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Kolumnen

Bittersüßer Abschied

Der effzeh trennt sich von zwei sympathischen Spielern, die ihr gehöriges Potenzial nie richtig abrufen konnten. Ein gutes oder schlechtes Zeichen?

Foto: SASCHA SCHUERMANN/AFP/Getty Images

Mit Bard Finne und Kazuki Nagasawa verlassen in diesem Winter zwei sympathische Spieler den 1. FC Köln, die man in ihren zwei Jahren im Verein gerne häufiger auf dem Feld gesehen hätte. Ein gutes Zeichen oder ein Grund für Kritik?

Es war der 6. Januar 2014, der wundervollste Verein der Welt thronte in der ersten Saison von Neu-Trainer Peter Stöger nach 39 Punkten aus 19 Spielen an der Spitze der zweiten Bundesliga, und startete mit viel Schwung im neuen Jahr wieder in den Trainingsbetrieb. Die nüchterne Statistik und der qualitativ erstligareife Zwei-Mann-Sturm um Patrick Helmes und Anthony Ujah täuschten ein wenig darüber hinweg, dass sich der effzeh offensiv oft schwer tat gegen die reihenweise extrem tiefstehenden Gegner in Deutschlands zweithöchster Spielklasse.

So steckte man also ein gutes Stück Hoffnung in die beiden neuverpflichteten Jungspieler, die an jenem Januartag erstmals mit am Trainingsbetrieb teilnahmen. Der Norweger Bard Finne war bereits im Sommer verpflichtet worden, stieß aber erst nach seiner Saison in Norwegen, die wie üblich bis Jahresende dauerte, zum Team. Der Japaner Kazuki Nagasawa wurde kurioserweise direkt von der Universität verpflichtet.

Der 19-Jährige Finne und der 22 Jahre alte Nagasawa wurden als Perspektivspieler vorgestellt, hatten aber das Potenzial die Offensive des Stöger-Teams schon schnell zu bereichern, auch wenn die äußerliche Erscheinung beider Jungprofis eher darauf hindeute, dass sie geradewegs aus der vereinsinternen U-16-Jugendmannschaft hochgezogen wurden. Beide maßen keine 175 Zentimeter, brachten höchstens 65 Kilo auf die Waage, verhielten sich schüchtern zurückhaltend und sprachen kein Deutsch.

Der Eindruck verblasste allerdings, als man die beiden in ihren ersten Einsätzen im Team der rot-weißen Götter sah. Beide brachten eine Dimension ins effzeh-Spiel, die man zuvor nicht gesehen hatte. Finne stand Helmes und Ujah als konträrer Stürmertyp entgegen. Klein, schnell, emsig, technisch relativ beschlagen. Nagasawa war noch viel mehr. Der Japaner schien die fehlende Kreativität und den Spielwitz, der dem Kölner Mittelfeld gefehlt hatte, auf einen Schlag von der japanischen Uni mitgebracht zu haben.

Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

Der schwierige Sprung

Beide Neuverpflichtungen fügten sich sofort ein und absolvierten zehn Spiele in der Rückrunde, in denen sie zwar auch gerade körperliche Defizite offenbarten, allerdings größtenteils überzeugten und Hoffnung auf mehr machten. Zudem erspielten sich die beiden Kleinen mit viel Herz und einer angenehm zurückhaltenen Art direkt viele Sympathien.

Anderthalb Jahre nach der hoffnungsvollen Zweitliga-Rückrunde packen beide Spieler ihre Koffer und verlassen die schönste Stadt Deutschlands. Nagasawa geht zurück in die Heimat, Finne wechselt nach Heidenheim. Verkauf, keine Leihe. Was war in dieser Zeit passiert?

