Redakteur, Autor mehrerer Bücher und Artikel, begeisterter Wanderer – aber vor allem Fan des 1. FC Köln. Manuel Andrack kann seit seiner Studienzeit nicht mehr vom Verein lassen. Selbst ein Umzug ins Saarland bringt ihn nicht vom Verein ab. Im Gegenteil: Er schrieb sogar ein Buch* über seine Erlebnisse auf den Auswärtsfahrten.
Über sein Leben mit dem Verein, der Presse in Köln und über seine Erwartung an die Saison haben wir kurz vor dem ersten Spieltag mit ihm gesprochen.
effzeh.com: Herr Andrack, zunächst eine Frage persönlicher Natur. Wie sind Sie eigentlich effzeh Fan geworden?
Andrack: Nunja es gab so ein Spiel, 86 war es glaub ich, gegen Fortuna Düsseldorf. Damals war erstaunlicherweise auch schon Abstiegskampf angesagt. Das war vor der Daum Ära und wir haben zuhause gegen Düsseldorf verloren. Ich muss dazu sagen: Ich war immer Viktoria Fan – bin halt auf der rechten Seite aufgewachsen. Mein Vater ist immer zu Viktoria gegangen und dann bin ich da halt mit als Kind und als Jugendlicher. Und zum effzeh war das richtig weit: Quer durch die Stadt bis zum anderen Ende und ich wäre nie auf die Idee gekommen da alleine hinzugehen –auch zu Viktoria nicht, aber da war mein Vater dabei. Mit dem Studium bin ich auf die andere Rheinseite gezogen und irgendwann dachte ich mir Samstagnachmittags: ‚Och jetzt ist das ja gar nicht mehr so weit. Mit dem Fahrrad fährst du da jetzt hin‘. Und dann gab es dieses Spiel. Heutzutage wäre die Bude voll aber damals waren 10.000 Leute im Stadion. Man hat gegen Fortuna Düsseldorf verloren und dann brannten da Fahnen und Schals im FC Fan-Block. Das hat mich irgendwie fasziniert und dann dachte ich: ‚Boah. Das ist Leidenschaft.‘ Also auch im negativen Sinne. Sowas hatte ich bei Viktoria noch nie gesehen. Daraufhin habe ich das Geschehen mit verfolgt und durch ein Tor von Litti haben wir uns am letzten oder vorletzten Spieltag gerettet. Dann kamen die super Daum-Jahre und seitdem bin ich Fan.
Was mögen Sie denn an dem Verein im speziellen? Man sagt ja, dass der effzeh-Fan eher von masochistischer Natur ist.
Das geht ja den meisten anderen Fußball Fans auch so. Ich habe sogar schon Bayern München Fans am Rande des Nervenzusammenbruchs gesehen nach einer Achtelfinalniederlage gegen Real Madrid in der Champions League. Fan sein ist halt nicht immer lustig sondern eigentlich immer Leiden. Bei jeder Abschlusstabelle von jeder Liga sind 2/3 aller Fans enttäuscht. Bestes Beispiel ist Bayern München in der letzten Saison. Obwohl sie sauviel erreichten, waren sie nicht zufrieden.
Also eine Leverkusensaison gespielt.
Ja genau. Oder Werder Bremen, die eigentlich jedes Jahr Europapokal spielen. Wenn die es nicht schaffen sind die auch scheiße drauf. Und die Absteiger sowieso. Und selbst die, die es im letzten Moment noch geschafft haben sind auch nicht glücklich. Irgendwie ist jeder mal dran. Und wenn ich sehe, dass zu dieser Saison doch nur 2.500 ihre Dauerkarte gekündigt haben beim soundsovielten Zweitligaabstieg. Dann ist doch alles gut.
Also ich glaube: Kein Fan ist masochistisch veranlagt. Ist ja auch albern. Selbst ich habe mir mal FC Fasten verschrieben, kein Spiel geguckt und so ein Quatsch. Aber das hält man ja nicht lange durch.
Und sollte der Verein diese Saison doch den Aufstieg schaffen und es eine große Aufstiegsfeier gäben, dann ärgern sich die anderen, dass sie ihre Dauerkarte abgegeben haben. Und dann an keine neue Dauerkarte mehr rankommen. So ist es ja nun einmal.
