Der 1. FC Köln bleibt auch in der zweiten Europa-League-Partie ohne Punktgewinn: Das Heimspiel gegen Belgrad gab viele Antworten auf Fragen, die eigentlich niemand stellen wollte.
Als der Kopfball von Dominique Heintz das Belgrader Tor verfehlte, wussten auch die unverbesslichsten Optimisten unter den Fans des 1. FC Köln: Das war es für heute Abend. Wie die Luft aus einem Luftballon, den man loslässt, entwich die Spannung aus dem Müngersdorfer Stadion, sie wich Enttäuschung, sie wich Resignation, sie wich Galgenhumor. Wenigstens 45 Minuten hatten die „Geißböcke“ gezeigt, dass sie gewillt sind, sich mit aller Macht gegen die zweite Niederlage im zweiten Spiel der Europa-League-Gruppenphase zu stemmen.
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Eine Angriffswelle nach der anderen rollte in der zweiten Hälfte Richtung Roter-Stern-Defensive. Dreimal Pfosten traf der effzeh nach dem Seitenwechsel: Erst testete Milos Jojic aus nah und fern das Aluminiumgestänge vor der Südtribüne, danach scheiterte Leonardo Bittencourt am Pfosten. Es war, als wollte das Schicksal sagen: Heute nicht, meine kölschen Freunde! Es war, als wäre all das Glück, das am 20. Mai aus den effzeh-Fans heraussprudelte, einfach verbraucht. Als würde es ein Konto geben, das sich 25 Jahre lang langsam, aber stetig gefüllt hatte, aber dann in all der Europapokal-Euphorie an einem sommerlichen Tag in den Dispo geritten wurde.
No tempo, no party
Von Euphorie war in der ersten Halbzeit nur zu Beginn etwas zu spüren. Es lag Europapokal in der Luft: Die Polizei fuhr einen Großeinsatz, um die, wenn man den Medienberichten Glauben schenken mag, Menschenfresser aus Belgrad von einer gewaltigen Umdekorierung der Domstadt abzuhalten. Auf Kölner Seite stieg von Minute zu Minute die Anspannung, die Vorfreude auf das erste Heimspiel im Europapokal seit 9.143 Tagen war gigantisch. Schon ab 16 Uhr sammelten sich die Menschenmassen rund um das Stadion, um einen Festabend in der Geschichte des 1. FC Köln zu begehen.
Bei der Mannschaft war dies in der ersten Hälfte kaum zu spüren: Mutlos, ja fast ängstlich agierte die Stöger-Elf auf dem Rasen, präsentierte dem eigenen euphorisierten Anhang Schlafwagenfußball der schlimmeren Sorte. Quer statt nach vorne, lasch statt druckvoll. No tempo, no party! Wie es stattdessen geht, zeigten die serbischen Gäste: Aus einer stabilen Defensive heraus rissen sie mit einfachsten Mitteln große Lücken in die Kölner Grundordnung. Dem effzeh fiel dagegen wenig bis gar nichts ein: Viel Ballgeschiebe, kaum Esprit, keine herausgespielte Torchance. Einzig Jojic setzte per Kopf und per Distanzschuss offensive Ausrufezeichen. Pfiffe zur Pause waren die Quittung für einen blutleeren Auftritt.
Stöger und das eiskalte Händchen
Es wurde mehr als deutlich: Die Umstellungen, die Peter Stöger personell wie taktisch vorgenommen hatte, fruchteten nicht. Jorge Meré war ein Unsicherheitsfaktor, die weder spielerisch noch in Sachen Laufwege miteinander harmonierende Doppelspitze bestehend aus Sehrou Guirassy und Jhon Cordoba konnte keinerlei Akzente setzen. Auch die auf Sicherheit bedachte Ausrichtung, mit drei Innenverteidigern ins Rennen zu gehen, ging gegen äußerst defensiv und auf Konter eingestellte Gäste in die Hose. Die Folge: Im Spiel nach vorne wirkten die „Geißböcke“ einmal mehr hilf-, wenn nicht gar planlos, die Abwehrreihe wackelte sich trotz der personellen Überlegenheit in der eigenen Hälfte mehr oder weniger dem Pausenpfiff entgegen.
Dieser desaströse Auftritt in den ersten 45 Minuten gibt allerdings auch die Antwort auf Fragen, die eigentlich niemand stellen wollte. Dass der effzeh aktuell einen Kader besitzt, der sowohl in der Bundesliga als auch in der Europa League für Akzente setzen kann, dürfte wohl niemand mehr behaupten. Dass sich allerdings rein gar keine Alternativen aufdrängen, ist eine erschreckende Erkenntnis, die einem für die nähere Zukunft nichts Gutes erhoffen lässt. Die Investitionen in den Kader sind fürs Erste verpufft, dazu scheint der ganze Kader im Sommer eher Blei statt Kraft getankt zu haben.
