Es geht also in die Verlängerung dieser Saison, die viele Fans des glorreichen 1. FC Köln mal wieder wesentlich mehr hat altern lassen, als sie eigentlich lang war. Doch Relegation ist in diesem Fall Ausdruck der Hoffnung. Auf mehr hatten alle Beteiligten bei den “Geißböcken” kaum noch hoffen können. Nun geht es also mit zwei Zu-Null-Spielen und einem hart erkämpften und extrem emotionalen Sieg gegen Schalke im Rücken am Mittwoch gegen Holstein Kiel. Und einer könnte sich zum ganz großen Trumpf des FC entwickeln: Trainer-Urgestein Friedhelm Funkel.
„Meine erste Relegation habe ich 1974 mit Bayer 05 Uerdingen als Spieler gegen den FK Pirmasens erlebt. Da ging es um den Aufstieg in die Bundesliga und das lief positiv. Als Trainer habe ich mit Bochum gegen Gladbach sehr unglücklich verloren.“ Allein dieser Satz Friedhelm Funkels auf der Pressekonferenz vor dem Duell seiner Kölner gegen die Störche aus Kiel, spricht Bände. 1974, das ist ganze 47 Jahre her und sagt alles darüber aus, wie erfahren der Kölner Coach ist. Sein Gegenüber Ole Werner ist gerade mal 33 Jahre alt, Holstein Kiel ist seine erste Station einer Profimannschaft, der umworbene Jungcoach ist seit 2019 bei den “Störchen” im Amt.
Ein Trumpf namens Erfahrung
Und so wird es für den FC überraschend zum Trumpf, dass Horst Heldt wenigstens einen Plan B in der Tasche hatte. Den abgestiegenen Bremern um Frank Baumann wird genau das gerade zur Last gelegt: Bremen habe keinen Plan B gehabt, vor allem keinen zu Trainer Florian Kohfeldt. Die Quittung, so die Lesart einiger Experten, sei der direkte Gang in 2. Bundesliga. Auch beim FC hatte man lange am Trainer festgehalten, Horst Heldt beließ seinen Intimus Markus Gisdol bis in den Saisonendspurt hinein im Amt, doch dann griff er schließlich doch zum Plan B.
“Erfahrung ist immer hilfreich. Das will ich meiner Mannschaft auch vermitteln.”
Und der hieß eben Friedhelm Funkel. Die personifizierte Routine. Gerade dann, wenn es besonders eng wird, wenn der Druck ins Unermessliche zu steigen scheint, ist Erfahrung ein wertvolles Gut, das weiß auch der 67-Jährige selbst: „Erfahrung ist immer hilfreich. Das will ich meiner Mannschaft auch vermitteln. Ich werde die Jungs an ihre Stärken erinnern, die sie in den letzten Spielen auf den Platz gebracht haben. Darum geht es, um nichts anderes“, betont Funkel vor dem Relegationshinspiel gegen den Zweitliga-Dritten am Mittwoch im Müngersdorfer Stadion.
Kiel leistet gute Arbeit
An seine Stärken muss sich auch der Gegner aus dem hohen Norden erinnern, will er sich den Traum vom Aufstieg endlich erfüllen: Seit Jahren schreibt der Gegner vom Mittwoch, Holstein Kiel, eine Erfolgsgeschichte nach der nächsten. Noch in der Spielzeit 2012/2013 spielten die “Störche” in der Regionalliga. Seit 2017 spielt Kiel 2. Bundesliga, schon in der ersten Saison in der zweithöchsten Spielklasse landete die KSV Holstein unter dem späteren FC-Coach Markus Anfang auf Rang drei. Doch nicht gänzlich grundlos scheiterten die Schlesweg-Holsteiner nun zum wiederholten Male am direkten Aufstieg in die Bundesliga – es ist eben doch am Ende ein großer Schritt.
Und Erfahrung können die Kieler trotz ihrer Erfolgsgeschichten kaum aufbauen, die talentiertesten Akteure werden ihnen regelmäßig nach einer Erfolgssaison abgeworben. Auch Ole Werner, der wie der FC logischerweise zum ersten Mal in seiner Karriere in der Relegation antritt, machte vor dem Spiel am Mittwoch einen eher vorsichtigen Eindruck: „Für uns geht es darum, uns so teuer wie möglich zu verkaufen“, unterstrich Kiels Trainer die Underdog-Rolle seiner Schützlinge. Ganz so wenig erwartet Friedhelm Funkel aber natürlich nicht von seinem Gegenüber, auch wenn er den Kieler Frust nach der Niederlage gegen Darmstadt und den verpassten direkten Aufstieg durchaus mitbekommen hat: “Ole Werner hat deutlich gemacht, dass sie enttäuscht waren, aber dass sie ab heute wieder positive Gedanken Richtung Mittwoch aufbauen werden. Damit müssen wir rechnen. Wir können nicht davon ausgehen, dass sie niedergeschlagen sind.“
Funkel plant offensiven Ansatz
Außerdem scheint Funkel von seiner Idee, die er gegen Hertha BSC Berlin verfolgt hatte, zuallererst die Null zu halten, abgekommen zu sein. Offensive heißt das Schlagwort, wenn man den Worten auf der Pressekonferenz vor dem Relegationshinspiel folgt. „Wir wollen gegen Holstein Kiel, gerade am Mittwoch zu Hause, gewinnen. (…) Wir wollen spielbestimmend sein, das Tempo hoch halten und das eine oder andere Tor erzielen“, sagte der Kölner Trainer. Ob Stoßstürmer Sebastian Andersson dabei helfen kann, wird wohl erst kurzfristig entschieden. Genauer konnte und wollte Funkel sich noch nicht äußern. Vor den zwei wichtigsten Spielen der Saison steigt die Geheimhaltungsstufe – genauso wie der Druck.
Horst Heldt hat aber gerade in dieser Hinsicht ein gutes Gefühl: „Die Mannschaft hat diese Drucksituation schon vielfach durchleben müssen und richtig gute Leistungen abgeliefert. Das müssen wir jetzt auch schaffen. Wir müssen das definitiv als Chance definieren, die wir wahrnehmen wollen”, so der FC-Sportchef, um dessen Ablösung ausgerechnet vor den wichtigen Duellen einmal mehr die Gerüchte hochkochten. Für die Kölner Fans bleibt ohnehin nichts anderes übrig als in diesen nun folgenden 180 Minuten weitere zehn Jahre Alterungsprozess in Kauf zu nehmen und eine heisere Stimme.