Ausgangslage
Und plötzlich spricht man wieder gerne darüber. Ich habe ja Kollegen, die interessieren sich weniger für den effzeh, die haben andere Lieblingsvereine (wieso auch immer). Und in den letzten Wochen war das dann immer so, dass ich überall (in der Kaffeeküche, am Kopierer, im Flur, auf der Toilette…) auf den effzeh angesprochen wurde. Immer mit diesem teilweise bemitleidenden, teilweise amüsierten Lächeln im Gesicht, also bei den Anderen, weil diese ja eben keine effzeh-Fans sind.
Erst habe ich mich gerechtfertigt. Für den Abstieg, für peinliche Eskapaden und nun auch: Für die Tor- und Sieglosigkeit in der 2. Liga. Als ob ich selbst mitgespielt hätte: “Ja, also…wenn wir erst einmal…”
Irgendwann bin ich derartigen Situationen aus dem Weg gegangen. Hab den brühend heißen Kaffee geext, wenn jemand für ein Pläuschen in der Küche neben mir stand. Hab einfach nichts mehr kopiert, wenn sich jemand in der Nähe des Gerätes aufhielt und Dokumente stattdessen abgepaust. Bin durchs Fenster eingestiegen, kletternd, missionimpossiblemäßig, um dem gesprächigen Flur zu entgehen und war nicht mehr auf der Toilette (was wiederum schwierig ist, wenn man den ganzen Tag brühend heißen Kaffee ext).
Und dann? Dann gewinnt der effzeh plötzlich gegen den FSV Frankfurt und plötzlich spricht man wieder gerne darüber. Zumindest ich. Ich bin sogar von Büro zu Büro gezogen, schlendernd, pfeifend, weltumarmend, hab überall an den Türrahmen geklopft und immer stolz allen meine effzeh-Tasse entgegengestreckt: “Und? Wie gehts so?”
Paderborn konnte also kommen.
Personelle Lage
In erster Linie war beim Personal festzuhalten, dass es den Spielern offenbar ähnlich wie mir ging. Der Sieg schien Verkrampfungen zu lösen, in den Gesichtern des Teams blitzte hin und wieder ein Lächeln auf und selbst Stanis Stirnfalten wirkten nach dem erlösenden Sieg weniger tief, vor allem nach Ständchen und Kuchen.
Dann das: Stani gab zu verstehen, dass er ein wenig rotieren lassen wollte, schließlich kam es in den vergangenen Wochen zu einer hohen Belastung. McKenna fiel durch eine Zehenentzündung aus, Lehmann, gerade erst ins Team zurückgekehrt, wegen einer Erkältung.
Dies hatte zur Folge, dass Wimmer gemeinsam mit Maroh die Innenverteidigung bildete. Zudem wurde das Mittelfeld kräftig umgebaut: Sky vermeldete auf ihrer Grafik, wir würden mit drei 6ern auflaufen (Hector, Strobl und Matu), im Endeffekt war es dann so, dass Strobl und Hector die 6 bildeten und Matu eher als 8 fungierte, also das Vakuum schließen sollte, das die Herausnahme Bigalkes hinterließ. Dennoch war es auch die offzielle Ausrichtung, mit drei 6ern ins Spiel zu gehen.
Auf den Seiten spielten Clemens und Bröker, was bedeutete, dass Chihi, der das zweite Tor gegen Frankfurt erzielt hatte, zunächst auf der Bank Platz nehmen musste.
Spielverlauf
Der effzeh hatte bis zu diesem Spiel noch keinen einzigen Punkt in der Ferne ergattert. Das hatte ich vergessen zu erwähnen. In den vergangenen Partien fiel auf, dass der effzeh zu Hause recht druckvoll auftrat, während in den Aufeinandertreffen außerhalb des RES (zB in Aue oder Berlin) große Zurückhaltung angesagt war.
Umso überraschender war es, dass der effzeh in Paderborn ab der Anfangsphase klar machte, dass er der effzeh ist und dass er keine Lust haben würde, sich die Butter vom Roggenmischbrot nehmen zu lassen. Aggressiv, aufmerksam in den Zweikämpfen und hochgradig aktiv präsentierte sich die Mannschaft. Vor allem in der kompletten ersten Halbzeit.
