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Ehrentribüne

Himmlisch jeck in Minga

Die jüngere effzeh-Historie an Karneval ist reich an großen Enttäuschungen. Und an einer großen Überraschung. effzeh.com erinnert sich.

© KÖLN-SÜD
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Auch wenn die letzten 20 Jahre in Sachen effzeh wahrlich nicht zu denen gehört, die man jedem normalen Menschen zweifelsfrei ans Herz legen möchte: Es gab sie, diese Momente, die im Rückblick zu den “Weißt du noch damals…”-Momente avancierten. Auch in der jüngeren Vergangenheit. Novakovics Freistoß im Derby im Wellblechpalast nahe der niederländischen Grenze beispielsweise.

Einen weiteren rief mir das Spiel gegen Greuther Fürth zurück ins Gedächtnis. Ich schaute vor der Partie so neben meinem Kollegen über die Aufstellung des Gegners – und sah ihn. Daniel Brosinski. Kaum ausgesprochen, grinsten wir uns an. Und dachten beide an einen unvergesslichen Tag im Leben des glorreichen 1. FC Köln. Einem Karnevalssamstag nach echter kölscher Art.

Das Sessionsmotto gibt die Richtung vor

Eigentlich sieht die effzeh-Bilanz an Fastelovend schlechter aus wie die der deutschen Bobfahrer in Sotschi.  Reihenweise versuchten sich die Heroen mit dem Geißbock auf der Brust, dem eigenen Anhang die Karnevalstage möglichst effektiv zu vermiesen. Ein 0:5 beim Zweitligaletzten Rot-Weiss Essen ist sicherlich der Höhepunkt dieser Ambitionen. Auch so ein “Weißt du noch damals”-Moment – allerdings einer, der bei effzeh-Fans für Gänsehaut gruseligster Art sorgt.

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Vor fünf Jahren war alles anders. 21. Februar – kurz nach dem 61. Geburtstag des glorreichen 1. FC Köln, der 2009 auch auf Freitag, den 13. fiel. Ein Zeichen. Vielleicht lag es aber auch am Sessionsmotto. Himmlisch jeck – wer, wenn nicht die höheren Mächten, könnten den effzeh auch zu einem Sieg am Karnevalssamstag führen? Mondragon, Brecko, McKenna, Geromel, Matip, Vucicevic, Petit, Brosinski, Pezzoni, Ehret, Novakovic, Sanou, Broich, Boateng – so hießen die 14 rot-weißen Götter, die den Anhang auf Wolke Sieben hoben.

Mit einem Sieg. Nein, nicht irgendeinem Sieg. Einem Triumphzug. Beim FC Bayern (die Älteren unter uns erinnern uns an Zeiten, da konnte man den ßuper, ßuper Rekordmeister noch schlagen). Schon zuvor sorgte die Abgesandten des rheinischen Brauchtums für Furore in der bajuwarischen Metropole. Stimmungsvoll und mit ordentlich kölschem Liedgut fielen Elefanten, Piraten, Sträflinge und Konsorten in München ein – die Einheimischen wussten nicht, wie ihnen geschah.

Klinsmann gegen Daum – ein Trainerduell der besonderen Art

Ich erinnere mich an eine Hinfahrt der besonderen Art: Freitags Abends noch ein unsinninges Testspiel lauter Jecke in Alfter, danach Vollgas auf die Tour nach München vorbereiten. Im ICE dank der ganzen LIDL-Ticketmenschen wie mir auf der Treppe gesessen, stark vorgeglüht. Angekommen, Sachen verstaut, anwesende Freunde eingesammelt – un aff jing die kölsche Post im verschneiten München!

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Messias Daum setzte auf Brosinski, der erstmals in der Startaufstellung stand und gefühlt sein einziges Spiel für den effzeh dort absolvieren sollte. Auf der Gegenseite standen unter anderem Franck Ribery (mittlerweile Fast-Weltfußballer), Bastian Schweinsteiger (mittlerweile Fast-Chef) und Miroslav Klose (mittlerweile Fast-Fußballrentner). Auf der Bank der Bayern saß ein gewisser Jürgen Klinsmann, der den Rekordmeister zu neuen Höhen führen sollte.

Diese bestanden erstmal aus einer Lehrstunde in Konterfußball seitens der heiligen Geißböcke. Szenen, die sich trotz Fastelovendsstimmung ins Gedächtnis eingebrannt haben. Ehret düpiert Demichelis und schiebt zum 1:0 ein. Unfassbarer Jubel im Gästeblock, kölsche Tön in München. Zuvor hatte unser Ehrenmitglied Babak Rafati mehrmals in knappen Situation zu unseren Gunsten entschieden. Es sollte aber noch vor der Pause noch besser kommen: Vucicevic narrt Lahm, passt in die Mitte, wo Brosinski zum 2:0 vollendet. Ausgerechnet Brosinski. Geschichten, die nur der Fußball schreibt. Kollektiver kölscher Wahnsinn – himmlisch jeck in Minga!

Wo liegt nochmals die Hafenstraße?

Bis zum selten so heiß ersehnten Schlusspfiff verteidigten unsere Helden auf dem Rasen die Führung, unsere Helden im Gästeblock sangen ein kölsches Karnevalslied nach dem anderen. Der treue Husar allen voran. “Ein ganzes Jahr – und noch viel mehr – die Liebe nahm kein Ende mehr” – und dieses Spiel schien so etwas wie der vorläufige Höhepunkt meiner Liebesbeziehung zu sein. Daran änderte auch der Anschlusstreffer durch van Buyten nichts mehr. Der Sieg war unser – ein Triumph zur rechten Zeit. An Karneval. Wer mochte sich da noch an die Hafenstraße in Essen erinnern?

Nicht nur in Köln floss das Bier in Strömen, auch in München machten die kölschen Jecken die Nacht zum Tag. Superjeilezick. Verkleidet oder auch nicht: Drissejal, wir hatten die Bayern besiegt. Dank Daniel Brosinski.  Grinsen im Gesicht, wie eingemeißelt. Ich hörte erstmals von einem Bekannten, der dank Fastelovendssuff inklusive der Karten für seine Kollegen verpennt hatte – und bei diesem sensationellen Tag nicht dabei war. Ich traf Vereinskollegen, gute Freunde, alte Bekannte. Keiner konnte es fassen. Nur beim skandalösen Pokal-Aus in Augsburg (übrigens ganz knapp vor Karneval!) hatte ich mehr SMS auf dem Handy nach Spielende.

Am nächsten Tag ging es für mich zurück nach Kölle, wo ich abends in der Stammkneipe beim Schocken keine einzige Runde übernehmen sollte. Fünf Stunden lang. Unbesiegbar. Noch so ein “Weißt du noch damals”-Moment.

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