Da Sie ja jetzt im Saarland wohnen und wohl auch keine Dauerkarte haben werden: Wie kommt man jetzt an Informationen vom Verein? Als Sie noch in Köln lebten, gab es ja die Möglichkeit an jeder Straßenecke die Schlagzeile auf den Zeitschriften in den kleinen roten Kästen zu sehen. Wie ist das nun?
Das ist eigentlich das geilste überhaupt! Dass ich damit nicht mehr belästigt werde. Weil es sind ja keine Infos, sondern größtenteils Hetze bzw. Desinformation oder Panikmache. Die müssen halt jeden Tag ihre FC News bringen. Das hat mich über die Jahre schon angestrengt. In der letzten Zeit in Köln habe ich sie dann gar nicht mehr gelesen, das war mir schon zu viel. Hatte keinen Stadtanzeiger abonniert, keinen Express, keine Bild gelesen seitdem ich nicht mehr bei Harald Schmidt bin. Das war sehr erholsam. Aber an den Kästen kam man natürlich trotzdem nicht vorbei. Da hätte man ja Scheuklappen anziehen müssen. Und das ist im Saarland einfach furchtbar erholsam. Jetzt bekomme ich das mit, was in der FAZ, Spiegel Online oder bei kicker.de steht. Das hat nicht mehr diesen tendenziösen Touch.
Nunja…
Ich bin jedes Mal überrascht wenn ich zu einem Spiel fahre und die Diskussionen bei Anderen mitbekomme. Und meist stellt sich nach ein-zwei Wochen heraus, dass man diese gar nicht hätte führen müssen. Ob Spieler A oder B geht, ob es dort oder da Krach gibt – man hätte es gar nicht führen müssen.
Ich freu mich dann auf das Spiel, auf die Stimmung, auf die Kumpels und will dann keine Infos. Zumindest nicht solche. In der Saarbrücker Zeitung steht mehr über den effzeh als man denken sollte. Es gibt ja die berühmten Saarländer: Adam Matuschyk ist nicht polnischer Nationalspieler sondern Saarländer, der mal hier gespielt hat. Genauso wie jetzt Hector, der hier groß geworden ist, worüber hier dann natürlich berichtet wird. Es ist ja nicht so, dass ich hier auf einer Insel in der Karibik lebe und gar nichts mitkriege. Es ist einfach nur sehr erholsam nicht jeden Tag darüber lesen zu müssen.
Dann kann ich mir die Frage nach der Qualität der erhältlichen Informationen bei Ihnen ja eigentlich sparen!?
Ja es ist halt Boulevard. Und das geht in anderen Städten ja genauso. Irgendwie muss da ein Konflikt her. „Heute haben sich wieder alle lieb“, taugt nicht als Überschrift.
Ja, schade.
So ist es halt nun mal im Bereich der Boulevardpresse. Ein bisschen schade ist, dass durch die Verlagskonzentration in Köln dann eben auch der Stadtanzeiger, die Rundschau nicht so, sehr polemische Tendenzen teilweise hat.
Schließe wir mal das Kapitel Boulevard und kommen zu seriösem Journalismus. Als der effzeh das letzte Mal abstieg sind Sie zu jedem Auswärtsspiel gefahren. Die Erlebnisse haben Sie in Ihrem Buch „Meine Saison mit dem FC“ niedergeschrieben. Planen Sie diese Aktion zu wiederholen? Jetzt ist ja auch endlich ein Führerschein vorhanden, was die Mobilität natürlich deutlich erhöhen würde.
Nein! Erstens wäre das ein bisschen lahm, das jetzt nochmal zu machen. Da gibt es ja durchaus Dubletten, also Mannschaften, die beim letzten Mal auch schon dabei waren. Die Ostvereine Aue, Cottbus usw. Gott sei Dank.
