Gut möglich, dass die Belgier mit einer reinen U18 antreten werden, denkbar ist allerdings auch ein Team, das durch einige Spieler aus der “U21” verstärkt wird. Eine solche Verstärkung wäre Luca Oyen. Der 18-jährige Linksaußen kann schon auf zwei Dutzend Einsätze in der 1. Liga zurückblicken und gab vor zwei Jahren als 16-Jähriger im Youth-League-Match gegen den FC Liverpool der Defensive der Engländer mit seiner Schnelligkeit, Dribbelstärke und einem gutem Torabschluss so manches Rätsel auf. Im Umfeld des KRC Genk hält man jedoch einen Einsatz Oyens im diesjährigen Wettbewerb für wenig wahrscheinlich, da er mittlerweile einen festen Platz im Profikader der Genker hat und auch am letzten Wochenende beim 2:1-Auswärtssieg in St. Truiden in der Startelf stand.
Ein kräftig sprudelnder Talentbrunnen
Wahrscheinlicher erscheint ein Einsatz des 18-jährigen Mittelstürmers Kelvin Pius John, der als 15-Jähriger mit der U17 seines Heimatlandes Tansania beim Africa Cup of Nations dermaßen überzeugte, dass ihn Nationaltrainer Emmanuel Ammunike in die A-Nationalelf berief. Sein unglaublich starker Antritt und ein Torabschluss, den die Engländer “clinical” nennen, rief die Scouts der großen europäischer Clubs aus Spanien, England und Frankreich auf den Plan. Doch John schloss sich dem “kleinen” KRC Genk an, dem Verein, für den der Kapitän des tansanischen Nationalteams und Volksheld seines Landes, Ally Samatta, spielte und dessen Nachfolge der junge Stoßstürmer antreten möchte.
Vielleicht läuft auch der 17-jährige Stoßstürmer Sekou Diawara auf, der viele Kenner des belgischen Fußballs nicht nur figürlich an Romelu Lukako, den Starstürmer von Manchester United, Inter Mailand und dem FC Chelsea, erinnert. Körperlich ungemein stark besitzt Diawara eine gute Technik, ein starkes Tempo und ist zudem schuss- und kopfballstark . Ein Kreuzbandriss warf ihn in seiner Entwicklung zurück, doch ist er so weit wieder hergestellt, dass er in der “U21” des KRC Genk für zahlreiche Treffer verantwortlich zeichnet.
“Selbst, wenn es nur die reine U18 wäre, wäre das schon ein Top-Gegner. Auch dort können sie mit einer Menge talentierter Jungs aufwarten, die bestens ausgebildet sind und ein gutes Tempo besitzen.”
Aber auch das reine U18-Team der Blau-Weißen weist viel Qualität auf, was U19-Trainer Ruthenbeck durchaus bewusst ist: “Selbst, wenn es nur die reine U18 wäre, wäre das schon ein Top-Gegner. Auch dort können sie mit einer Menge talentierter Jungs aufwarten, die bestens ausgebildet sind und ein gutes Tempo besitzen.” Vielleicht das größte dieser Talente ist Mittelfeldspieler Bilal El Khannouss. Der 17jährige Schlaks mit marokkanischen Wurzeln erinnert nicht nur körperlich an Florian Wirtz. Beidfüßig, wendig und technisch unerhört stark kann er sowohl auf der “10” als auch hinter den Sturmspitzen spielen. Seine vielleicht größte Stärke ist der finale Pass, mit dem er viele Tore vorbereitet; seine gute Trefferquote zeugt aber auch davon, dass er nicht selten selber den Torabschluss sucht.
Ein großes Talent ist auch der erst 16-jährige Mika Godts. Der offensive Mittelfeldspieler, von den Medien als “Genk Wonderkid” betitelt, besticht durch seine außerordentliche Wendigkeit und Dribbelstärke. Godts wechselte 2020 aus der Jugend des RSC Anderlecht nach Genk und wurde beim KRC bereits mit einem Profivertrag ausgestattet. Aber auch der tempostarke Rechtsverteidiger Luca Berten, wie sein Gegenpart in der U19 des 1. FC Köln, Linksverteidiger Winzent Suchanek, von Hause aus Stürmer und erst unlängst zum Abwehrspieler umgeschult, der technisch versierte zentrale Mittelfeldspieler Raf Smekens oder die enorm schnellen Außenstürmer Sami Sakkali und Nolan Martens sind in einer Elf zu beachten, die sich ausschließlich aus Jugendnationalspielern zusammensetzt.
Die U19 des FC – reichen Qualität und Erfahrung?
Eine große Herausforderung für Ruthenbecks Team, der der erfahrene Übungsleiter jedoch auch mit Freude und Zuversicht entgegen blickt. “Egal in welcher Besetzung erwarte ich eine Genker Mannschaft, die unserer U19 sehr, sehr ähnlich ist hinsichtlich der Art und Weise, wie sie Fußball spielt. Sie hat enorme Qualität und legt großen Wert auf Ballbesitz, hohes Pressing und schnelles Umschaltspiel. Das wird eine spannende Aufgabe.”
Wie der KRC Genk hat auch der 1. FC Köln einen 40er Kader für die Spiele der UEFA Youth League nominiert. Neben den U19-Akteuren befinden sich mit Adamczyk, Sponsel, Örnek, Schwirten und Obuz fünf Spieler des 2002er Jahrgangs im Aufgebot. Es ist noch offen, inwieweit Stefan Ruthenbeck auf seine ehemaligen U19-Zöglinge zurückgreifen wird. “Wir müssen schauen, wie die nächsten Tage und Wochen bis zu Hin- und Rückspiel verlaufen”, sagt er. “Wir können diese Spieler einsetzen, je nachdem werden wir das auch tun. Schließlich waren diese fünf ja auch maßgeblich daran beteiligt, dass wir an der Youth League teilnehmen können. Wir müssen allerdings auch schauen, was in der U21 passiert und ob einer der fünf oben mit dabei ist. Das werden wir strategisch angehen und intern die möglichen Optionen diskutieren.”
