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Nachspiel

Wenn de Sonn schön schingk…

Bestes Wetter, bester Fußball, beste Laune. Bei Kaiserwetter wirbeln die Japaner, die Klasse sichern dann aber die Local Heroes.

© effzeh.com

Als Anthony Ujah am gestrigen Sonntag gegen 19:30 Uhr bei absolutem Kaiserwetter* seine Trinkflasche inmitten eines feiernden rot-weißen Zirkels auf seine umhertanzenden Teamkollegen ausschüttete, während es von den Rängen “Döp Dö Dö Döp” schallte, herrschte heile Welt in Köln Müngersdorf. Vergessen waren die gut einhundert torlosen Unentschieden in dieser Saison, vergessen die Wechselposse um den Mittelstürmer, der halbleere Unterrang auf der Südtribüne, die befürchteten Krawalle und die bedrohlichen Wasserwerfer am Neumarkt.

Es zählte nur eines: Der sagenhafte Klassenerhalt zwei Spieltage vor dem Ende der Bundesligasaison nach einem an Souveränität nicht zu überbietenden 2:0 gegen ein furchtbar harmloses Gelsenkirchen und damit einhergehend ein zehnter Tabellenplatz mit zumindest theoretischen Chancen auf den Europapokal. Ein Szenario, das selbst der kühnste kölsche Optimist vor der Saison mit Kusshand genommen hätte.

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Ausgangslage

Sonntagsspiele sind nicht immer unfassbar dankbar. Nachzufragen bei den Freunden vom Niederrhein, die gefühlt jede Woche dann antreten durften, wenn alle anderen Teams schon gespielt hatten. Den effzeh hat dieses Schicksal nicht so häufig getroffen, was sich zweifellos nach dem Einzug in die Europa League in der nächsten Saison ändern dürfte. Ob nun ein gutes oder ein schlechtes Vorzeichen, war vor dem Spiel gegen den FC Schalke 04 zu einhundert Prozent klar: Gewinnt der FC das Ding, ist er komplett durch. Ohne Wenn und Aber. Ohne Rechenspielchen.

Ein letztes Mal mussten die rot-weißen Götter dabei vor einem halbleeren Stehplatzrang spielen. Trotzdem oder gerade deswegen gab es vor dem Duell gegen die Jungs aus dem Ruhrpott wieder mächtig Unruhe vor dem Spiel. Krawalle zwischen beiden Fanlagern waren befürchtet, das Polizeiaufgebot riesig. Denn auch das ist ein besonderer Aspekt dieses Sonntagsspiel: Die Herren in blau-weiß oder grün-weiß haben anders als an Samstagen nicht auch noch anderorts etwas zu tun.

Personal

Peter Stöger hatte angekündigt, dass seine Mannschaft wie schon in den letzten Heimspielen Gas geben wollte. Man wollte also ganz anders auftreten als zuletzt beim mauen Gekicke in Augsburg. Zudem galt es, die Serie von acht Heimspielen ohne Niederlage aufrechtzuerhalten. Die wohl interessanteste Frage war, ob Top-Torjäger Anthony Ujah, immerhin an 13 der 30 Kölner Treffer beteiligt, spielen würde. Unter der Woche hatte der Nigerianer, der eine oder andere Hardcore-Fan hat es vielleicht mitbekommen, heimlich, still und leise seinen Wechsel an die Weser bekanntgegeben.

Ujah durfte spielen, erntete das gesamte Spiel über einen Mischmasch aus Geklatsche und Gepfeife und war ansonsten kein so großer Faktor im Spiel wie Kazuki Nagasawa, der anstelle von Yannick Gerhardt in der Anfangself stand und damit die einzige Änderung gegenüber dem Augsburgspiel darstellte. Auf der der Gegenseite musste man nur einmal auf die Bank schauen, um die Qualität des Gelsenkirchener Kaders zu erkennen. Da schauten beispielsweise Jefferson Farfan und Max Meyer erst einmal nur zu, während Julian Draxler seinen ersten Startelfeinsatz seit ewig bekam.