Kampf und Pech in Halbzeit zwei
Wie so häufig in der Ära Stöger folgte nach dem Seitenwechsel die Kurskorrektur: Die in der Pause eingewechselten Osako und Bittencourt sorgten neben dem notwendigen Tempo auch für die spielerisch dringend benötigten Impulse. Endlich war das Feuer in der Partie, das der bis in die Haarspitzen motivierte Anhang zuvor schmerzlich vermisst hatte. Gegen konditionell zunehmend abbauende Gäste entwickelte der effzeh nun die Zielstrebigkeit, die ihm in der ersten Halbzeit gefehlt hatte. Mit Mut und Risiko schnürten die Stöger-Schützlinge Roter Stern in deren Hälfte ein. Einzig: Die Präsenz im Strafraum war immer noch zum Fürchten.
Doch immerhin kam der effzeh zu gefährlichen Abschlüssen. Jojic nach feinem Cordoba-Zuspiel: Pfosten. Jojic aus der Distanz mit dem Mute der Verzweiflung: Pfosten. Bittencourt nach flacher Rausch-Hereingabe: Pfosten. Ohne das notwendige Glück im Bunde stemmte sich die Mannschaft gegen die Niederlage, das Stadion trug seinen Teil dazu bei und machte Müngersdorf zum Hexenkessel. Letztlich fehlten gegen Belgrader Gäste, die sich zunehmend auf wenig subtiles Zeitspiel verlegten und den ein oder anderen Krampf auf dem Platz auskurierten, die entscheidenden Zentimeter zum Glück.
Nicht ausschließlich eine Frage der Qualität
Es fehlte allerdings an diesem Donnerstagabend, den auch die Mannschaft zu einem europäischen Festabend machen wollte, auch an etwas ganz anderem: Qualität. Die ersten 45 Minuten zeigten, dass die Kaderdecke extrem dünn ist und sich keine Alternativen aufdrängen. Nach dem Seitenwechsel zeigte sich, dass der Mannschaft bei allem Wollen und Mühen die Qualität fehlt, einen letztlich nicht sonderlich beeindruckend guten Gegner im letzten Drittel auszuspielen. So dominant der effzeh ab Minute 46 auftrat, so wenig sprang im gegnerischen Sechzehner dabei heraus. Bis auf den ersten Jojic-Pfostenknaller und eines späten Sörensen-Kopfballs blieben die klassischen Strafraumszenen Mangelware.
Eine Möglichkeit, einen defensiv orientierten Gegner zu knacken, liegt bei den „Geißböcken“ leider weiterhin brach. Egal ob Freistoß oder Eckball: Die Standardsituationen sind ein absolutes Graus. Dass sich Milos Jojic kurz vor der Halbzeit von Konstantin Rausch, der zuvor mehrfach bewiesen hatte, für wenig Gefahr beim ruhenden Ball sorgen zu können, die Ausführung abnehmen lässt, sorgte für deutlich spürbaren Unmut auf der Tribüne. Bezeichnend, dass der Freistoß dann wieder einmal vom ersten Mann in der Abwehrformation des Gegners herausgeköpft werden konnte. Derart fahrlässig mit solchen Möglichkeiten, die sich das Team zumeist hart erarbeiten muss, umzugehen, macht schier sprachlos.
Mutmacher mit Makel
Dennoch ist der Auftritt nach der Pause ein gutes Beispiel dafür, wie es der effzeh trotz der Formkrise einiger Akteure schaffen kann, sich am eigenen Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen. Mit Leidenschaft, aber auch Mut zum Risiko entwickelten die Stöger-Schützlinge eine Wucht, die zwar spielerisch nicht immer zu überzeugen vermochte, aber jeden Gegner auf diesem Niveau vor Probleme stellen kann. Dass die Mannschaft dies erst nach der Pause zeigte, ist ebenso enttäuschend wie rätselhaft. Einem Stadion, das im wahrsten Sinne des Wortes für sein Team brennt, solch eine blutleere Darbietung zuzumuten, sorgte auch bei den Spielern für Unverständnis. So war der Donnerstagabend weder europäischer Festabend noch wirklicher Befreiungsschlag.
SPIELER DES SPIELS: MILOS JOJIC
In der ersten Hälfte ebenso unsichtbar wie die anderen Offensivakteure, allerdings mit den beiden einzigen nennenswerten Torabschlüssen. Drehte nach dem Seitenwechsel mächtig auf und war an allen drei Großchancen entscheidend beteiligt: Traf zweimal selbst Aluminium und leitete den Pfostentreffer von Bittencourt ein. Dazu wie immer laufstark und kämpferisch im zweiten Durchgang präsent.