Vergangenes Jahr um diese Zeit schlug der 1. FC Köln seine Zelte im Trainingslager im spanischen Benidorm auf, bereitete sich auf die Rückrunde vor und spielte Testspiele gegen Mechelen, Charleroi und den KRC Genk. Von spielerischer Qualität sind solche Spiele oft nicht gesegnet, dienen sie doch oft lediglich dazu, taktisch neue Dinge auszuprobieren, Automatismen einzustudieren, Neuzugänge zu integrieren, Spieler auf Positionsfremden Positionen zu testen oder schlichtweg die bereits vorhandene Spielphilosophie weiter zu entwickeln oder zu verfestigen.
In dieser Saison ist bekanntermaßen vieles anders. Es gibt kein Trainingslager in der Sonne für die 18 Bundesligisten, nur eine Woche Pause gönnte die Bundesliga sich und seinen Fans zwischen den Jahren, bevor bereits am 2. Januar der Spielbetrieb mit dem 14. Spieltag wieder aufgenommen wurde. Wer jedoch das Glück hatte, sich kurz nach Silvester das Heimspiel des 1. FC Köln gegen den FC Augsburg ansehen zu dürfen und dabei vergaß, dass dieses im Müngersdorfer Stadion stattfand, der konnte denken, er hätte in eines jener traditionellen Januartestspiele reingezappt.
Heiligt der Zweck wirklich alle Mittel?
„Spielerisch überschaubar“ ist noch eine äußerst geschönte Beschreibung für das, was die beiden Mannschaften letzten Samstag auf das Kölner Spielfeld brachten. Da der 1. FC Köln dieses Spiel am Ende auch noch 0:1 verlor, sind Beschreibungen wie „fußballerischer Offenbarungseid“ schon eher angebracht. Oder wie Trainer Markus Gisdol es nach dem Spiel für den Geschmack vieler ein bisschen sehr diplomatisch formulierte: „Wir haben ein ausgeglichenes Spiel gesehen, wo beide hinterher mit einem Unentschieden wohl okay gewesen wären.“
“Wir dürfen die Defensive nicht vernachlässigen, müssen die Offensive aber mehr ins Spiel bekommen und zu mehr Torchancen kommen.”
Spielerisch viel mehr erwarten darf man vom 1. FC Köln in den nächsten Spielen nicht, dies ließ der schwäbische Cheftrainer der “Geißböcke” auf der Pressekonferenz vor der Abreise nach Freiburg durchklingen: „Wir brauchen Geduld und werden nicht Hurra spielen. Wir wollen Punkte holen. Wie schön der Fußball dabei ist, ist für mich im Moment zweitrangig.“ Es ist nicht klar, ob diese Aussagen eine Drohung an die eigenen Fans darstellen sollten, aber wer beim Lesen dieser Zeilen oder vielleicht auch beim Anschauen der Pressekonferenz spontan froh ist, dass Auswärtsspiele nach Freiburg weiterhin nicht möglich sind, dem sei an dieser Stelle vergewissert, dass er mit diesen Gedanken nicht alleine ist.
Ob der Zweck des Klassenerhalts tatsächlich alle spielerischen Mittel heiligt, die Frage muss sich der 1. FC Köln allerdings stellen. Gewiss, wenn man am 34. Spieltag auf dem 15. Tabellenplatz oder besser steht, wird man die Frage am Geißbockheim mit einem „Ja“ beantworten. Dass man vor zahlendem Publikum aber nicht diesen Fußball spielen lassen und dann auch noch 0:1 gegen ein zutiefst biederes Team aus Augsburg verlieren kann, ohne mit einem gellenden Pfeifkonzert aus dem Stadion gejagt zu werden, sollte den Verantwortlichen allerdings auch klar sein. Diese Art Fußball zu praktizieren ist nur möglich, wenn keiner vor Ort zusieht. Leere Sitze können sehr geduldig sein.
