In der 39. Spielminute kam es zu der Szene, die vielen Zuschauern neben dem hervorragenden Spiel der Geißbock-Elf noch lange im Gedächtnis bleiben wird: Rafael Czichos und der Herthaner Marko Grujic prallten unweit des Kölner Strafraums zusammen, der Ex-Kieler blieb benommen liegen, hektisch wurden Betreuer und Sanitäter herbeigerufen. Seinen Mitspielern war das Entsetzen in die Gesichter geschrieben, Kingsley Ehizibue wich ihm nicht von der Seite und schien leise für ihn zu beten. Czichos wurde wenig später eine Halskrause angelegt, auf einer Trage musste er aus dem Stadion getragen werden.
Dies war der traurige Schlusspunkt einer ersten Halbzeit, die fußballerisch für den 1. FC Köln nicht besser hätte laufen können. Schon nach vier Spielminuten leitete der für den kurzfristig ausgefallenen Kapitän Jonas Hector ins Spiel gekommene Elvis Rexhbecaj einen Kölner Konter geschickt ein, Florian Kainz steckte zu Jhon Cordoba durch, dessen Schuss von einem Herthaner noch so abgefälscht wurde, dass Rune Jarstein im Berliner Tor keine Abwehrchance hatte.
Über Konter zum Erfolg
18 Minuten später war es ein über die linke Angriffsseite vorgetragener Konter, den Ismail Jakobs mit einer präzisen Flanke auf Jhon Cordoba abschloss – 0:2. In der 38. Spielminute nahm Jhon Cordoba einen langen Ball im Berliner Strafraum auf, passte ihn auf Florian Kainz, dessen Schuss Jarstein unglücklich ins eigene Tor ablenkte. Der Abseitspfiff von Schiedsrichter Daniel Schlager bremste die Kölner Freude nur kurz, der Videoassistent schaltete sich ein, Schlager revidierte seine Entscheidung – 0:3.
In der Halbzeitpause schien Hertha-Coach Alexander Nouri deutliche Worte gewählt zu haben, denn die Berliner verstärkten ihre Angriffsbemühungen spürbar und kamen auch zu einigen Chancen, die aber vom diesmaligen Kapitän Timo Horn allesamt entschärft wurden.
Einen wiederum von Rexhbecaj eingeleiteten Konter nutzte Florian Kainz mit einem trockenen Flachschuss zum 0:4, bevor Mark Uth in der 70. Spielminute mit einem perfekt in den rechten Winkel passenden Freistoß das 0:5 erzielte. Elvis Rexhbecaj hätte 13 Minuten vor Schluss fast noch den sechsten Treffer für den 1.FC Köln erzielt und damit den höchsten Auswärtssieg der Geißböcke im Olympiastadion egalisiert.
Den erzielten die Mannen um Hannes Löhr und Wolfgang Overath am 30.Oktober 1965 jedoch nicht gegen die Hertha, sondern gegen Tasmania 1900 in der einzigen Bundesligasaison dieses Berliner Vereins. Neben Stars wie Karl-Heinz Thielen, Hannes Löhr und Wolfgang Overath trug sich damals beim 6:0-Sieg auch ein gewisser Franz-Peter Neumann mit einem Doppelpack in die Liste der Torschützen ein.
Stolz auf den Sieg, aber Sorge um Czichos
Aber auch ohne den sechsten Treffer konnte man einen herausragenden Sieg und eine tadellose Leistung des 1. FC Köln konstatieren. So war dann auch Manager Horst Held hochzufrieden: „Auswärts in der Höhe zu gewinnen ist sensationell, die Mannschaft hat das aber auch verdient, weil sie das mit einer souveränen Leistung erspielt hat. Heute wollten wir ein Zeichen setzen. Jeder, der gespielt hat, hat eine Topleistung gebracht.”
„Ich habe ihnen gesagt, dass wir für unsere Stadt spielen und für die Menschen, die dort leben.”
Auch Markus Gisdol sah das so, auch wenn seine Sorge um Rafael Czichos deutlich erkennbar war: „Wir haben der Mannschaft vor dem Spiel einige taktische Dinge mitgegeben, aber wir wollten sie emotional mitnehmen. Ich habe ihnen gesagt, dass wir für unsere Stadt spielen und für die Menschen, die dort leben. Wir wollten eine gute Leistung nach Hause senden. Die gesamte Mannschaft hat heute gut funktioniert. Von Rafa weiß ich noch nichts Genaues, ich hoffe, dass es nachher eine sehr positive Nachricht von ihm gibt.”
Seine Hoffnung erfüllte sich nicht. Wie der 1.FC Köln inzwischen bekanntgab, zog sich der Abwehrspieler eine nicht näher benannte Verletzung an der Halswirbelsäule zu. Man kann Rafael Czichos nur eine gute und schnelle Gesundung wünschen.
5:0-Sieger trifft auf 0:5-Verlierer
Im nächsten Spiel zu Hause gegen Schalke 04 wird Markus Gisdol nicht nur durch die Verletzung seines Abwehrchefs erneut zu Personalwechseln gezwungen sein. Mark Uth darf wegen der vertraglichen Vereinbarung mit den Königsblauen nicht gegen seinen alten Club auflaufen, Noah Katterbach fällt weiterhin aus, hinter den Einsatz von Jonas Hector muss man ein Fragezeichen setzen.
Das Spiel in Berlin zeigte aber, dass vernünftige Alternativen bereitstehen. Benno Schmitz lieferte eine ordentliche Partie auf der linken defensiven Außenbahn ab, Toni Leistner räumte humorlos alles weg, was von der Hertha in den Kölner Strafraum kam, am meisten Freude machte jedoch Elvis Rexhbecaj. Mit einem guten Auge für die Mitspieler, leichtfüßig und technisch gekonnt stellte er Qualitäten unter Beweis, die im Kader der Kölner nicht gerade im Übermaß vorhanden sind.
So kommt es dann nächsten Samstag im Abendspiel zu der Begegnung eines Teams, das die vorige Partie 5:0 gewonnen hat mit einer Mannschaft, die im letzten Heimspiel als 0:5-Verlierer vom Platz gegangen ist. Einen Prognosewert besitzt diese Zahlenspielerei nicht. Gegen Schalke will jeder Punkt hart erkämpft werden. Setzen Gisdols Spieler die taktischen Vorgaben ihres Trainers mit der gleichen Konsequenz, Leidenschaft und Laufbereitschaft wie bei der Hertha um, braucht den FC-Fans jedoch nicht angst und bange zu werden.