Zweitens lässt das meine berufliche und private Situation derzeit nicht zu. Habe ja nochmal zugeschlagen und ein kleines Kind bekommen. Damals waren meine Kinder aus erster Ehe aus dem Gröbsten raus, ich konnte einen auf „Berufsjugendlicher“ machen und in jedem Fanbus mitfahren. Was ich machen werde ist die Rosinen raus zu suchen, denn damals war das schon recht hart. So einem Buchprojekt muss mal alles unterordnen. Gerade der Zweitligaspielplan, der an einem Wochenende von Freitag bis Montags geht und man meist drei Wochen vorher noch garnicht sicher sagen kann, wann dann das denn stattfindet. Daraus folgt, dass man sich alle Optionen frei halten muss, was derzeit einfach nicht möglich ist.
Das sieht man ja auch gut an der Terminierung der ersten Spieltage dieser Saison, wo der effzeh gefühlt nur freitags und montags spielt.
Ja genau! Ich sehe von den ersten acht Spielen genau Null! Hinzu kommt ja noch, dass ich als Selbstständiger garkeinen Montag bis Freitag Job habe, sondern gerade am Wochenende immer viel unterwegs bin. Ich kann es mir da leider nicht einrichten vier Tage frei zu halten weil der effzeh irgendwann bei Union spielt. Was Scheiße ist! Denn da wäre ich sehr gerne hingefahren. Auch Braunschweig wäre ich sehr gerne dabei gewesen. Bis jetzt habe ich fest gebucht: Sandhausen, Aalen, Ingolstadt und natürlich Kaiserslautern weil es hier direkt um die Ecke ist.
Zu Sandhausen bestand ein Kollege von der Redaktion auf die Frage ob Sie da auch hinwandern würden?
Ja muss ich mal schauen. Das ist ja garnicht so weit weg. Kurz hinter Mannheim. Das geht schon.
Letzte Saison ist ja bekanntermaßen sehr viel passiert beim effzeh: Unter anderem entschloss sich der ehemalige Präsident, ohne jemandem Bescheid zu geben, den Verein zu verlassen. Und jetzt haben wir unser Dreigestirn als Präsidenten bekommen. Was halten Sie von dieser überaus kölschen Lösung?
Als ich gehört habe, dass der Tünn jetzt dabei ist, da musste ich – wie viele andere auch – schon sehr schwer schlucken. Denn was er in den letzten 20 Jahren von sich gegeben hat über den Verein, für den er ja auch angestellt war. Und jetzt den Kölschen raushängen lassen. Das passt irgendwie nicht. Bei ihm habe ich so ein bisschen die Sorge, dass er einen Rummenigge/Hoeneß für Arme darstellen will. Der sich so ein bisschen zu sehr in Belange einmischt, von denen er nicht so viel Ahnung hat. Einer, der immer noch die Sprüche der Siebziger drauf hat. „Den muss man mal gerade rücken“ und solche Sachen halt. So läuft es halt nicht mehr.
Man hat es ja letztes Jahr gesehen. Wenn die Taktik nicht verstanden/umgesetzt wird und denen auch noch die Fitness fehlt, kann man so viel Psychologie anwenden und in der Kabine herumschreien…das ändert nichts. Die Zeiten sind vorbei. Herr Spinner macht einen sehr guten Eindruck. Ich glaube der verkörpert vieles, was wir lange lange Jahre bei einem Präsidenten vermisst haben.
Diesen dritten Mann (Anm. d. R.: Ritterbach) kann ich leider nicht einschätzen.
Dann haben wir ja noch ein zweites Dreigestirn. Sozusagen die sportliche Führung mit Schaefer, Jacobs und Stanislawski. Haben Sie dafür schon ein Gefühl für entwickelt?
Überhaupt nicht! Ich kann leider Stanislawski nicht einschätzen. Er war halt St. Pauli Kult. Aber ob das jetzt wirklich auf andere Vereine passt weiß ich nicht. In Hoffenheim ist das ja auch ordentlich in die Buchse gegangen. Jetzt beschweren sich Trainer natürlich gerne über ihre Vorgänger aber wenn Babbel im Interview sagt, dass er sich viele Hoffnung machen würde, da sein Team nun endlich bei der Fitness sei, bei der er es haben wollte…denn er habe es im Februar als Fitnesstrümmerbude übernommen. Dann habe ich schon ein bisschen Angst, dass wir den Bock zum Gärtner gemacht haben und die gleiche Scheisse haben wie letztes Jahr.
