Alles oder Nichts mit Handicap. Wie beim Sportwetten tritt der 1. FC Köln im nun wirklich allerletzten Endspiel dieser an Endspielen reichen Saison im Rückspiel der Relegation mit einer großen Hypothek bei Holstein Kiel an. 0:1 und trotzdem heißt die Wette: „Sieg Köln“. Das Relegationsrückspiel entscheidet über Wohl und Wehe, über die Liga-Zugehörigkeit des glorreichen 1. FC Köln, dieses Spiel entscheidet über alles.
Gewettet hat die Führung des FC. Gewettet haben der Vorstand, die beiden Geschäftsführer Horst Heldt und Alexander Wehrle, und gewettet hat auch, ja, die 1. Mannschaft dieses Vereins. Viele der Einsätze in der gerade beendeten Bundesligasaison sind verspielt worden, so gut wie nichts hat funktioniert. Das beginnt im Grunde mit der Entscheidung aus der vergangenen Saison einem Trainer sogar den Vertrag zu verlängern, der zwar den Abstieg verhindert hat, dabei aber alle Spiele „seit Corona“ versemmelt hat.
Eine Spielzeit als riskante Wette
Und es geht rasant weiter mit den Wetten. Den Toptorjäger der Zweiten Bundesliga, Simon Terodde, mit goldenem Handschlag verabschieden, dabei noch eine Sonderwette auf den Aufstieg des Hamburger SV einzugehen, ohne fitten Stürmer in die Saison zu gehen, einen Nachwuchsmann aus Skandinavien ausleihen, den Altstar im Winter fortzuschicken, stets am Trainer festzuhalten, sei der angebotene Fußball noch so konzeptlos und so weiter und so weiter. Die Führung des 1. FC Köln mag Sportwetten, so scheint es. Ein Wunder, das ein gewisser Premiumsponsor nicht mehr dieser ganz speziellen Wetten auch für die Allgemeinheit angeboten hat, wäre doch spürbar anders gewesen.
Foto: imago images / Herbert Bucco
Aber wie ist das bei Spielsüchtigen? Sie kennen ihre eigenen Grenzen nicht, es geht immer weiter. Der nächste Versuch, die nächste riskante Idee. Wenn das klappt, dann holen wir alles wieder rein! Nun also die allerletzte Wette. Mit Handicap auf den Auswärtssieg. Am Besten „über 2,5 Tore im Spiel“ noch dazu, das erhöht die Quote. Warum es die letzte Wette ist? Ganz einfach, der Einsatz ist so hoch. Der Einsatz dieses Mal: alles. Mehr geht nicht. Oder sollte ich schreiben: Nichts geht mehr?
Die Endspiele unter Markus Gisdol hatten immer mal wieder kleine Zwischenerfolge geliefert. Nicht genug, um einen echten Gewinn davonzutragen, aber eben doch so viel, dass es immer weiterging. Angefangen hatte die endlose Endspielserie früh mit der Partie in Dortmund. Vermeintliches Endspiel gewonnen, weiter mit dem Desaster. Rückblickend hätte man es früher merken können, merken müssen. Doch es gab immer wieder Hoffnung. Ohne Hoffnung geht beim 1. FC Köln schon seit Jahren nichts mehr. Und so merkten die Verantwortlichen eben kaum, dass ihr Team, dass ihr Projekt ins Verderben rutscht.
Der Abgrund ist nah
Und das Verderben ist so so nah. Kein Gegentor bekommen? Gute Idee, aber nicht genug. Ein Unentschieden in Kiel? Nicht genug. Es muss ein Sieg sein. Am Besten einer mit mehr als einem eigenen Treffer, denn sonst geht das letzte Endspiel auch noch in die Verlängerung. Und das will wirklich niemand. Das machen auch unsere Nerven nicht mehr mit. Wer beim FC bescheinigt einem diesen Alterungsprozess, den die enttäuschten Anhänger einmal mehr erlitten haben?
Nun geht es also in Kiel um alles. Und das vor Zuschauern und Zuschauerinnen. Es ist kaum in Worte zu fassen, wie lange es her ist, dass der effzeh sich vor ihnen präsentieren durfte. War ja vielleicht auch besser so. Andererseits, so schlecht wie ohne Zuschauer*innen kann der 1. FC Köln mit ihnen ja gar nicht spielen – auch nicht, wenn die Gäste nur aus der Heimatstadt, nur aus Kiel kommen. Also Männer, auf ins letzte Gefecht. Die absurdesten Wetten werden ja manchmal unverhofft Wirklichkeit. Diese letzte Wette hat außerdem das urkölsche Motto: Et hätt noch immer jot jejange.
Das sagen die Trainer
Friedhelm Funkel: “Wir haben jetzt Halbzeit, es steht 0:1. Es ist überhaupt noch nichts entscheiden. Wir werden eine bessere Leistung zeigen müssen. Wir wollen Kiel im Rückspiel natürlich vor mehr Probleme stellen, als wir es im Hinspiel gemacht haben. Wir werden in Kiel alles daransetzen, diesen Rückstand aufzuholen. Die Qualität und die Möglichkeiten haben wir. Die Entscheidung, wer nächste Saison erste Liga spielt, fällt in Kiel.”
“Wir haben jetzt Halbzeit, es steht 0:1. Es ist überhaupt noch nichts entscheiden.”
Ole Werner: “Das Hinspielergebnis ist ein minimaler Vorteil, darf unsere Herangehensweise an das Spiel nicht verändern. Es wird darauf ankommen, auch den letzten Meter zu machen. Wir werden wieder so leidenschaftlich verteidigen müssen wie im Hinspiel. Es wird darum gehen, dass wir es über 70 Minuten schaffen, uns eine gute Ausgangsposition zu verschaffen. Ich glaube, dass der Ausgang der Relegation erst in den letzten 20 Minuten entschieden wird.”
