Der Volksmund sagt gerne, Derbys haben ihre eigenen Gesetze und das weder vorherige Ergebnisse noch individuelle Stärke am Ende den Ausschlag geben. Entscheidend sei einzig der Wille, das Spiel zu gewinnen und den Gegner wortwörtlich niederzuringen. Das rheinische Derby gegen die Borussia aus Mönchengladbach zeigt, dass selbst der Volksmund manchmal unrecht hat. Der 1. FC Köln verliert das Derby hoch verdient durch einen Treffer von Alassane Plea (14.) mit 0:1.
Mangelnde Einstellung konnte man dem Team dabei jedoch höchstens und teilweise in der ersten Halbzeit vorwerfen, vor allem fehlte es da an Mut und Emotionalität. Vielmehr war der sich während der 90 Minuten zeigende entscheidende Unterschied, dass die Gäste individuell schlichtweg besser besetzt sind als der Aufsteiger. Das man mit Marco Rose zudem im Sommer einen taktisch erstklassigen Trainer verpflichtete, tat während des Spiels sein Übriges. Und die für sie richtige Einstellung zum Derby impft man Gladbacher Spielern offensichtlich eh traditionell bei Vertragsunterschrift ein.
In der ersten Halbzeit zu nervös und passiv
Achim Beierlorzer wechselte im Vergleich zum Sieg in Freiburg einmal: Für Kingsley Schindler rückte Jhon Cordoba in die Mannschaft und bildete mit Anthony Modeste wieder das Sturmduo, welches mit Wucht anlaufen und für Torgefahr sorgen sollte. Ein Plan, der vor allem in der ersten Hälfte überhaupt nicht aufging. Zu Spielbeginn war wenig mit gegenseitigem Abtasten, beide Teams waren gewillt ihren auf (Gegen-)pressing ausgelegten Spielstil von Anfang an durchzusetzen. Die Anfangsphase war folgerichtig intensiv und noch halbwegs offen geführt, Modeste hatte nach vier Minuten eine erste Chance.
Nach rund zehn Minuten jedoch übernahm die Borussia die Kontrolle. Das Mittelfeldpressing der Gladbacher funktionierte fortan, der FC überbrückte das Spiel mit langen Bällen aus der Abwehr in Richtung des Sturmduos Modeste und Cordoba, worauf Gästetrainer Marco Rose seine Mannschaft jedoch eingestellt hatte. Vor allem Sebastiaan Bornauw versuchte es immer wieder, die Statistik zählt am Ende 13 lange Bälle von ihm. Der effzeh hatte in der ersten Hälfte zwar durch Cordoba (17.) und Ellyes Skhiri (21.) Möglichkeiten, die Schüsse waren jedoch keine Bedrohung für Gäste-Torhüter Yann Sommer.
Der FC ohne Zugriff auf das Spiel
Und so lief spätestens beginnend mit dem Lattentreffer von Denis Zakaria nach elf Minuten ein Film ab, den man in Köln wirklich schon zu häufig gesehen hat: Gladbach bestimmte den Takt und der FC fand wenig Zugriff zum Spiel, verlor den Faden, wurde fahrig, nervös und leistete sich einfache Fehler im Aufbau, während die Gäste mit jeder Minute Selbstvertrauen tankten und entsprechend auftraten. Zu oft verliert der FC das emotional so wichtige Derby, zu häufig sieht man als Fan dem Treiben auf dem Rasen ohnmächtig zu, wehrt sich mit jeder Faser seines Körpers und weiß innerlich doch, dass die Gladbacher schlichtweg den besseren Fussball spielen. Es war am Ende keine dieser demütigenden Niederlagen, die einen tagelang beschäftigen. Allerdings lag dies auch weniger an den “Geißböcken”, sondern vielmehr an der mangelhaften Chancenverwertung der Gäste.