Man muss sich ja auch nichts vormachen. Gegen den effzeh werden sich natürlich alle die Lunge aus dem Leib rennen. Wenn da die Jungs nicht fit genug sind, dann wird das eine ganz schwere Saison. Ich bin auf jeden Fall gespannt auf die Aussagen meiner „Spione“ aus dem Trainingslager. Angeblich hätten sie es ja letztes Jahr gesehen, dass da nach ein bisschen Warmlaufen die Puste weg war.
Jetzt wurde im Zuge des Umbaus beim Verein recht deutlich, dass der Verein in großen finanziellen Nöten steckt. Im Zuge dessen müssen beispielsweise manche Spieler dringend verkauft werden. Was halten Sie davon, dass manch etablierter Spieler wie Geromel gesondert trainieren lässt, ohne dass man weiß ob man sie überhaupt verkauft bekommt?
Das ist ein komisches Geschäftsmodell in meinen Augen. Das ist auch ein Resultat aus der verheerenden Transferbilanz der letzten Jahre. Man hat prinzipiell nichts verkauft sondern nur aufgegeben. Hätte man jetzt so getan, dass das die geilsten Spieler der Welt sind aber denen gesagt hätte: „Hört mal zu! Beim ersten Inserenten seid ihr weg!“ Man wollte halt eine klare Linie fahren.
Bei Rensing weiß ich nicht. Es klang ja immer wieder latent durch, dass er intern ein Stinkefinger war. Bei Novakovic ist ganz klar. Den wollte Daum schon jeden Tag rausschmeißen. Nur hat er da noch Leistung gebracht und in jedem Spiel genetzt.
Es geht halt jetzt einfach nur um die Gehälter. Denn die aussortieren Geromel, Rensing und Novakovic sind ja die, die darauf geachtet haben, dass die Spanne zu Poldis Gehalt nicht zu groß wird. Und das kann sich der effzeh einfach nicht leisten. Nur ich frag mich wer das Gehalt jetzt übernehmen soll? Welcher Verein kauft die? Wenn man Leute in das Schaufenster stellt und so tut als wenn das die Geilsten überhaupt wären…komischerweise schafft es ja auch Magath immer wieder auch die letzten Krücken irgendwie weiter zu verkaufen. Es fehlt irgendwie ein Zocker, der sagt: „Für das Geld kriegt ihr den nicht! Der ist viel zu gut. Dann spielt der halt bei mir.“ Nun gut…bei Magath weiß man eh nie wer spielt und von daher nimmt man ihm das auch ab.
Das kann man beim effzeh einfach nicht bringen. Da ist alles zu durchsichtig aber auch zu durchlässig. Auf der anderen Seite: Lässt man sie doch in den Kader, schlägt das sofort zu Bild und Express durch und sie stehen als Deppen dar. Und deswegen war die Entscheidung, auch wenn es jetzt finanziell nochmal grausam wird, auch ok. Also ich will Novakovic nicht nochmal spielen sehen. Geromel wird am Ende auf jeden Fall gekauft werden.
Rensing hingegen hat mich sehr gewundert. Der hat uns schließlich letzte Saison davor bewahrt nicht 100 Dinger zu bekommen. Aber ich freue mich auch auf Horn. Bei Torhütern ist es halt schwer. Es gibt sauviele saugute deutsche Torhüter. Und wenn man mal einen wie Stefan Wessels zwischen den Pfosten gehabt hat, dann weiß man einen guten Torhüter auch zu schätzen.
Zwei kurze Fragen zum Ende noch: Wie stehen Sie zu den generellen Entwicklungen beim Verein bezüglich der vielen Jugendspieler?
Die Entwicklung finde ich gut, aber man muss so natürlich mehr Geduld mit dem FC haben.
Und was erwarten Sie von der kommenden Saison?
Ich erwarte eine eher unspektakuläre Saison mit einem achten Platz am Ende. Und nächste Saison geht es dann wieder hoch…
Herr Andrack, vielen Dank für das Gespräch.
* = Das Buch Meine Saison mit dem FC. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005, ISBN 3-462-03584-3 ist in jedem gut sortierten Fachhandel erhältlich.