Sich nach endlosen Jahren der Tristesse endlich einmal wieder den Traum vom internationalen Geschäft mit dem 1. FC Köln erfüllen zu können, ist der größte Wunsch vieler effzeh-Fans. Galt dies vor einigen Jahren noch als Hirngespinst, ist es mittlerweile ein durchaus realistisches Szenario, sollte die Mannschaft weiterhin so solide und störungsfrei Punkte einfahren. Der wesentliche Grund für die sportlich stabile Situation des 1. FC Köln liegt in der vor drei Jahren unter Peter Stöger begonnenen Entwicklung einer Spielidee, die in den ersten zwei Jahren der Anwendung darauf fußte, über eine solide defensive Grundordnung mit klaren Abläufen zum Erfolg zu kommen. Dass das nicht immer sehr attraktiv war, ist insofern kein Drama, da der Zweck bekanntlich die Mittel heiligt. Bereits in der letzten Saison war jedoch zu erkennen, dass der effzeh mittlerweile auch über durchaus ansprechende Lösungsmöglichkeiten verfügt, um selbst zum Torerfolg zu kommen und damit die Wahrscheinlichkeit auf einen Erfolg zu erhöhen. Die neu gewonnene offensive Präsenz ging jedoch nicht zulasten der defensiven Stabilität, wie ein Blick auf die Statistik zeigt.
Gegentorschnitt reif für die Königsklasse
In den fünf großen europäischen Ligen gibt es nämlich nur eine Mannschaft, die dem effzeh in Sachen Gegentore pro Spiel voraus ist. Mit PSG handelt es sich dabei um eine Mannschaft, die in ihrer eigenen Liga eigentlich seit Jahren keine ernstzunehmende Konkurrenz mehr hat und demzufolge auf einen Gegentorschnitt pro Spiel von 0,57 kommt (acht Gegentore in 14 Spielen). Der 1. FC Köln teilt sich den zweiten Platz mit dem FC Bayern, der ebenfalls in den bisher ausgetragenen zwölf Bundesligaspielen nur acht Tore fing. Die sonstigen Verdächtigen aus den europäischen Topligen folgen erst dahinter, Chelsea FC weist einen Gegentorschnitt von 0,76 auf, Juventus 0,85. Abseits von den absoluten Zahlen ergibt sich jedoch ein besonderes Muster, das Beachtung verdient: man kann nicht behaupten, dass der effzeh gar keine Torschüsse des Gegners zulassen würde. Vielmehr ist es jedoch so, dass die Diskrepanz zwischen der Anzahl der Torschüsse des Gegners und der tatsächlichen Zahl an Gegentoren signifikant hoch ist.
Konkret bedeutet dies, dass der 1. FC Köln 22 Torschüsse zulässt, bevor er ein Gegentor fängt. Da die Mannschaft von Peter Stöger dem Gegner in jedem Spiel ungefähr 15 Torschüsse gestattet, ist somit die statistische Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, “zu null” zu spielen und kein Gegentor zu bekommen. Dies gelang in der Bundesliga bis dato bereits fünfmal (gegen Darmstadt, Wolfsburg, Freiburg, Hamburg und Augsburg). In dieser Betrachtung stechen vor allen Dingen die Heimsiege gegen Hamburg und Ingolstadt ins Auge, in denen der effzeh jeweils nur neun Torschüsse des Gegners erlaubte. Die Auswärtsniederlage in Frankfurt untermauert, dass trotz der lediglich neun zugelassenen Torschüsse ein Spiel dann verloren gehen kann, wenn die Defensivstrategie des Gegners vielleicht sogar noch einen Ticken ausgereifter ist als die eigene oder das Spielglück eher dem Gegner hold ist.