„Wir haben in der ersten Hälfte ein wenig nervös gewirkt, sind nicht in unsere Abläufe reingekommen“
Das entscheidende Tor fiel nach 14 Minuten und stammt eher aus der Kategorie unglücklich und vermeidbar: Cordoba verlor einen Zweikampf nach einem langem Abstoß von Timo Horn, Birger Verstraete schob zum ballführenden Spieler an der Mittellinie, kam jedoch zu spät und gab so den zentralen Raum vor dem Tor auf, den auch der zurückeilende Skhiri nicht mehr schließen konnte. Breel Embolo lief mit Ball auf die Abwehrkette zu, an den Steckpass konnte Kingsley Ehizibue zwar einen Fuß bringen, die Rettungsaktion geriet jedoch zur unfreiwilligen Vorlage für Alassane Plea, der aus elf Metern wenig Mühe hatte, den Ball an Horn vorbei ins Tor zu legen und anschließend provokant vor der Südkurve jubelte.
Die Gladbacher blieben die verbliebende Spielzeit vor dem Strafraum zu inkonsequent und verspielt, um noch ein zweites Tor zu schießen und mussten sich ärgern, das Spiel nicht bereits in der ersten Halbzeit entschieden zu haben, zu deutlich war die Überlegenheit. Dies erkannte auch Gladbachs Trainer Rose, der auf der Pressekonferenz nach dem Spiel sagte, seine Mannschaft habe in der ersten Halbzeit sehr gut mit und ohne Ball gespielt.
Verbesserte Leistung in den zweiten 45 Minuten
Nach einer vermutlich etwas ungemütlicheren Halbzeit in der Kölner Kabine fanden die „Geißböcke“ nach rund 55 Minuten doch noch den Schlüssel zum Gladbacher Strafraum und fingen an, sich gefährlichere Abschlusschancen zu erarbeiten. Doch mal fehlte dem Kopfball die nötige Wucht, mal war ein Bein eines Abwehrspielers dazwischen, mal verdaddelte man den Ball vor oder mit dem letzten Pass, und mal parierte Sommer gut. Es war ein wenig zum Haare raufen, am Ende stehen in der zweiten Halbzeit fünf Kölner Schüsse aufs Tor. Wer davon keine macht, verliert ein Fußballspiel nicht zu unrecht.
Dass die zweite Hälfte aus Kölner Sicht besser war als die erste, muss jedoch in Kontext zur Leistung der Gästen von der holländischen Grenze gesetzt werden: Die “Fohlenelf” zog sich zeitlich extrem frühzeitig zurück und schalteten in den Verwaltungsmodus. Und hatten dennoch hochkarätige Chancen, die größte wurde von Ehizibue beispielsweise erst auf der Linie geklärt. Nach 74 Minuten wechselte Beierlorzer mit Marcel Risse und Simon Terodde für die kämpfenden, aber unglücklich agierenden Louis Schaub und Anthony Modeste zwei ehemalige Derbyhelden ein. Während Terodde durchaus für Alarm im Strafraum sorgen konnte und seine Einwechselung rechtfertigte, blieb Risse einmal mehr vieles von dem schuldig, was ihn einst ausmachte. 2/8 angekommenen Pässen, 0/3 erfolgreichen Flanken und kein Dribbling sind für einen Flügelspieler viel zu wenig, wenn er bei Rückstand eingewechselt wird.
„Aufrichten, weiter geht’s“
Und so steht am Ende die zweite Heimniederlage im zweiten Heimspiel der noch jungen Saison. Dominick Drexler fand nach dem Spiel vergleichsweise deutliche und reflektierende Worte, verlangte vor allem mehr Emotionalität und sieht das Team bei den Heimfans in der Bringschuld. „Wir zahlen Lehrgeld, das müssen wir ganz schnell abstellen“, fasste er die ersten vier Spieltage der Saison ganz treffend zusammen. Trainer Beierlorzer ergänzte und blickte gleichzeitig nach vorne: „Aufrichten, weiter geht’s.“ Dem kann man sich nur anschließen. Zieht man die richtigen Lehren aus dem Spiel, besteht bereits im nächsten Spiel in München die Chance, “big points” genau da zu machen, wo sie keiner erwartet.
Misslingt dies, wird es ab dem 6.Spieltag ein heißer Herbst: Das schwere Auftaktprogramm ist dann absolviert und damit können etwaige Ausreden ad acta gelegt werden, es folgen ab dem 29.9. Spiele gegen Hertha (H), Schalke (A), Paderborn (H) und Mainz (A), bevor man am 29. Oktober im Pokal bei Saarbrücken antritt. Ein entscheidender und für die Saison des 1.FC Köln garantiert mitdefinierender Monat.