Italia Novanta, … was für ein Sommer im Jahre 1990. Die DFB-Elf wurde durch Andy Brehmes Elfmeter in Rom Weltmeister. Ganz Deutschland feierte auf den Straßen, der „ruhende Verkehr“ – jene Aktionsplastik auf dem Kölner Hohenzollernring, die im Kölner Volksmund auch „dat Steinauto auf´m Ring“ genannt wird – wurde zum Party-Hotspot und gleich drei Spieler des 1. FC Köln standen im siegreichen Finale in der ewigen Stadt. Das alles ist jetzt genau 30 Jahre her. Streng genommen war es aber der letzte ganz große Erfolg mit FC-Beteiligung und die Wandlung vom anspruchsvollen Erstligisten hin zum Fahrstuhl-Verein mit folkloristischer “Spürbar anders”-Attitüde begann. Aber eines nach dem anderen.
Der 1. FC Köln hatte in der Saison 1989/90 die Bundesliga-Saison unter Cheftrainer Christoph Daum auf Platz zwei beendet. Ein durchaus zufriedenstellendes Ergebnis, allerdings konnten die “Geißböcke” den überlegenen Bayern anders als im Vorjahr – es sei an den Sportstudio-Zoff zwischen Daum, Jupp Heynckes und Uli Hoeneß erinnert – nicht wirklich ernsthaft Paroli bieten, so dass das Ergebnis zwar zufrieden, aber nicht euphorisch machte. Wie gesagt: Zu dieser Zeit hatte der FC noch berechtigte und hohe sportliche Ambitionen.
Auch im UEFA-Cup blieb der ganz große Coup aus, dabei hatten die Geißböcke nach Plastika Nitra und Spartak Moskau auch die Star-Truppe von Roter Stern mit Spielerlegenden wie unter anderem Robert Prosinecki, Dejan Savicevic und Darko Pancev in einem unvergessenen Rückspiel in Köln ausgeschaltet. Einige dieser Spieler, die 1991 mit Belgrad den Europapokal der Landesmeister und den Weltpokal holten, sahen die FC-Spieler bei der WM 1990 in der Partie gegen Jugoslawien dann wieder.
Vizemeister & Europapokal-Halbfinale – die Bilanz vor der WM
Im Viertelfinale wurde schließlich auch Royal Antwerpen ausgeschaltet, ehe das Team von Christoph Daum im Halbfinale auf Juventus Turin traf. Nach einer knappen 2:3-Hinspielniederlage in Norditalien kam nach einem torlosen Remis in Köln dann das Aus. Wieder kein Titel für den FC. Aber ein indirektes Eisen hatte man noch im Feuer, denn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft wurde zu dieser Zeit mit vielen FC-Spielern ausgestattet. Gleich vier Spieler tauschten nun den Geißbock mit dem Adler auf der Brust und schafften die Mitfahrt über den Brenner ins schöne Italien.
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Wie immer gehörte Deutschland im Vorfeld zu den Mitfavoriten, wenn auch sicher nicht an erster Stelle genannt. Da wurden Gastgeber Italien sowie Brasilien öfter aufgelistet. Das alles konnte den FC-Recken Thomas Häßler, Pierre Littbarski, Bodo Illgner und Paul Steiner erst einmal egal sein. Sie trafen auf übrigens auf alte Bekannte, denn mit Jürgen Kohler und Uwe Bein waren zwei weitere Protagonisten mit an Bord, deren Engagement in Köln noch nicht weit zurück lag.
Beim ersten Spiel gegen die zu Recht als Geheimtipp genannten Jugoslawen brannte im kölschen Sehnsuchtsort Mailand dann der Rasen. Es ging traumhaft los, mit 4:1 wurde die Klassetruppe vom Balkan, denen es einmal mehr schwer fiel, ihre überragende Klasse im Nationalteam umzusetzen, vom Platz gefegt. Torwart Illgner, die erklärte Nummer 1 im deutschen Tor, sowie Thomas Häßler standen in der Startelf und verdienten sich bei ihren Einsätzen gute Noten. „Litti“ wurde in der Schlussviertelstunde für Uwe Bein eingewechselt und hatte direkt eine Torchance zum 5:1.