Spielverlauf

Schon sehr schnell wurde klar: Peter Stöger ließ dieses Mal seinen Worten Taten folgen. Der FC begann druckvoll, sehr agil und für seine Verhältnisse hoch. Hinten stand man wie immer sicher, vorne gab es allerdings ungewöhnlich viel Kombinationsfußball. Mit den beiden quirligen Japanern an Bord wurde die Kugel verhältnismäßig oft am Boden gehalten. Schalke hatte zwar mehr Ballbesitz, doch richtig gefährlich wurde es für Timo Horn so gut wie nie. Im Gegenteil: Weil die Knappen ihre Angriffe nicht konsequent zu Ende spielten und immer wieder an der gewohnt kompakten FC-Defensive hingenblieben, blieb viel Platz für schnelle Umschaltsituationen. Schon nach vier Minuten wurde es durch Ujah und Nagasawa erstmals gefährlich.

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Die beste Schalker Chance hatte der junge Leroy Sane, der einige Male andeutete, dass er ein verdammt guter und schneller Kicker ist, mit einem starken Drehschuss nach zehn Minuten. Der FC dagegen immer wieder mit Fast-Chancen. Der etwas verunsichert wirkende 100-Prozent-Bremer vergab zwei aussichtsreiche Situationen, weil er das Leder nicht richtig kontrollieren konnte. Auch wenn es keine unfassbar spektakulären Chancen auf beiden Seiten gab, wirkte der FC näher dran an der Führung, die dann auch in Minute 34 durch eine blitzsaubere Kombination fiel. Zunächst schickte Kevin Vogt mit einem alle zehn Spiele einmal auftauchenden Geistesblitz Wirbelwind Nagasawa auf links in den Strafraum. Der versuchte es mit einem Schlenzer, den Fährmann in die Mitte abwehrte, wo Risse mutterseelenalleine an Muttertag zur Führung einschob.

Der ein oder andere dachte schon, dass Mergim Mayraj nun umgehend ins Spiel gebracht würde, doch das FC-Mittelfeld, das zusammen seine vielleicht stärkste Saisonleistung zeigte, initiierte stattdessen weitere vielsprechende Angriffe. Zur Pause blieb es allerdings beim 1:0. Dann hatte man erst einmal 30 Minuten Zeit, um Eis zu holen, zu pinkeln und alkoholfreies Kölsch zu bestellen, da auch in der Viertelstunde nach Wiederanpfiff nichts Weltbewegendes passierte bis in der 59. Minute Ujah unter Pfeifgeklatsche ausgewechselt wurde und “Mr. Undercover” Dusan Svento kam. Der hatte zwei Minuten später die mit Abstand auffälligste Szene seiner gesamten Saison, als er nach einem tollen Zuspiel von Nagasawa freistehend vor Fährmann eine hunderttausendprozentige Chance kunstvoll neben das Schalker Gehäuse schlenzte.

Der FC ließ sich auch davon nicht unterkriegen und dominierte das Spiel weiter ohne Probleme. Spätestens als Gerhardt einen Fernschuss von rechts knapp gegen das Außennetz haute, fragte man sich, ob sich das nicht alles rächen würde. Irgendwann müsste schließlich diese so stark besetzte Schalker Offensive doch mal abgehen. Doch die Knappen blieben unglaublich harmlos. Und weil Kapitän Miso Brecko genau das erkannte, marschierte der Slowene in der 89. Minute nach vorne mit der festen Absicht ein Jahrhunderttor zu erzielen. Nach einer flachen Hereingabe von Risse versuchte es Captain Miso mit einem Hackentrick, der ihn bei erfolgreicher Ausführung wohl direkt in die imaginäre Geißbock Hall of Fame gebracht hätte. Weil Yannick Gerhardt seinen Kapitän aber schon etwas länger kennt, hatte er wohl geahnt, dass das Jahrhunderttor nicht gelingen würde. So stand er im Rückraum wiederum komplett ohne Schalker Gegenspieler frei und schob durch die Beine des auf der Linie stehenden Neustädters zur Entscheidung ein. Danach marschierten Risse und Gerhardt jubelnd und Arm in Arm vor die Südkurve. Die “Local Player”, wie sie heutzutage so schön genannt werden, schießen den FC zum Klassenerhalt. Schöner hätten es Jacob und Wilhelm Grimm wohl nicht umdichten können.