Die Offensive wieder zumindest ein wenig in Schwung zu bringen, dies ist allerdings zum Glück auch Gisdols Anspruch: “Es wurde vor ein paar Wochen davon gesprochen, dass wir nicht zu Null spielen können. Dann haben wir eine Reihe von Spielen zu Null gespielt. Es ist aber ein bisschen zu Lasten der Offensive gegangen. Wir müssen die richtigen Schlüsse ziehen.”
Freiburg auch dank Rekordzugang Santamaria im Aufwärtstrend
Positiv für alle Beteiligten ist, dass der nächste Gegner aus dem Breisgau stammt und traditionell einen technisch und taktisch fortgeschrittenen Fußball spielt und das nächste Spiel damit aller Wahrscheinlichkeit nach schon deswegen nicht so hässlich werden wird wie das letzte. Die Freiburger haben nach schwachem Herbst ihre letzten vier Bundesligaspiele gegen Bielefeld, Schalke, Hertha und Hoffenheim gewonnen und sich damit aus dem Tabellenkeller sowie Abstiegskampf verabschiedet. Der FC ist damit der fünfte Gegner hintereinander aus dem unteren Tabellendrittel für die Mannschaft von Trainer Christian Streich.
Den Aufwärtstrend verkörpert in Freiburg der französische Neuzugang Baptiste Santamaria. Fremdelte der Mittelfeldspieler, der am liebsten auf der Sechs spielt, nach dem Wechsel noch mit dem neuem Umfeld, scheint er mittlerweile auch dank stundenlanger Videoanalysen im Breisgau angekommen. Als Trainer Streich sich erkundigte, ob es vielleicht zu viel des Videostudiums sei und Santamaria überfordert, antwortete der 25-jährige wohl: “Nein, Trainer, bitte jedes Video, ich will alles wissen.“ Mit seinem ersten Treffer für den SC und einer Nominierung in die „Kicker Elf des Spieltags“ belohnte sich der Rekordtransfer jetzt für den Fleiß und die aufsteigende Form, welche er gegen die „Geißböcke“ unterstreichen will.
Stellt Gisdol seine Mannschaft um?
Mit welchem Plan der schwäbische Trainer der “Geißböcke” Santamaria aus dem Spiel nehmen und im Breisgau punkten will, das wird sich am Samstag zeigen. Die Mannschaft, welche nach Freiburg aufbrach, könnte jedenfalls ein wenig Aufschluss geben: Zurückgekehrt in den Kader sind Ismail Jakobs sowie Kingsley Ehizibue, die der Mannschaft dringend benötigte Geschwindigkeit geben könnten. Sava Cestic und Dimitrios Limnios bleiben dafür außen vor.
Spekuliert wird taktisch über eine Rückkehr zur Viererkette und personell dem Startelfeinsatz eines „echten“ Neuners in Person von Anthony Modeste: „In den letzten Wochen hat sich Tony entwickelt, hat körperlich deutlich aufgeholt. Stück für Stück ist er eine gute Alternative. Es ist eine Überlegung, schon jetzt mit einem richtigen Neuner zu spielen“, so Coach Gisdol. Gute Erinnerungen an das Dreisamstadion hat Modeste jedenfalls, köpfte er am dritten Spieltag der Saison 19/20 damals ein wichtiges Tor zum damaligen Ausgleich. Durch einen Last-Minute-Treffer von Ellyes Skhiri gewann man auch das letzte Spiel in Freiburg und feierte den ersten Bundesligasieg nach Wiederaufstieg.
Mit Modeste, Jakobs und eventuell Kapitän Jonas Hector könnte die Mannschaft ein anderes dringend benötigtes Gesicht erhalten und nach vorne wieder strukturierter auftreten. Und wenn man dann auch noch drei Punkte holt, die Defensive weiter stabil auftritt, während die Offensive endlich mal etwas substanzielles in Form eines funktionierenden Positionsspiels, fluiden Passspiels und Chancenkreationen aus dem Spiel heraus zeigt, könnte das gruselige Gekicke gegen Augsburg im Nachhinein doch als winterliches Testspiel gekennzeichnet aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen werden. Es wäre allen zu wünschen.