Als Reinhard Grindel Anfang der Woche zurücktrat, war das keine Überraschung mehr. Schon länger stand Grindel in der Kritik, beispielsweise für seinen Umgang mit der Affäre um die Erdogan-Fotos von Mesut Özil und Ilkay Gündogan. Auch der desolate Auftritt der deutschen Mannschaft bei der WM in Russland hat Forderungen nach einem personellen Umbruch an der Spitze des DFB aufkommen lassen – die Umsetzung war jedoch schwierig. Noch vor Beginn des Turniers war Löws Vertrag ohne Not bis 2024 verlängert worden, was einen wirklichen Neubeginn verhinderte.
Dann kam das Interview mit der “Deutschen Welle”, das Grindel nach kritischen Fragen des Reporters Florian Bauer abrupt abbrach – nicht das erste Mal, dass sich der ehemalige DFB-Präsident so verhielt. Das Journalist Magazin berichtete kürzlich, dass Grindel schon einmal ein Interview mit der “Deutschen Welle” abgebrochen hatte. Im Gegensatz zu dem damaligen Vorfall entschied sich der Sender nun, das Interview zu veröffentlichen. Natürlich ließ die Kritik an Grindel nicht lange auf sich warten. Offenbar war das Interview auch beim DFB nicht gut angekommen. Und nun stolpert der 57-Jährige über eine Uhr im Wert von 6.000 Euro, die ihm der ukrainische Oligarch Grigori Surkis geschenkt hatte und über Nebeneinkünfte, die Grindel angeblich nicht offengelegt hatte.
Grindel ist nicht allein für den Kurs des DFB verantwortlich
Die Umstände seines Rücktritts haben ein Geschmäckle. Dass in so kurzen Zeitabständen erst die Nebeneinkünfte Grindels und dann die Sache mit der Uhr publik werden, kann kaum Zufall sein. Vielmehr dürften diese Geschichten von Grindels Gegnern im Verband lanciert worden sein, um auf seinen Rücktritt hinzuwirken. Sollte es so gewesen sein, wirft das kein gutes Licht auf den DFB. Ähnlich wie bei der jüngsten Entwicklungen beim 1. FC Köln, in deren Folge Werner Spinner zurücktrat, kann berechtigte Kritik kein Grund sein, jemandem einen derart unwürdigen Abschied zu bescheren.
Das Einzige, was von Grindels Präsidentschaft positiv in Erinnerung bleibt, ist der Zuschlag für die Austragung der Europameisterschaft 2024. Dennoch sollte man sich keine Illusionen machen, dass nun ein Erneuerungsprozess beim DFB einsetzt. Denn Grindel ist nicht allein für den Kurs des DFB verantwortlich, zumal der ehemalige CDU-Politiker bereits mit dem Versprechen angetreten war, den DFB zu erneuern.
Suche nach einem Nachfolger wird schwierig
Auch die verbliebenen Personen im DFB-Präsidium sind nicht als Reformer bekannt. Der Vize-Präsident Dr. Rainer Koch gilt als Hardliner bei Fanthemen. Zudem sitzt Grindel nach wie vor in Gremien der FIFA und der UEFA, was die Sportausschussvorsitzende im Bundestag, Dagmar Freitag, kritisierte.
Die Suche nach seinem Nachfolger wird sich jedenfalls noch eine Weile hinziehen. Der ehemalige Nationalelf-Kapitän Philipp Lahm hat bereits verlauten lassen, er habe “überhaupt keine Ambitionen, DFB-Präsident zu werden”. Auch Thomas Hitzlsperger, der erst seit Februar seine Tätigkeit als Sportvorstand des VfB Stuttgart ausübt, hat bereits abgesagt. Christoph Metzelder ist angeblich auch auf Schalke im Gespräch. Die Beförderung von Oliver Bierhoff wäre angesichts seiner Mitverantwortung an der katastrophalen Außendarstellung der Nationalmannschaft ein völlig falsches Zeichen. Andreas Rettig dürfte sich mit seinem Engagement für den Erhalt der 50+1-Regel zwar bei vielen Fans, nicht aber bei der DFB-Führung beliebt gemacht haben. Grindels Vorgänger Wolfgang Niersbach würde nicht gerade für einen Neuanfang stehen. Reinhard Rauball hat mit 70 Jahren die Altersgrenze bereits überschritten. Rainer Koch könnte zwar zu den Kandidaten zählen, doch einer aus dem engsten Führungszirkel des DFB soll es nicht werden.
Wer es auch wird, er wird es nicht leicht haben. Der Konflikt mit den aktiven Fanszenen ist nur eine von mehreren Baustellen. Auch die Regionalliga muss dringend reformiert werden, wenn verhindert werden soll, dass weitere Traditionsvereine insolvent gehen. Allgemein ist zu beobachten, dass die Schere zwischen armen und reichen Klubs immer weiter auseinander geht und dadurch auch das Leistungsgefälle immer größer wird.
Strukturelle Probleme innerhalb des Verbands auflösen
Außerdem braucht der deutsche Fußball jemanden, der seine Interessen nach außen vertritt, zum Beispiel wenn es um die mögliche Einführung einer Klub-WM und den damit verbundenen Rechteverkauf an arabische Investoren geht. Das kann Grindel nicht mehr leisten, jetzt, da er kein Amt beim DFB mehr innehat. Es steht sogar zu befürchten, dass FIFA-Präsident Gianni Infantino versuchen wird, das Machtvakuum beim DFB zu nutzen. Grindel galt als Kritiker von Infantino, er hat er dem Schweizer – ausgerechnet, muss man rückblickend sagen – mangelnde Integrität vorgeworfen.
Es steht für den DFB also weit mehr als nur die Frage nach dem Nachfolger auf dem Programm. Vielmehr müssen die strukturellen Probleme innerhalb des Verbandes gelöst werden. Die Macht der Landesverbände, die Grindel einst zur Präsidentschaft verholfen haben, ist ungebrochen. Bevor im September ein neuer Präsident gewählt wird, müssen aber auch die verkrusteten Strukturen hinterfragt werden, die zu dieser Situation geführt haben. Glaubt man den Aussagen des DFB-Vize Rainer Koch, steht das auch ganz oben auf der Agenda. Jedoch ist Glaubwürdigkeit eines der größten Probleme des DFB.