Welch grausame Geschichten der DFB-Pokal doch schreiben kann: Während die Spieler des FC Schalke 04 den Achtelfinaleinzug gemeinsam mit ihren Fans feierten, weinte der 1. FC Köln bittere Tränen. Einen packenden Pokalfight hatten die „Geißböcke“ abgeliefert und dem favorisierten Erstligisten über mehr als 120 Minuten in begeisternder Form Paroli geboten. Dass am Ende für den effzeh ein bitteres Aus statt des verdienten Weiterkommens steht, ließ nach dem couragierten Auftritt enttäuschte Gesichter im Müngersdorfer Stadion zurück. Es fehlte im Elfmeterschießen nur der letzte Schritt, um die Überraschung perfekt zu machen.
„Die Enttäuschung überwiegt. Wir haben ein gutes Spiel gemacht, sind in Führung gegangen, haben es aber leider nicht geschafft, sie bis zum Ende zu verteidigen. Elfmeterschießen ist ein bisschen Glückssache. Leider waren wir am Ende der Verlierer. Man hat gesehen, dass wir stark waren und Tormöglichkeiten hatten. Ich denke, so wie wir als Zweitligist aufgetreten sind, können wir stolz auf die Leistung sein“, erklärte Louis Schaub nach der Partie. Gerade der Österreicher hatte den Schalkern immer wieder Probleme bereitet, insgesamt war die Kölner Offensive gut aufgelegt, nutzte den sich im Vergleich zu den Duellen in der 2. Bundesliga geradezu üppig bietenden Raum für ansehnlichen Kombinationsfußball und erarbeitete sich über weite Strecken der Partie ein optisches Übergewicht gegen den Favoriten. Einzig: Der letzte Schritt fehlte.
Cordoba überzeugt von Beginn an
Denn: Die klaren Torgelegenheiten fehlten oft trotz diverser Angebote der schwachen Gäste, immer wieder verzettelten sich die „Geißböcke“ am gegnerischen Sechzehner. Ein gewohntes Bild, wenngleich die Außenseiterrolle dem effzeh zu behagen schien. Das lag auch an einer überraschenden Umstellung: Jhon Cordoba stand anstelle des Kölner Torjägers Simon Terodde in der Startformation – und der Kolumbianer rechtfertigte das Vertrauen von effzeh-Coach Markus Anfang. Robust im Zweikampf, dynamisch im Antritt und abschlusswillig zeigte sich der oft gescholtene Angreifer als steter Unruheherd. Sein abgefälschter Abschluss war es letztlich, der die ansehnlichen Kölner Offensivbemühungen in der ersten Hälfte krönte. Das 1:0 war durchaus verdient, trat der effzeh gegen recht phlegmatisch agierende Schalker doch nicht nur mutig auf, sondern zeigte auch die reifere Spielanlage.
Dass die Kölner nicht von ihrem normalen Plan, Fußball zu spielen, abweichen wollen, das hatte Anfang bereits im Vorfeld der Partie deutlich gemacht. Gegen Schalke bekam das Publikum einen Eindruck, wie es in Spielen aussieht, in denen der effzeh nicht der Favorit ist. In vorderster Reihe aggressiv gegen den Ball, den Gegner über das ganze Feld permanent unter Druck setzen und zu Ballverlusten zwingen – das gelang den Jungs mit dem Geißbock auf der Brust über weite Phasen der Partie großartig. Doch auch im Spiel mit Ball zeigten die Kölner, dass sie fußballerisch nicht nur mithalten, sondern eine Begegnung auch diktieren können. Passstafetten über mehrere Stationen, mutiges Umschalten und das Suchen von Eins-gegen-Eins-Situationen: Der effzeh machte Königsblau das Leben in allen Belangen enorm schwer. Das machte trotz des fehlenden Happy Ends Hoffnung für das Auswärtsspiel in Hamburg.