Traumstart im kölschen Sehnsuchtsort Mailand
Der Start war also geglückt und dies in beeindruckender Art und Weise. Zwar waren in der öffentlichen Betrachtung insbesondere die Italien-Legionäre Matthäus, Klinsmann, Brehme und Völler im Fokus, aber auch die FC-Spieler brachten sich positiv ein. Dies setzte sich fort, die Vorrunde schloss die DFB-Auswhal nach dem Pflichtsieg über die Vereinigten Arabischen Emirate und dem Unentschieden gegen Kolumbien als Erster ab. Gegen die Südamerikaner um Carlos Valderrama war es schließlich Pierre Littbarski vergönnt, dem langmähnigen Dribbel- und Ausflugstorwart Rene Higuita einen Ball ins Netz zu schweißen. Litti genoss den Treffer sichtlich, denn „der Junge hat mich schon ziemlich genervt“, gab er anschließend zu Protokoll.
Für die wirklich guten Leistungen wurde die DFB-Auswahl aber diesmal nicht belohnt, denn der Gegner war im Achtelfinale überraschenderweise die Niederlande. Der Europameister von 1988 hatte seine überragende Form vom letzten Turnier noch nicht gefunden und sich in der Vorrunde mit viel Glück nur als Dritter so gerade noch für die K.o.-Runde qualifiziert. Dennoch waren die Niederländer natürlich kein Außenseiter, denn gerade das bevorstehende Duell gegen den unbeliebten Rivalen schweißte die oftmals zerstrittenen Oranje-Kicker wieder zusammen. An ihren durchaus provokanten Aussagen im Vorfeld konnten alle Interessierten bereits die aufgeladene Atmosphäre erahnen. Im Spiel selbst sollte es dann tatsächlich eskalieren.
Das elektrisierende Achtelfinale: Deutschlands gegen Holland
Es sollte eines der außergewöhnlichsten Spiele der Nationalmannschaft überhaupt werden, selbst über das TV-Gerät war die aufgepeitschte Atmosphäre zu spüren. Ein „Großer“ geht heute raus, hieß es von den Kommentatorenplätzen und im Mailänder Stadtteil San Siro flirrte die Luft vor Anspannung. Als die Nationalhymnen ertönten und die orangefarbene Übermacht im Giuseppe-Meazza-Stadion im Publikum die deutschen Töne mit einem Gegenlied niedersang oder ganz einfach gellend laut auspfiff, war echtes und aufgepeitschtes Derby-Feeling angesagt.
Zum Spiel selbst, dessen Ausgang jeder halbwegs Interessierte ja kennt, wurde schon vieles gesagt. Es reduziert sich jedoch zumeist auf das „Drama Lama“, den Zwist zwischen einem völlig aufgespulten Frank Rijkaard und Rudi Völler. Beide erhielten die rote Karte, welche nach der unsäglichen Spuck-Attacke letztlich nur dem Niederländer wirklich zustand. Weiterhin wird immer wieder auf den überragend agierenden Jürgen Klinsmann verwiesen, der als alleinige Sturmspitze beim 2:1-Sieg seine wohl beste Länderspielleistung ablieferte.
Aber auch die restliche Mannschaft zeigte insgesamt ein Top-Spiel. Pierre Littbarski spielte zum ersten Mal bei dieser WM in der Startelf und zeigte eine gute Partie mit vielen Vorbereitungen zu Torchancen und eigenen Abschlüssen. Einmal scheiterte er in der zweiten Halbzeit nach langem Spurt über das halbe Feld nur sehr knapp an Torwart Hans van Breukelen. Ihm wäre gerade in diesem Spiel ein Tor zu gönnen gewesen.
Littbarskis Chancen und ein solider Bodo Illgner
Bodo Illgner wurde trotz einiger Chancen der Holländer nie ernsthaft geprüft. In der 70. Minute glänzte er aber bei einer Großchance von Marco van Basten. In der hektischen Schlussphase brachte er ein- zweimal den Ball nicht zum Mitspieler. Insgesamt aber ein wieder solides Spiel des FC-Schlussmanns, dem aber DIE Torwartszene mangels ernsthafter Prüfungen noch fehlte. Doch sein ganz spezieller Moment dieser Weltmeisterschaft sollte noch kommen.
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