Mit Außenverteidiger Matti Wagner, den Innenverteidigern Marlon Monning und Julian Pauli, Mittelfeldakteur Neo Telle und Stürmer Paul Gelber komplettieren fünf U17-Akteure den 40er Kader, von denen sich Monning und Pauli wohl am ehesten Hoffnung auf einen eventuellen Einsatz machen dürften. Insgesamt ergibt sich das Bild eines Kaders mit ansprechender Qualität. Allerdings kann das Aufgebot der Kölner mit seinen 15 Jugendnationalspielern bei weitem nicht auf die internationale Erfahrung zurückblicken wie der Kader des KRC Genk, der mit nicht weniger als 29 Jugendinternationalen bestückt ist. Qualität und Erfahrung – diese beiden Faktoren können in den beiden Duellen mit dem KRC Genk entscheidend sein.
Der Formcheck
Während die U18 des KRC Genk ihr letztes Spiel mit 6:2 beim KVC Westerlo gewann und das Beloften-Team durch Tore von Diawara, John und Nemeth zu einem 3:1-Sieg bei AA Gent kam, tat sich die U19 des 1. FC Köln bei ihrem Saisonstart deutlich schwerer. Beim FC Schalke 04 verlor man mit 1:4 und auch die Erstrundenpartie im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach endete mit einer unglücklichen 0:1-Niederlage. Dazwischen lag ein 15:0-Sieg gegen die 1. Mannschaft des FV Wiehl, momentan Tabellenzweiter in der Landesliga. Sinn und Zweck dieser Begegnung war es, die Spieler der U19 mit den Anforderungen von Körperlichkeit und Robustheit im Seniorenbereich zu konfrontieren. “Das war die Idee”, erläutert Stefan Ruthenbeck. “Die ist aber nicht aufgegangen, weil wir von Anfang an sehr viel Spielwitz gezeigt und druckvoll nach vorne agiert haben. Denn es ist keine Selbstverständlichkeit, gegen einen starken Landesligisten so hoch zu gewinnen und da haben die Jungs das, was wir uns vorgenommen haben, sehr gut umgesetzt.”
Die Mannschaft ist noch nicht so homogen und da müssen wir uns noch ein Stück weit entwickeln. Aber wir vertrauen den Jungs, das wird schon noch.
Trotzdem – die beiden Niederlagen gegen Schalke und Mönchengladbach lassen vermuten, dass dies keine einfache Saison für die U19 des 1. FC Köln werden wird. Dies sieht ihr Trainer genau so: “Momentan fehlt uns noch die spielerische Leichtigkeit der letzten Jahre”, sagt er. “Dafür haben wir aber mehr Tempo, müssen uns andererseits jedoch auch Dinge stärker erarbeiten. Die Mannschaft ist noch nicht so homogen und da müssen wir uns noch ein Stück weit entwickeln. Allerdings haben wir auch im Unterschied zu unseren Konkurrenten nicht nachjustiert und Spieler nachverpflichtet. Aber wir vertrauen den Jungs, das wird schon noch”, verströmt Stefan Ruthenbeck trotz aller Schwierigkeiten Zuversicht, die sich durch den 6:1-Kantersieg seiner Schützlinge gegen Fortuna Düsseldorf in der Bundesliga weiter nährte.
Europapokal am Geißbockheim
Seine Spieler werden dem Mittwochabend entgegenfiebern, wenn Schiedsrichter Mario Zebec die Hinrundenbegegnung gegen den KRC Genk um 18 Uhr im heimischen Franz-Kremer-Stadion anpfeifen wird. Möglicherweise ist einigen von ihnen auch bewusst, dass dies für sie das Highlight ihrer Karriere bleiben könnte und sie irgendwann in ferner Zukunft mit Freude und Stolz daran zurückdenken werden, zumindest einmal auf der großen europäischen Fußballbühne gestanden zu haben. Und jenseits aller Unwägbarkeiten muss sich Stefan Ruthenbeck um die Motivation seiner jungen Spieler wohl die wenigsten Sorgen machen: “Sie brennen auf das Duell. Es ist ein besonderes Spiel, auf internationaler Bühne und die Jungs wollen ihren Club gut vertreten”, ist er sich sicher.
Auch ihm ist die Vorfreude auf diese Partie anzumerken. In der Saison 2017/18 konnte er das Flair eines europäischen Wettbewerbs schon einmal genießen, als Trainer der Profis in der Europa League-Partie bei Roter Stern Belgrad. Vielleicht wird er seinen Spielern davon erzählen, möglicherweise auch an den 1:0-Heimsieg gegen den FC Arsenal in jener Saison erinnern, als die Kölner unter Trainer Peter Stöger die vermeintlich übermächtigen Gunners überraschend besiegen konnten. Hochkonzentriert, mit Leidenschaft, Laufbereitschaft, Kampfeswille und dem Glauben an die eigene Stärke. Eigenschaften, die auf diesem Niveau den Unterschied machen können. Vielleicht kein schlechtes Vorbild für die Partie gegen Genk. Ganz sicher ist dagegen, dass sich die Zuschauer auf eine hochklassige Partie freuen dürfen. “Hier treffen zwei absolute Topmannschaften aufeinander”, sagt Stefan Ruthenbeck zum Schluss – und dem ist dann auch nichts mehr hinzuzufügen.