Foto-Credits: Dirk Unschuld

Foto-Credits: Dirk Unschuld

Spieler im Fokus

Kazuki Nagaswa: Eine Effzeh-Offensive mit einem spieltauglichen Nagasawa und einem fitten Yannick Gerhardt seit Beginn der Saison? Mindestens Champions League! Die Schalker hatten enorme Probleme mit dem Japaner und bekamen den wieselflinken Floh kaum zu fassen. Nagasawa forderte die Bälle, er bewies Auge und Handlungsschnelligkeit. Auch wenn nicht jede Aktion gelang, eine absolut bärenstarke Vorstellung.

Anthony Ujah: So richtig spurlos ist das Wechseltheater an der Frohnatur nicht vorbeigegangen. Ein wenig gehemmt und verunsichert wirkte der Nigerianer schon. Auch bei der Feierei am Ende hielt sich der sonstige Vorsänger zurück, lediglich im geschützen Kreis der Mannschaften rastete er aus. Stöger wollte ihm die Pfiffe dann auch nicht ersparen und wechselte ihn frühzeitig aus.

Rest: Eine derart geschlossen starke Vorstellung, die von Anfang bis Ende stimmte, hat der Aufsteiger in dieser Saison wohl noch nicht hingelegt. Angefangen von einer erneut äußerst soliden Abwehr, in der auch Captain Miso eine saubere Leistung zeigte, über ein kompaktes und ideenreiches Mittelfeld und einen Sturm, in dem vor allem der umtriebige Osako als Anspielstation stark agierte, bis zu bärenstarken Bankspielern wie Yannick Gerhardt – es war einfach eine starke Mannschaftsleistung.

Fazit

Bestes Wetter, bester Fußball, beste Laune. Wer am Sonntagabend nicht mit einem wohligen Gefühl aus dem RheinEnergie Stadion schlenderte, der ist als Kind wohl in eine emotionale Eistonne gefallen. Dieser FC machte Spaß und holte sich so den verdienten Klassenerhalt nach einer für einen Aufsteiger äußerst soliden Saison. Es war nicht immer alles schön anzuschauen, doch das interessiert am Ende dann ja doch niemanden mehr.

Und wenn de Sonn schön schingk, weed et Wedder widder wärm, dann nemmt dä Effzeh de Schalker op d’r Ärm, und dann blieve mer drin, jo dat deit uns all su jot, su jot…

1. FC Köln: Horn – Brecko, Maroh, Wimmer, Hector – Vogt, Lehmann – Risse, Nagasawa (70. Gerhardt) – Osako (90. Mavraj), Ujah (58. Svento)

FC Schalke 04: Fährmann – Höger, Höwedes, Nastasic, Aogo – Neustädter, Goretzka (75. Barnetta) – Draxler (64. Meyer), Boateng (58. Farfan), Sané – Choupo-Moting

Tore: 1:0 Marcel Risse (34.), 2:0 Yannick Gerhardt (89.)

Gelbe Karten: Jeffferson Farfan (65.), Benedikt Höwedes (67.), Jonas Hector (69.)

Schiedsrichter: Wolfgang Stark (Landshut)

Zuschauer: 46.500

*Aufgrund zuletzt geäußerten Beschwerden sind alle Wetterangaben des Redakteurs ohne Gewähr. Sämtliche Wetterseiten sahen den Sonntag bei 20 Grad Celsius, mit Sonnenschein und ohne Niederschlag. Kaiserwetter bedeutet laut Wikipedia “sonniges Wetter bei tiefblauem, wolkenlosen Himmel”. Wer eine Wolke erkannt hat, darf sie behalten. Wer Wikipedia doof findet, darf auch gerne andere Lexika bemühen.

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