Folgerichtig fiel in der 18. Minute das 1:0. Dazu muss man erwähnen, dass es mir ganz aktuell, mit Beginn der Zweitligasaison, gelungen ist, meinen Freund Peter dazu zu bewegen, effzeh-Fan zu werden (er war vorher nicht richtig fußballinteressiert) und so kam es, dass er in der Kölschbar, in der wir geguckt haben, sein erstes Tor als effzeh-Anhänger bewundern durfte. In den Partien zuvor, die für uns torreich ausfielen, war er verhindert. So saß ich da, nachdem ich mich nach meinem Jubelausbruch wieder gesammelt hatte und beobachtete Peter. Irgendwie beneidenswert, dass er das Gefühl des ersten mit angesehenen effzeh-Tores gerade erst erlebte. Wie sich das wohl anfühlt? Ich kann mich kaum an mein erstes Mal erinnern.
Das Tor selbst war auch sehr sehenswert: Matu spielte einen langen Pass auf den auf dem rechten offensiven Flügel vorauseilenden Brecko, der butterweich in den 16er flankte, wo Ujah nur noch einnicken musste, um es mit Peter gleich zu tun: Sein erstes effzeh-Tor zu erleben. Sogar (im Gegensatz zu Peter) selbst erzielt.
Brecko war es auch, der kurz darauf nach einem Freistoß von Jonas Hector Gefühl im rechten Fuß bewies, als er den Ball in die Nähe des Tores löffelte, wo Paderborns Keeper Kruse mit großer Mühe parieren konnte.
Und der effzeh drückte weiter: In der 31. Minute schlenzte Matu den Ball, erneut nach einem Freistoß, gekonnt in Richtung Tor, wo er der Latte einen flüchtigen Kuss zuwarf.
Von Paderborn war wenig zu sehen. Brecko foulte Kempe noch sehr grenzwertig an der Kante des Strafraumes – hier hätten wir uns über einen Elfmeter nicht beschweren dürfen – es gab Gott sei Dank nur Freistoß, aus dem die Gastgeber nicht viel machten.
In der zweiten Hälfte riss beim effzeh zunächst etwas der Faden. Auch wenn Strobl kurz nach Wiederanpfiff eine Chance vergab, ließ sich der effzeh in der Folgezeit einigeln, schaffte es kaum, für Entlastung zu sorgen. Paderborn wurde stärker. Verdient gelang den Gastgebern in der 53. Minute der Ausgleich: Zeitz köpfte den Ball an die Innenlatte, wo dieser bereits hinter die Linie landete, aber noch aus dem Torbereich heraussprang – Wembley ließ grüßen. Auch wenn wir noch hofften, dass die Kugel noch nicht im vollen Umfang die Linie überschritten hatte, machten die Paderborner bald Tacheles: Hofmann drückte die Pille schließlich ins Tor. Die Abwehr des effzeh war leider in dieser Situation recht indisponiert.
Es dauerte bis zur 69. Minute, bis sich der effzeh gänzlich vom Ausgleich erholte: Eichner flankte hinter den rechten Pfosten, wo sich Bröker den Ball eroberte und letztlich gegen drei Paderborner durchsetzte: Linksdrehung, rechts vorbei und mit dem Innenrist in die Mitte, wo der kurz zuvor eingewechselte Chihi nur seinen Schlappen hinhalten musste, um die erneute Führung zum 2:1 herzustellen. An dieser Stelle sei gesagt, dass der Einsatz und die Vorarbeit von Bröker als sensationell zu bezeichnen waren.
Es ging noch ein wenig hin und her, und es gab auch noch einen Platzverweis: Der Paderborner Torschütze Zeitz senste Chihi um, wofür er zurecht die Rote Karte sah.
Danach hatte Matu noch eine Großchance, als er in der 89. Minute einen schön herausgespielten Konter an die Latte setzte.
Insgesamt gelang es dem effzeh, das Ergebnis über die Zeit zu retten, womit der verdiente zweite Sieg in Folge eingetütet werden konnte.
Spieler im Fokus
Miso Brecko: Unser Capitano. Oft (zu) stark kritisiert. Nach den letzten Eindrücken allerdings fast zurecht. Wirkte in den vergangenen Spielen unsicher und fahrig. Vom Bindenfluch war die Rede. Doch Brecko machte eine sehr starke Partie. Defensiv immer auf dem Posten, offensiv mit sehr guten Impulsen – wie vor dem 1:0. Insgesamt eine sehr starke Partie.
Thomas Bröker: Man sagt ihm ja nach, er sei technisch und spielerisch limitiert. Und manchmal glaubt man das auch. Aber was Bröker an Kampfgeist, Einsatz und Entschlossenheit an den Tag legt, macht alles, was man ihm an Unzulänglichkeiten unterstellen könnte, zunichte. Und dann hat er plötzlich einen absolut genialen Geistesblitz und es steht 2:1 für den effzeh. Enorm wichtiger Spieler. Man könnte bezüglich seiner Mentalität fast sagen: Der Königstransfer des Sommers, der Lenker auf dem Platz. Auch Stani hat Brökers Wertigkeit erkannt: “Es ist wichtig, dass in seinem Schatten viele junge Spieler wachsen können und sich auch an ihm orientieren“. Zudem mache mit ihm die Zusammenarbeit Spaß, denn: “Er ist auch ein ganz netter Kerl, insofern passt das“.