Die scheinbar simpelste Antwort auf diese Frage lautet: Die Bundesliga. Während Spieler wie Anthony Ujah, Jonas Hector, Timo Horn oder Kevin Wimmer die Chance, die sich in der höheren Spielklasse auftaten, zu nutzen wussten und einen riesigen Entwicklungsschritt machten, schien die Bundesliga für Finne und Nagasawa ein Jahr zu früh zu kommen. Der Anpassungsprozess an den deutschen Fußball war noch nicht abgeschlossen, das Potenzial beider Spieler erst angedeutet, schon ging es in der höheren Spielklasse gleich noch mehr zur Sache.

Die Qualität im Kader wurde in Folge des Aufstiegs, zu dem Finne und Nagasawa einen wichtigen Beitrag leisteten, weiter angehoben. Finne, der hinter Ujah und Helmes sowieso meistens nur als Joker Chancen auf Einsätze erhalten hatte oder von den Verletzungsproblemen des ehemaligen deutschen Nationalspielers profitierte, bekam mit Simon Zoller und Yuya Osako zwei Konkurrenten vor die Nase gesetzt, die in der zweiten Liga noch weitaus effektiver und auffälliger waren als der kleine Norweger mit dem Hang zum Chancentod. Nagasawa verletzte sich unglücklicherweise bereits in der Vorrunde und musste mit einem Innenbandriss drei Monate pausieren, in denen die Kollegen ihre ersten Erfahrungen in der Bundesliga sammelten. Während der Japaner in einer sehr wichtigen Phase die komplette Hinrunde verpasste, konnten sich andere Spieler in der Bundesliga zurechtfinden und einspielen.

Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

Vereinzelte Glanzpunkte

Beide hatten einen schweren Stand in ihrer ersten Bundesligasaison. Trainer Peter Stöger hatte schon in seiner ersten Saison in der Domstadt gezeigt, dass er eher ein Freund der Konstanz denn der Rotation ist und nahm meist nur dann Änderungen an der Aufstellung vor, wenn es notwendig war. Zudem setzte der Österreicher in seinem ersten Bundesligajahr auf defensive Präsenz, Körperlichkeit und eine effiziente Spielweise, ausgerechnet drei Attribute, die im Spiel der noch ungeschliffenen Rohdiamanten Finne und Nagasawa aber fehlten.

So blieb es für den Japaner und den Norweger, die weiterhin erstaunliche Parallelen aufwiesen, zumeist bei Kurzeinsätzen. Beide Spieler absolvierten je zehn Spiele in ihrer ersten Erstligasaison, in denen sie ihr Potenzial immer nur kurz andeuten konnten. Nagasawa tat es vor allem am 32. Spieltag beim 2:0-Sieg gegen Schalke, als er ein Tor vorbereitete, Finne bei seinen Einwechslungen gegen Leverkusen und Bremen, wo er mit einem Treffer und einem herausgeholten Elfmeter maßgeblich am Unentschieden beteiligt war. Ein komplettes Spiel über 90 Minuten machte lediglich Finne und auch das nur am 33. Spieltag im relativ unbedeutenden Spiel gegen den FSV Mainz 05.

So war schon vor der Saison 2015/2016 klar, dass die beiden Perspektivspieler mehr Einsätze bräuchten, um ihr Potenzial auch abzurufen. Doch während beide in ihrer Entwicklung stecken blieben, kam mit Bittencourt, Jojic, Hosiner und Modeste noch größere Konkurrenz, die Chancen auf Einsatzminuten gingen weiter zurück. Nagasawa spielte nur noch einmal und dies außerordentlich schwach am 11. Spieltag gegen Hoffenheim, Finne kam gar nicht mehr zum Zug. So war es nur logisch, dass beide Spieler zum Wechsel gezwungen waren.

Wirklich keine Chance?

Diese beiden Wechsel werden aber nicht durchweg positiv gesehen. Vor allen Dingen ein Vorwurf tritt immer wieder auf: Nagasawa und Finne haben nie eine richtige Chance bekommen. Ganz richtig ist diese Behauptung allerdings nicht. Vielleicht hätten beide unter einem Trainer, der experimentierfreudiger gewesen wäre und seinen Fokus auf andere Akzente im Spiel gelegt hätte, mehr gespielt. Doch wäre dies für den Verein und die Mannschaft auch das Beste gewesen?