Am anderen Ende des Spektrums stehen die Spiele in Wolfsburg, München und Mönchengladbach: dort ließ der 1. FC Köln 19, 27 und 20 Torschüsse zu. Interessant ist jedoch, dass keines der Spiele verloren ging und das Spiel in Mönchengladbach durch das Traumtor von Marcel Risse sogar noch gewonnen werden konnte. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass in jeder der drei Partien ein anderer Torwart auf dem Feld stand. In Wolfsburg gab Sven Müller sein Bundesligadebüt, während der effzeh mit Timo Horn im Kasten in München punktete. Matchwinner beim Derby gegen Mönchengladbach war bekanntlich Thomas Kessler.
Starke Torhüter als Faustpfand des 1. FC Köln
Da Torschüsse nicht gleich Torschüsse sind, bietet es sich an, nach dem Ort der Schussabgabe zu unterscheiden. Die offiziellen Statistik-Daten bei Bundesliga.de differenzieren zwischen Torschüssen innerhalb und außerhalb des eigenen Sechzehners. Für den 1. FC Köln äußert sich das wie folgt: 61% aller Torschüsse lässt die kölsche Hintermannschaft im eigenen Sechzehner zu, 39% außerhalb. Da man davon ausgehen kann, dass sich die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Torabschlusses im Sechzehner erhöht, ist es insofern ebenfalls bemerkenswert, dass aus den 108 im Sechzehner zugelassenen Torschüssen nur acht den Weg ins effzeh-Tor fanden. Dies lässt sich auch dadurch erklären, dass der 1. FC Köln mit Timo Horn (79% abgewehrte Torschüsse, sieben Gegentore), Thomas Kessler (90% abgewehrte Torschüsse, ein Gegentor) und Sven Müller (100% abgewehrte Schüsse, kein Gegentor) über außergewöhnlich gute Torhüter verfügt.
Individuelle und mannschaftliche Stärke als wesentliche Faktoren
Es lässt sich jedoch ebenso argumentieren, dass die geradlinige Interpretation des Wortes “Verteidigen” dazu geführt hat, dass der effzeh mittlerweile über eine defensive Grundordnung verfügt, die in jedweder Anordnung funktioniert. Die verschiedenen Konstellationen, die auch aufgrund der Verletzungssituation einiger Spieler (Maroh!) in dieser Saison bereits zu sehen waren, haben nicht dazu geführt, dass auf einmal eine Gegentorflut über den 1. FC Köln hinweggebrochen ist. Die klaren und strukturierten Abläufe und die gruppentaktische Stärke der Mannschaft sind weitere Faktoren dafür, dass die Defensive des effzeh europaweit zu den Besten gehört. Dies lässt sich natürlich auch am Personal festmachen: Matthias Lehmann ist aufgrund seiner Lauf- und Zweikampfstärke ein idealer Spieler dafür, den Zwischenraum zwischen Abwehr und Mittelfeld zu besetzen und die Viererkette zu beschützen. Ergänzt durch Höger ergibt sich also ein Mittelfeldzentrum, das für Stabilität sorgt und viel Arbeit von der letzten Linie weghält.
Doch auch individuell starke Spiele wie Frederik Sörensen, Marcel Risse und Jonas Hector tragen dazu bei, dass die Systematiken beim effzeh funktionieren. Alle drei wurden seit Saisonbeginn mit unterschiedlichen Aufgaben betraut, die sie überwiegend positiv erledigten. Risse bspw. kam bereits als rechter Verteidiger zum Einsatz, rückte aber zuletzt eine Position nach vorne. Analog dazu kann der Däne Sörensen sowohl Innen- als auch Außenverteidiger spielen. Über Jonas Hectors Qualitäten wurde sich bereits genügend ausgelassen. Zu guter Letzt noch ein Blick auf die Innenverteidiger, die beide sowohl in der Luft als auch am Boden bisher überzeugen konnten. Mergim Mavraj kommt auf überragende 65% gewonnener Zweikämpfe in der Luft, am Boden entschied der Albaner 51% der Duelle für sich. Sein Partner Dominique Heintz gewann 60% der Zweikämpfe in der Luft und 50% am Boden. Der Ausfall von Dominic Maroh, der in der bisherigen Saison nur 102 Minuten zum Einsatz kam, konnte also aufgefangen werden.