schauen. Klaus-Michael Kühne konnte sich stets auf den Rat des umtriebigen Spielerberaters (und dessen Sidekick Reiner Calmund) verlassen. Wo es hingeführt hat, konnte ja jeder in den letzten Jahren bewundern.
Bitte nicht wieder die alte Platte vorm und im Derby
Apropos HSV: Der in Köln offensichtlich nicht mehr gebrauchte Simon Terodde sicherte sich durch einen fulminanten Saisonstart den ersehnten Zweitliga-Rekord. Dank seiner vier Treffer in den ersten beiden Partien für seinen neuen Club ist „T-Rod“ jetzt der erfolgreichste Torjäger in der eingleisigen 2. Bundesliga. Schade, dass es eine Liga höher beim FC nicht funktioniert hat – vielleicht ist der Angreifer einfach ein Spielertyp, der in einer dominanten Mannschaft mit vielen Strafraumszenen funktioniert. Gänzlich abgesehen davon: Simon Terodde ist einer der geradesten Charaktere, die ich in diesem Business gesehen habe. Kein Sprücheklopfer, sondern ein Macher. Ein stabiler Typ, den jede Mannschaft gut gebrauchen kann. Herzlichen Glückwünsch zur Bestmarke, Simon!
Gratulieren würde ich auch gern dem 1. FC Köln am anstehenden Wochenende. Zu einem ordentlichen Auftritt im Derby. Meinetwegen auch zu einer scheiß Leistung, die aber zu drei Punkten reichte. Schön wäre es, wenn bis dahin nicht über die Medien wieder große Töne gespuckt werden würden. Dass man es verstanden hätte, worum es geht. Dass man wisse, wie wichtig das Spiel den eigenen Anhängern sei. Dass man für Stadt, Verein und Fans alles geben würde. Oft genug aufgelegt worden, diese Platte. Es gibt aber keine Punkte für die pathetischste Ansprache vor einem Derby. Das wird auf dem Rasen ausgetragen. Und da gilt es, endlich Taten folgen zu lassen. Vielleicht wird dann auch meine Laune wieder besser, wenn ich sehe, dass zumindest die Leidenschaft zu sehen ist, ein solches Derby für sich entscheiden zu wollen. Leblose Auftritte gegen Borussia Mönchengladbach habe ich jedenfalls genug gesehen.
Das Alibi namens fehlende Unterstützung von den Rängen
Vielleicht dürfen am Samstag dann auch wieder Zuschauer auf den Tribünen sein. Nach der kurzfristigen Absage an dieses Vorhaben zum Saisonauftakt gegen Hoffenheim hofft der FC auf fast 10.000 eigene Fans im Müngersdorfer Stadion. Solange es dann disziplinierter aussieht als vergangene Woche beim UEFA-Supercup in Budapest oder zum Bundesliga-Auftakt in München, als von Abstand und Anstand wenig zu sehen war. Auch wenn das für Bayern-Chef „ein wichtiger Schritt zurück zur Fußballkultur, zu Emotionen und Atmosphäre im Stadion“ war. Beim FC wird es derweil auch dann wenig von Derby-Atmosphäre haben, wenn denn diese komische Inzidenzzahl nicht wieder die Pläne durchkreuzt. Langsam wäre es allein deshalb gut, um der ewigen Jammerei der Verantwortlichen aufgrund des Fehlens von Unterstützung den Garaus zu machen. Wobei: Vielleicht war dann der Druck, die Erwartungshaltung und die ungewohnte Situation an der Niederlage Schuld.
Euer Jeff Jas
In unregelmäßigen Abständen schreibt Jeff Jas an dieser Stelle über die groben Fouls und versteckten Nickligkeiten im Fußball, die Diskussionen auf dem Platz, an der Seitenlinie, in der Kabine, auf der Tribüne und an der Theke. Er fühlt sich überall zuhause, wo der Ball rollt: Vom Aschenplatz auf der Schäl Sick über das Müngersdorfer Stadion im Kölner Westen bis zu den Hochglanzarenen dieser Welt.