Heute vor 70 Jahren wurde Heinz Flohe geboren. Der viel zu früh verstorbene Double-Kapitän des 1. FC Köln zählt völlig zurecht zu den absoluten Vereinslegenden. Eine Laudatio zum 70. Geburtstag!
Es gibt wohl keinen größeren Heinz-Flohe-Kenner als den Kölner Journalisten, Verlagsleiter und Filmemacher Frank Steffan. Im Jahr 2014 produzierte er den beeindruckenden und später preisgekrönten Dokumentarfilm „Heinz Flohe – Der mit dem Ball tanzte“. In der Folge erschien sein gleichnamiges Buch zur Thematik, welches inhaltlich noch mehr in die Tiefe ging. Sein damaliger Begleittext für dieses Buch bildet die Basis für eine Laudatio zum 70. Geburtstag des Double-Kapitäns des 1. FC Köln.
Von Frank Steffan, aktualisiert von Ralf Friedrichs
Als elfjähriger Jugendlicher habe ich Heinz Flohe das erste Mal bewusst wahrgenommen. Natürlich bei einem Heimspiel des 1. FC Köln, wobei ich allerdings nicht mehr weiß, welches es gewesen ist. Aber ab dem Zeitpunkt, als es in der Müngersdorfer Radrennbahn losging, kann ich mich an wahnsinnig viele Spiele konkret erinnern. Von 1971 bis 1975 war ich bei fast jedem Heimspiel, zumeist in der Südkurve. Man hat am Zaun gehangen und wie gebannt aufs knallgrüne Spielfeld geblickt. Wolfgang Overath faszinierte mich. Er war eine echte Erscheinung, ein Weltstar und das kam so rüber. Overath war auch jenseits von Köln als internationale Größe akzeptiert, wurde wahrgenommen, allerdings schlugen ihm nicht die Sympathien der bundesweiten Medien und Fußballfans entgegen. Sehr zu unrecht, wie ich fand. Aber da war noch einer: HEINZ FLOHE. Der packte mich umso mehr.
Ich war immer möglichst früh im Stadion, um auch das Aufwärmen zu sehen. Was da von Flohe geboten wurde, war alleine das Eintrittsgeld dreimal wert. Flohe war ein Ausbund an Lässigkeit, aber nicht aufgesetzt, nein, völlig natürlich. Er bewegte sich so unglaublich geschmeidig, so souverän, so stimmig, dass es sich mir ins Gedächtnis gegraben hat. Er tänzelte mit dem Ball an der Seitenlinie entlang, zog dort seine Bahnen und wenn sich ihm einer seiner Mitspieler eher spaßeshalber in den Weg stellte, dann packte er wie selbstverständlich einen Trick aus seiner so reichlich gefüllten Kiste aus, dass einem nur der Unterkiefer runterfallen konnte. Ich habe bei diesen Aufwärmeinheiten so viele Dribblings von ihm gesehen, wie ich sie in dieser Form nie wieder bei irgendeinem Weltklassespieler gesehen habe.
Geniestreiche in der Radrennbahn
Wahrscheinlich sind diese Radrennbahn-Warm-Ups nie gefilmt worden, was verdammt schade ist, denn dass, was er da und auch im normalen Mannschaftstraining zeigte, war noch weit mehr als die Kunststücke, die er in gut 300 Bundesliga-Spielen bot. Die Dribblings waren das eine, seine Schusstechnik das andere. Meistens wurde der Torwart vom damaligen Torwarttrainer der Kölner, Rolf Herings, warm geschossen. Herings hatte einen Bombenschuss, aus dem Stand heraus, unglaublich hart und präzise. Aber richtig irre wurde es, wenn Flohe dazu kam. Egal, was er machte, ob er scharf schoss oder mit Effet, nah oder fern, ganz egal, der Torwart sah nicht selten hilflos aus. Wenn er dann von weit weg Vorlagen gab, dann kamen sie so millimetergenau an, dass es an Zauberei grenzte. Ich kann mich dran erinnern, dass der damalige Kölner Torwart, Gerhard Welz irgendwann nach sechs oder sieben Flohe-Torschüssen entnervt rief: „Ist jetzt gut, Flocke, hör bitte auf!“
Flohe war anders als alle anderen. Er war Rock´n Roll. Seine Spielweise war nicht angepasst und der Typ erst recht nicht. Fast alle hatten damals lange Haare, aber Flohe hatte anders lange Haare. Wild, ungestüm, explosiv, so sah seine Show meistens aus. Er hatte in jeder Hinsicht einen unverwechselbaren Touch. Flohe war eine echte Stilikone, aber ohne PR-Agentur à la Beckham und deshalb auch nicht bundesweit als solche wahrgenommen worden. Es konnte passieren, dass er nicht gut drauf war, dann trottete er rum, kickte nur lustlos und irgendwie unbeteiligt vor sich hin. Man nahm ihm das nicht übel. Jeder Künstler hat mal einen schlechten Tag. Künstler brauchen Schaffenspausen. Es war offenkundig, dass da ein Künstler am Werk ist, der sein Ding durchzieht.
Der Erfolg des 1. FC Köln ohne Flohe? Undenkbar!
Dass diese Radrennbahn-Jahre etwas Besonderes sein könnten, das konnte man damals schon erahnen. Alles war eine Art permanenter Ausnahmezustand. Das Stadion selbst, die FC-Spieler, das ganze Mannschaftsgefüge, die allgemeine Zeitstimmung der frühen 70er Jahre und Heinz Flohe als die Symbolfigur dieser unglaublichen Epoche, all das zusammen genommen war eine ganz spezielle Mischung. Später, im damals neuen Stadion, wurde es dann normaler, weniger spektakulär, dafür aber erfolgreicher. Der durchschlagende Erfolg des 1. FC Köln in dieser Phase war ohne Flohe genauso undenkbar wie die unorthodoxe Radrennbahn-Zeit.
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Wer Heinz Flohe, vorzugsweise im Kölner Stadion, spielen gesehen hat, war beeindruckt, bis heute, bald 40 Jahre nach seinem letzten Bundesligaspiel. Man war von seiner Eleganz fasziniert, von seiner überschäumenden Kreativität, von seiner Ausstrahlung. Man war sich sicher etwas Besonderes zu sehen, etwas durchaus Unvergleichliches. Natürlich war er ein Liebling der Fans, natürlich war er beliebt, natürlich wurde er auch verehrt, aber immer blieb das Gefühl, dass die ganz große Anerkennung, vor allem bundesweit nicht erfolgte. Diese Diskrepanz zwischen subjektivem Empfinden und allgemeinem Bewusstsein, ist ein wichtiger Teil des Phänomens Heinz Flohe.
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