Testspiele und ihre Aussagekraft – immer Interpretationssache. Wie weit sind die einen? In welcher Phase der Vorbereitung stecken die anderen? In Kölner Kreisen erinnern sich die Anhänger gerne an ein 9:1 gegen den amtierenden russischen Meister ZSKA Moskau in der Winterpause 2003/2004. Am Ende stand nicht der Einzug ins internationale Geschäft, der diesem Erfolg angemessen wäre, sondern der bittere Gang in die 2. Bundesliga. Sang- und klanglos war der glorreiche effzeh im Anschluss an diesen Kantersieg abgestiegen. Was diese Geschichte mit dem Spiel gegen Schalke 04 zu tun hat? Testkicks sagen alles aus – und auch nichts. Reine Interpretationssache!
Der Spielverlauf
Beide Seiten probierten viel aus: Der effzeh, der auf Helmes, Gerhardt und Bruno Nascimento verzichten musste, versuchte sich in der Defensive einzuigeln und durch überfallartige Angriffe den Weg nach vorne zu suchen. Schalke setzte derweil auf ein 4-1-4-1-System, das in der Rückrunde die entsprechende Fortschritte bringen soll.
In der ersten halben Stunde sollte der Plan der Geißböcke deutlich besser aufgehen. Nicht zuletzt deswegen, weil Slawomir Peszko dem grausig schwachen Uchida den Ball stahl. Und dann Anthony Ujah auf die Reise schickte, der erst an S04-Torwart Fährmann hängen blieb, aber im Nachsetzen die Kölner Führung besorgte.
Die königsblauen Gäste wirkten dagegen angesichts der guten Defensivordnung des effzeh oft einfallslos, blutleer und pomadig. Einzig Kevin-Prince Boateng hob sich von seinen Mitspielern ab: Immer wieder forderte der Star-Neuzugang vom AC Mailand den Ball und übernahm Verantwortung. Ansonsten machte es Schalke der effzeh-Defensive durch viele Fehlpässe und wenig Tempo selten schwer.
Gleichzeitig verpassten es die Geißböcke aus den entstandenen Ballgewinnen mehr Kapital zu schlagen und offensiv mehr Durchschlagskraft zu erlangen. Der Champions-League-Teilnehmer kam so vor dem Pausenpfiff noch zum Ausgleich. Jefferson Farfan zirkelte einen Freistoß aus 18 Metern wunderschön über die effzeh-Mauer und ließ Timo Horn keine Abwehrchance.
Das schockte den effzeh, der in der Pause mehrfach wechselte, jedoch nicht: Direkt nach Wiederanpfiff schob Thomas Bröker auf Zuspiel von Maurice Exslager zur erneuten Kölner Führung ein. Schalke reagierte, wie es schon in Halbzeit eins reagiert: Gar nicht. Uninspiriert hatte nur Max Meyer die Chance zum Ausgleich, die der eingewechselte Thomas Kessler per Glanztat zunichte machte.
Auf der Gegenseite wurde es immer dann gefährlich, wenn Maxi Thiel an den Ball kam: Erst verhinderte Fährmann einen Treffer des U20-Nationalspielers, danach blockte Uchida den Versuch des Offensivmanns. Im effzeh-Strafraum wurde es dagegen erst kurz vor Abpfiff wieder brenzlig: Nach einem McKenna-Foul an Goretzka gab es in der Schlussminute einen Elfmeter für die Königsblauen, den Jefferson Farfan jedoch an die Latte nagelte.
Die Erkenntnisse
Das Spiel hat gezeigt: Der 1. FC Köln ist bereits größtenteils erstligareif. Zwar hakt es an der einen oder anderen Stelle noch, aber für den Stand der Vorbereitung war die Leistung unserer rot-weißen Götter mehr als anständig. Während die Schalker ihr Trainingslager schon absolviert haben und nächste Woche in den regulären Spielbetrieb einsteigen, reist der effzeh erst am kommenden Dienstag nach Belek ab und bereitetet sich dort auf den Pflichtspielstart ins neue Jahr am 9. Februar vor.
Überzeugen konnte vor allen Dingen die taktische Grundordnung. Wie schon in den Pokalspielen gegen Mainz 05 und den Hamburger SV lies der effzeh in der Defensive wenig Gefährliches zu und unterband die Angriffe des Gegners früh in der eigenen Hälfte. Zwar sah es dabei oft so aus, als sei der Gegner überlegen, doch war dieses Übergewicht stets nur optisch. Durch aggressives Zweikampfverhalten und einem cleveren Rückzugsverhalten inklusive gutem Verschieben machten die Geißböcken den Schalkern das Leben schwer und konnten den Ball häufig erobern.
Dort setzt der größte Kritikpunkt an: Im Offensivspiel und der Umschaltbewegung ist deutlich Luft nach oben. Zu oft ging der so eben eroberte Ball durch unachtsames Passspiel oder wenig Spielübersicht wieder verloren. Auch das Verhalten bei der Klärung der Kugel muss verbessert werden. Entweder glichen die Szenen in der Abwehr einem Pingpongspiel oder aber es wurde blind herausgeschlagen, so dass Schalke leicht wieder in Ballbesitz kam. Gegen eine gute Mannschaft werden solch hektischen Bemühungen bestraft werden.
Dennoch: Nicht nur Peter Stöger wird mit diesem Test zufrieden sein. Das Team hat gezeigt, dass es – trotz des Ausfalls zweier Stammspieler – auch auf diesem Niveau nicht hoffnungslos unterlegen, sondern mithilfe einer veränderten taktischen Ausrichtung durchaus konkurrenzfähig ist. Das gilt auch für Einzelspieler, die ihr Können noch nicht auf Bundesliga-Niveau zeigen durften. Stellvertretend sei hier Jonas Hector genannt, der es hinten links in der Viererkette mit Jefferson Farfan zu tun bekam und diese Aufgabe souverän meisterte.
1. FC Köln: Timo Horn (46. Thomas Kessler) – Miso Brecko, Dominic Maroh (66. Roman Golobart), Kevin Wimmer (66. Kevin McKenna), Jonas Hector (88. Kazuki Nagasawa) – Matthias Lehmann (88. Bard Finne), Adam Matuschyk (75. Fabian Schnellhardt)– Marcel Risse (46. Maxi Thiel) , Daniel Halfar (46. Mato Jajalo), Slawomir Peszko (46. Maurice Exslager) – Anthony Ujah (46. Thomas Bröker)
FC Schalke 04: Ralf Fährmann – Atsuto Uchida, Kyriakos Papadopoulos (46. Felipa Santana), Joel Matip, Christian Fuchs (66. Sead Kolasinac) – Roman Neustätter – Chinedu Obasi (66. Leon Goretzka), Kevin-Prince Boateng, Max Meyer, Jefferson Farfan – Adam Szalai (81. Donis Avdijaj)
Tore: 1:0 Anthony Ujah (18.), 1:1 Jefferson Farfan (42.), 2:1 Thomas Bröker (46.)
Besondere Ereignisse: Farfan verschießt Foulelfmeter (90.)
Zuschauer: 19.467