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Nachspiel

Vom Aufstehen und Fallen

1:1 im Nachbarschaftsduell: Joker Bard Finne bringt Müngersdorf mit seinem Ausgleichstreffer zum Kochen und sichert einem starken effzeh den verdienten Zähler.

Foto: Dirk Unschuld
Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

“Ich würde mal sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass wir nächste Saison auch Bundesliga spielen, sehr hoch ist“ – das waren so ungefähr die ersten und einzigen Worte, die ich am Sonntagfrüh von Jörg Schmadtke im sagenhaft unnötigen Sport1-Doppelpass bewusst vernommen habe. Und damit lag der effzeh-Sportgeschäftsführer einen Tag nach dem 1:1 gegen Leverkusen goldrichtig.

Denn: Die Jungs mit dem Geißbock auf der Brust hatten nicht nur einen weiteren Zähler im Kampf um den Klassenerhalt eingesackt. Nein, sie hatten gegen einen Champions-League-Achtelfinalisten, der erneut die prall gefüllten Fleischtöpfe der „Königsklasse“ anpeilt, einen starken Auftritt hingelegt und einen unverdienten Rückstand ebenso weggesteckt wie eine hanebüchene Elfmeterentscheidung.

Held des Tages war ein kleiner Norweger: Bard Finne, kurz zuvor erst eingewechselt, brachte Müngersdorf durch seinen 1:1-Ausgleich in der 83. Minute zum Kochen. Es war die Konsequenz eines kölschen Kraftakts: Man war gestolpert, aber man wollte in diesem Nachbarschaftsduell nicht einfach so hinfallen. Und selbst wenn man mit dem Hosenboden im Dreck landet: Kurz schütteln, Dreck abklopfen und weiter geht die wilde Fahrt!

Ausgangslage

(K)Ein Derby? Es ging schon vor dem Duell heiß her: Am „Doping“ nahe der Sporthochschule trafen Anhänger der beiden rheinischen Rivalen zum unfriedlichen Tête-à-Tête aufeinander und tauschten diverse Nettigkeiten aus. Deutlich gesitteter ging es im Vorfeld bei den Verantwortlichen zur Sache: Nach dem Verbal-Scharmützeln nach dem 1:5 im Hinspiel gab man sich betont gelassen und versuchte den Druck aus dem Kessel zu nehmen. Erschreckend allerdings, dass nicht nur im Gästebereich, sondern auch auf Kölner Seite Plätze frei blieben!

Sportlich ist es sicherlich keine Partie auf Augenhöhe: Auf der einen Seite der Aufsteiger, der im Kampf um den Klassenerhalt einen wichtigen Schritt machen wollte, aber zuhause teils auf den harten Kern seiner Anhängerschaft verzichten muss. In der anderen Ringecke der etablierte Champions-League-Teilnehmer, der mit dem anderen rheinischen Rivalen aus Mönchengladbach um Platz drei streitet. Die Vorzeichen schienen also klar: David gegen Goliath, Underdog gegen Platzhirsch!

Personal

Beim effzeh fehlte weiterhin der angeschlagene Deyverson sowie die Langzeit-Verletzten Pawel Olkowski und Patrick Helmes. Dagegen kehrte Marcel Risse nach überstandenen muskulären Problemen zurück in die Startelf, die auch Yannick Gerhardt bereichern sollte. Für Slawomir Peszko und Kazuki Nagasawa blieb zunächst nur der Bankplatz.

Die Gäste mussten dagegen auf einen wichtigen Mann verzichten: Gonzalo Castro wird nach Meniskus-OP den Rest der Saison fehlen, ihn ersetzte Routinier Simon Rolfes, der gefühlt in nahezu jedem Spiel gegen den effzeh getroffen hat. Außerdem brachte Bayer-Coach Roger Schmidt Karim Bellarabi für Julian Brandt.

Foto: Dirk Unschuld

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Spielverlauf

Das Kräfteverhältnis in der Anfangsphase entsprach der Ausgangslage: Der effzeh legte Wert auf die Defensivarbeit, die Gäste vom Bayer-Kreuz versuchten ihren starken Angriff ins Spiel zu bringen. Zwingende Möglichkeiten entstanden allerdings nicht: Einen Papadopoulos-Kopfball (10.) konnte effzeh-Keeper Timo Horn ebenso locker abfangen wie Benders harmlose Distanzschüsse (8./14.). Als es so wirkte, als lege sich Bayer den Gastgeber wie ein guter Boxer zurecht, hatten die Geißböcke die erste Großchance des Spiels: Osako verarbeitete Vogts Diagonalball klasse, profitierte von einem Ausrutscher eines Bayer-Verteidigers und schloss aus spitzem Winkel ab, aber Leno parierte reaktionsschnell (29.).

Der nächste Aufreger folgte kurz vor dem Halbzeitpfiff im Kölner Strafraum: Kießling legte den Ball an Maroh vorbei und fiel wie vom Blitz getroffen. Schiedsrichter Aytekin fiel, wie schon in der Schlussphase in Mönchengladbach, auf die Aktion herein und zeigte auf den Punkt. Eine weder „grenzwertige“ noch strittige Entscheidung, es war schlichtweg ein Fehler. Juckte Timo Horn nicht, denn der junge Kölner behielt im Duell mit Calhanoglu einfach die Oberhand. So von Rondorfer zu Rondorfer: Timo, du bist ein Fußballgott!