Anfang: “Wir müssen das Gute mitnehmen”
„Gefühlt waren wir besser und bekommen dann durch einen unglücklichen Elfmeter in der 88. Minute das Gegentor. Das ist natürlich wahnsinnig bitter, zumal wir auch in der Verlängerung die bessere Mannschaft waren. Im Elfmeterschießen kann immer alles passieren. Ich hoffe, dass diese Leistung uns Mut und Selbstvertrauen gibt. Wir müssen das Gute mitnehmen und in die Liga transportieren“, gab effzeh-Coach Anfang die Marschroute nach den packenden 120 Minuten plus Elfmeterschießen aus. Dass es überhaupt so weit kommen musste, muss sich die Mannschaft ein wenig selbst ankreiden: Die sich bietenden Kontergelegenheiten bei Führung konnte der Zweitliga-Spitzenreiter ebenso wenig nutzen wie eine zwischenzeitliche Überzahl (Mendyl konnte erst mit dem vierten Wechsel in der Verlängerung ersetzt werden) und den äußerst mutigen Auftritt in den zusätzlichen 2×15 Minuten.
Ich hoffe, dass diese Leistung uns Mut und Selbstvertrauen gibt. Wir müssen das Gute mitnehmen und in die Liga transportieren!
Die mangelnde Zielstrebigkeit im letzten Drittel bestrafte S04 kurz vor Schluss – und war dabei mit dem Glück im Bunde. Czichos sprang der Ball mehr zufällig denn gewollt an den Arm, Schiedsrichter Harm Osmers entschied nach kurzem Zögern auf Strafstoß, den Bentaleb souverän verwandelte und die Knappen in die Verlängerung schoss. Der Elfmeterpfiff war, wenngleich letztlich berechtigt, nicht die einzig umstrittene Entscheidung des Unparteiischen, der mitunter die Kontrolle über das hitzige Geschehen auf dem Platz zu verlieren drohte. Gerade auf Kölner Seiten mehrten sich die Beschwerden, die letztlich in der Verlängerung ihren Höhepunkt nahmen: Mark Uth verhinderte einen Seitenwechsel von Jonas Hector mit einer skurrilen Volleyball-Einlage – ganz Köln forderte den Platzverweis des bereits gelb verwarnten Angreifers. Osmers ließ allerdings Gnade vor Recht ergehen und beließ es bei einer mündlichen Ermahnung – eine klare Fehlentscheidung, die selbst der Schalker nach der Partie eingestehen musste.
Ausgerechnet Uth sorgt für die Entscheidung
So kam es, wie es kommen musste – das Elfmeterschießen wuchs zu einem gigantischen „Ausgerechnet“ heran. Ausgerechnet Marco Höger, von 2011 bis 2016 für Schalke aktiv, trat als erster Kölner Schütze an und scheiterte mit seinem schwachen Versuch an S04-Ersatzkeeper Nübel. Als alles danach aussah, als würde der Favorit dank souverän verwandelter Strafstöße mit einem blauen Auge davonkommen, schlug das Stündlein für Nabil Bentaleb: Der Schalker provozierte erst auf dem Weg zum Strafraum Marcel Risse, der den effzeh zuvor vom Punkt im Spiel gehalten, und scheiterte dann kläglichst an Timo Horn. Ausgerechnet Bentaleb, der in der regulären Spielzeit noch eiskalt verwandelt hatte. Ein Happy End für die Jungs mit dem Geißbock auf der Brust lag in der Luft, doch mehr als schnuppern konnten die Anfang-Schützlinge nicht am Überraschungscoup. Nach Drexlers Fehlschuss war es ausgerechnet Mark Uth, der den entscheidenden Elfmeter verwandelte. Ausgerechnet Uth, der in der effzeh-Jugend ausgebildet wurde und im vergangenen Sommer vor einem Wechsel zu seinem Heimatverein stand. Ausgerechnet Uth, der nach seinem Handspiel gar nicht mehr hätte auf dem Platz stehen dürfen.
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— Marco Höger (@MarcoHoeger) November 1, 2018
So sorgte das Endergebnis für einen bitteren Nachgeschmack, obwohl die Leistung durchweg positiv stimmte. Gegen den Vizemeister des Vorjahres rief der effzeh sein Potenzial ab und tat somit was für das eigene Selbstvertrauen. „Wir wollten so auftreten, dass kein Klassenunterschied zu erkennen ist – und ich glaube, das ist uns gelungen. Auf die Art und Weise, wie wir gespielt haben, können wir aufbauen und auch ein Stück weit stolz sein“, betonte der kreuzunglückliche Marco Höger im Anschluss. Es fehlte letztlich nur ein Schritt, um den Favoriten Schalke aus dem Pokal zu kegeln. Das ist traurig, aber kein Beinbruch. Nach der Kür kommt die Pflicht – und die heißt am Montag: Hamburger SV!