Bart Finne. Norwegisch zurückhaltend. © effzeh.com

© effzeh.com

Manchmal wird eben vergessen, dass beide immer wieder auf dem Feld standen und dass Spieler wie Leonardo Bittencourt, Yannick Gerhardt oder Milos Jojic allesamt jünger sind als Nagasawa. Es wird vergessen, dass Osako oder Hosiner genauso starke Spiele in der Vorbereitung gemacht haben wie Finne und es wird vergessen, dass der effzeh-Kader mittlerweile so breit besetzt ist, dass es für gewisse Spieler nicht reicht.

Dass es nun ausgerechnet für Finne und Nagasawa nicht reicht, ist sehr bedauerlich und schade, weil beide Spieler stets sympathisch waren und dem Trainer die Wahl so schwer wie möglich gemacht haben, aber es ist auch ein gutes Zeichen. Der effzeh gibt mittlerweile gute Spieler ab, weil er eben noch bessere Spieler im Kader hat. Man ist als Fan nicht mehr froh, wenn man Spieler wie Freis, Radu und Co endlich los ist, man ist aber auch trauriger über den Verkauf zweier starker Spieler als bei den Abgängen von Spielern wie Giannoulis, Akin oder Andre Ceara, die wohl die wenigsten noch kennen, obwohl sie vor gar nicht allzu langer Zeit noch genauso häufig wie Finne oder Nagasawa in Köln spielen durften.

Verdammt viel richtig gemacht

Natürlich hätte man in einigen Momenten lieber Kazuki Nagasawa als Slawomir Peszko auf dem Feld gesehen und natürlich wünscht man sich den Japaner manchmal auf dem Platz, wenn Marcel Risse den dritten Pass in Folge ins Nirgendwo spielt. Dennoch würde der effzeh wohl nicht um die Champions League mitspielen, wenn Finne und Nagasawa dauerhaft auf dem Feld gestanden hätten.

Wenn Nagasawa zehn Spiele im Mittelfeld in der Startelf gestanden hätte und ohne eine einzige Vorlage geblieben wäre, dann hätte es wohl auch Kritik gehagelt und wenn Finne zehn Spiele lang den Ein-Mann-Sturm gegeben hätte und keinen einzigen Treffer erzielt hätte, wären vielleicht sogar die Rufe nach Anthony Modeste oder Yuya Osako wieder laut geworden.

Forderungen nach Startelfeinsätzen von jungen Talenten oder sympathischen Spielern, die keine Chance erhalten, weil Herr XY mal wieder nur scheiße spielt, sind normal und auch erlaubt. Nüchtern betrachtet verliert der effzeh, der es in seinem zweiten Bundesligajahr mit einer noch jungen Truppe auch ohne Finne und Nagasawa auf Rang neun mit Tuchfühlung zu Europa geschafft hat, aber zwei Spieler, die wenig gekostet haben, ihre Chance erhalten haben, letztendlich aber vielleicht zur falschen Zeit am falschen Ort waren oder einfach nur ein wenig zu schwach waren für das Haifischbecken Bundesliga. Dafür bringen sie aber trotz ihrer nur unregelmäßigen Einsätze ein Vielfaches ihrer damaligen Ablösesumme ein. Auf dem Weg zur wirtschaftlichen Konsolidierung sind eben nicht nur Deals wie die mit Kevin Wimmer wichtig, sondern eben auch die kleiner Geschäfte.

Wenn wir ab sofort bei allen Abgängen unserer Spieler, die im Kader an 18. oder 19. Stelle standen, derart gut verdienen und gleichzeitig derart traurig sind, haben die Verantwortlichen jedenfalls verdammt viel richtig gemacht.

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