Fazit
Starke erste Halbzeit des effzeh, weniger klare zweite Hälfte. Im zweiten Durchlauf mangelte es bisweilen an Mut nach vorne und an Konzentriertheit nach hinten. Macht zusammen einen 2:1 Sieg, den man sich nicht nur erspielt (1. Abschnitt), sondern vor allem erkämpft (2. Durchlauf) hat. So kann es weitergehen, denn: Der effzeh gewinnt offenbar langsam an Selbstvertrauen, an Wissen, dass er in der Lage ist, jedes Spiel drehen oder sogar gewinnen zu können. In dieser Form, mit dieser Entschlossenheit, wird der effzeh, der den Anschluss an das Mittelfeld der 2. Liga wieder hergestellt hat, eine insofern entspannte Saison erleben können, als dass man weder nach oben noch nach unten mit großen Aureißern zu rechnen hat, was dazu führen wird, dass sich dieses junge Team auf den Aufstiegskampf in der kommenden Spielzeit einschießen und warmspielen kann. Wenn wir dann alle ein Jahr älter und erfahrener sind, wird der effzeh eine Dominanz entwickeln (können), die ihm gerecht wird.
Stimmen zum Spiel
Stani: “Unterm Strich haben wir dieses Spiel glaube ich verdient gewonnen, weil wir gerade in den ersten 30-35 Minuten sehr, sehr gut gespielt haben. Ich glaube auch, dass wir verdient in Führung gegangen sind”. Zu bemängeln sei höchstens, dass die Konsequenz, “das zweite nachzulegen” nicht dauerhaft erkennbar gewesen sei: “So haben wir dann aus dem Nichts, als wir gerade ein wenig schläfrig waren, das 1:1 bekommen und dann kann so ein Spiel auch immer kippen, aber wir sind standhaft geblieben, haben weiter nach vorne gespielt, haben viele gute Situationen gehabt und dementsprechend freue ich mich für die Spieler, dass sie den zweiten Sieg in Folge einfahren konnten“. Nun könne man “ein bisschen durchpusten” und es sei letztlich “eine ganz gelungene Woche gewesen“. Insgesamt könne “man die Mannschaft nur loben, auch nach so einem so schwierigen Saisonstart, wo wir auch viele gute Spiele absolviert haben, dass sie dann so zurückgekommen ist“. Dies spreche eindeutig für die Mannschaft. Generell sei es so, dass auch Stani erkennen könne, dass da eine Mannschaft auf dem Platz steht, die ihren Namen als Mannschaft auch verdient. Das sei in den letzten Jahren nicht immer der Fall gewesen, aber nun wachse etwas zusammen: “Auch wenn man Spiele verliert, steht man trotzdem zusammen“. So könnten die jungen Spielern “an den alten wachsen“.
Den Eindruck des geschlossenen Mannschaftsgeistes bestätigen auch zwei Spieler:
Christian Eichner: Es sei klar erkennbar gewesen: “Jeder war anspielbar, jeder war bereit, 90 Minuten zu marschieren und ich kann einfach nur sagen, dass diese Mannschaft absolut geil ist, dass da ein absolut guter Spirit drin ist und dass jeder für den anderen marschiert”. Angesprochen auf seine eigene Leistungssteigerung gab er zu Protokoll: “Ich habe eine tolle Mannschaft im Rücken, die mir hilft”. Selbstkritisch fügte er an: “Ich hab nicht vergessen, was letztes Jahr war. Da möchte ich einiges korrigieren.”
Adil Chihi mag die Mannschaft auch und ist vor allem erleichtert: “Ich bin erst einmal glücklich, dass ich der Mannschaft heute geholfen habe und das Wichtigste ist, dass wir den zweiten Sieg eingefahren haben”. Schließlich habe man erkennen können, dass “wir eine tolle Mannschaft haben“.
Statistik
Tore: 1:0 Ujah (18.), 1:1 Zeitz (53.), 2:1 Chihi (70.)
Gelbe Karten: Eichner, Wimmer, Maroh; Rote Karte: Zeitz
Aufstellung: Horn – Brecko, Maroh, Wimmer, Eichner – Hector (90. Przybylko), Strobl – Clemens (67. Chihi), Matuschyk, Bröker – Ujah (67. Bigalke)
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Christian Dingert (Thallichtenberg)