Das brachte den „Geißböcke“ den nötigen Schwung, der effzeh war zu Beginn der zweiten Hälfte das dominierende Team. Risse hatte bei seinem ersten Nachbarschaftsduell im FC-Trikot beinahe Glück, als sich eine abgefälschte Flanke Richtung langen Pfosten senkte, doch Leno war erneut zur Stelle (51.). Nur kurz darauf war es erneut der Ex-Leverkusener, der für Gefahr sorgte: Nach Klassezuspiel von Vogt war der starke Flügelflitzer auf und davon, brachte den Ball aber von halbrechts nicht auf den Leverkusener Kasten (58.).

Als der effzeh gerade komplett Oberwasser zu bekommen schien, schlug Bayer im Stile einer Spitzenmannschaft eiskalt zu. Der bis dato völlig abgetauchte Bellarabi brachte Joker Julian Brandt ins Spiel, der Youngster ließ Horn von der Strafraumgrenze keine Abwehrmöglichkeit (60.). Selten lag die Reporterfloskel „Wie aus dem Nichts“ so nahe wie bei diesem Gegentreffer. Das Kölner Publikum reagierte grandios: Statt Murren und Meckern oder gar Pfiffe erhob es sich von seinen Sitzen und feuerte das Team nochmals an.

Es war der Auftakt zu großartigen 30 letzten Minuten. Denn die Befürchtung, Bayer könnte seine Konterstärke ähnlich effektiv ummünzen wie im Hinspiel, war fehl am Platze – es spielte nur noch der glorreiche 1. FC Köln. Der auffällige Risse schlenzte einen Freistoß haarscharf am Winkel vorbei (67.), Ujahs Kopfball verfehlte das Bayer-Tor ähnlich knapp (75.). Doch auch die Gäste hatten ihre Chance: Einen abgelenkten Pass erwischte Kießling per Kopf deutlich vor dem herausstürmenden Horn, setzte den Ball aber neben das Tor (73.), nur wenige Augenblicke nach Risses Freistoß wurde Bellarabi auf dem Weg zum 2:0 von Aytekin zu Unrecht zurückgepfiffen (68.).

Foto: Dirk Unschuld

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Stöger wechselte in der Zwischenzeit offensiv ein, brachte Peszko (67. für Gerhardt), Finne (77. für Brecko) und Nagasawa (82. für Lehmann) die Partie. Mut, der sich prompt auszahlen sollte: Risse schlug den Ball in die Mitte, wo sich Ujah im Luftduell gegen Toprak behauptete. Finne stand dank Jedvajs Ausrutscher völlig blank und schoss alle Kölner durch seine Direktabnahme ins Glück (83.). Das erste Bundesliga-Tor des kleinen Norwegers – und was für ein wichtiges. Bard, du hast dich in Köln bereits jetzt in die Geschichtsbücher geschossen!

Doch die Partie war noch nicht zu Ende – der effzeh bekam durch den Ausgleich noch einmal die zweite Luft. Risse probierte es von der Mittellinie mit einem Kunstschuss und verfehlte das Tor nur um wenige Zentimeter (85.), kurz danach schoss Vogt Toprak an (87.). Bayer taumelte ins Ziel und rettete letztlich glücklich einen Zähler, während der effzeh gegen ein Spitzenteam eine starke Leistung gezeigt hatte.

Spieler im Fokus

Timo Horn Präsentierte sich unter den wachsamen Augen von Thomas Schneider reaktionsschnell und gewohnt sicher. Den Elfmeter von Calhanoglu parierte er souverän, sah jedoch bei Kießlings Großchance nicht sonderlich gut aus. War im Duell gegen U21-Nationalmannschaftskollege Bernd Leno der Punktsieger!

Jonas Hector Kochte seinen DFB-Kollegen Bellarabi nach allen Regeln der Kunst ab. Im Ballvortrag eine Augenweide, läuferisch weiterhin bärenstark und auch offensiv präsent. Im Endspurt in herausragender Verfassung!

Fazit

Einen weiteren redlich verdienten Punktgewinn kann sich der effzeh anschreiben lassen. Gegen das Leverkusener Spitzenteam überzeugt die Stöger-Elf in (fast) allen Belangen und hätte am Ende sogar gewinnen können. Der Auftritt der Mannschaft, insbesondere nach dem Rückstand, macht Lust auf mehr – es steckt noch einiges an Potenzial im Team!

Mit Blick auf die letzten vier Spiele und sieben Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz können Schmadtke, Stöger und Co bereits für die nächste Saison in der Bundesliga planen. So stabil, wie sich das Team aktuell präsentiert, ist sowohl in Augsburg und Mainz als auch bei den Heimspielen gegen Schalke und Wolfsburg Zählbares zu holen.

Foto: Dirk Unschuld

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Die Statistik des Spiels

1. FC Köln: Horn – Brecko (77. Finne), Maroh, Wimmer, Hector – Lehmann (82. Nagasawa), Vogt – Risse, Gerhardt (67. Peszko) – Osako, Ujah

Bayer 04 Leverkusen: Leno – Hilbert, Toprak, Papadopoulos (64. Jedvaj), Wendell – Rolfes (60. Drmic), Bender – Bellarabi, Calhanoglu, Son (54. Brandt) – Kießling

Tore: 0:1 Brandt (60.), 1:1 Finne (83.)

Gelbe Karten: Rolfes (18.), Son (24.), Gerhardt (44.), Wimmer (55.), Toprak (93.)

Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach)

Zuschauer: 45.600

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