Nach 78 Minuten hielt es dann auch den sonst als äußerst ruhig bekannten Jonas Hector nicht mehr auf seinem Sitz. Der Nationalspieler, der dem 1. FC Köln derzeit wegen einer Muskelverletzung im Adduktorenbereich nicht zur Verfügung steht, sprang glückselig auf und pfiff fröhlich „Et Trömmelche“ mit. Grund zur guten Laune hatte er satt und genug, diesmal sorgte Simon Terodde mit seinem Kopfball zum 4:0-Endstand gegen Greuther Fürth für die Freude in Hectors Gesicht.
Der effzeh hatte eine schwierige Aufgabe im eigenen Stadion souverän gelöst und bereits das zweite Heimspiel in Folge deutlich für sich entscheiden können. Erstmals in dieser Saison konnte die Jungs mit dem Geißbock auf der Brust sogar ein Zu-Null-Spiel in Müngersdorf verbuchen – der Lohn für eine taktisch reife und individuell überzeugende Leistung. Schon von Beginn an hatte die Mannschaft von Trainer Markus Anfang das Heft des Handelns in die Hand genommen und das Spielgeschehen gegen das Kleeblatt, immerhin Tabellensechster der 2. Bundesliga, direkt dominieren können. Die beste Chance von vielen aussichtsreichen Gelegenheiten vergab Torjäger Terodde, der aus kurzer Distanz an Fürths Schlussmann Burchert scheiterte.
Drexler trifft aus Abseitsposition
Nach 17 Minuten klingelte es dann erstmals im Gäste-Tor: Schaub setzte Terodde am gegnerischen Strafraum in Szene, doch statt abzuschließen legte der effzeh-Goalgetter quer auf Drexler, der bei seinem ersten Pflichtspiel-Treffer für die „Geißböcke“ wenig Mühe hatte. Das 1:0 hatte allerdings einen äußerst schalen Beigeschmack: Sowohl Terodde als auch Drexler standen beim Abspiel im Abseits, das Tor hätte unter keinen Umständen zählen dürfen. Nach all dem Theater mit dem Video-Assistent war der effzeh wohl erstmals richtig froh über den Abstieg, wo ein Eingreifen aus dem Deutzer Keller nicht zur Diskussion steht.
Für Diskussionen sorgte derweil der bundesweit durchgeführte Stimmungsboykott der aktiven Fanszenen: In den ersten 45 Minuten der Partie gab es weder aus der Heimkurve noch aus dem Gästeblock organisierte Unterstützung für die Mannschaften, der Protest gegen Montagsspiele im Profifußball stand im Vordergrund. Das gelang auch recht eindrücklich: Die Atmosphäre im Müngersdorfer Stadion glich in der ersten Halbzeit trotz des starken Auftritts des effzeh-Teams eher einem Sonntagsspaziergang auf Melaten denn dem gewohnten Hexenkessel im Kölner Westen.
12': Das war die erste ganz dicke Chance. Zwischendurch wird es bei Offensivaktionen immer wieder lauter durch die vielen Fans, die den stillen Protest der Ultras in dieser Form nicht unterstützen möchten. #effzeh
— 1. FC Köln LIVE (@fckoeln_live) December 1, 2018
Einzig der FC sah dies in seinem Liveticker auf Twitter ein wenig anders: Hieß es in der 5. Spielminute noch recht sachlich „Die Fans protestieren gegen Montagsspiele, deshalb ist es noch ziemlich ruhig im Stadion“, holte der Clubaccount wenige Augenblicke später nochmals zum unsportlichen Foul aus. „Zwischendurch wird es bei Offensivaktionen immer wieder lauter durch die vielen Fans, die den stillen Protest der Ultras in dieser Form nicht unterstützen möchten“, hieß es im Nachtrag zur Terodde-Chance. Wer einen solchen Tiefschlag nötig hat, scheint wenig Wert auf den immer wieder beschworenen fairen Umgang in der FC-Familie zu legen.
Die Doppelspitze Terodde/Cordoba funktioniert
Auf dem Platz zeigten sich die Anfang-Schützlinge derweil geschmackssicherer: Früh setzte das Team den Gegner unter Druck und erspielten sich immer wieder Chancen, die allerdings nicht genutzt werden konnten. Auch eine kleinere Schwächephase über 10-15 Minuten ließen die Fürther Gäste im Spiel, das dennoch weiterhin vom effzeh dominiert wurde. In der Offensive um den enorm fleißigen Jhon Cordoba, der als Zielspieler einen starken Eindruck hinterließ, waren die „Geißböcke“ kaum zu stoppen, im Abwehrverbund zeigte sich das Team extrem stabil und ließ gegen die Franken wenig bis gar nichts zu.
Daher war die Entscheidung in dieser Partie nur eine Frage der Zeit: Bauer, zuvor bei einem Nachtreten gegen Cordoba nur mit Gelb bedacht brachte Drexler im Strafraum zu Fall und durfte dann doch noch verdient frühzeitig zum Duschen. Terodde ließ sich die Einladung nicht nehmen: 2:0 FC, schon das 18. Saisontor für den 30-jährigen Angreifer. Es scheint, als wäre die Niederlage in Hamburg, als das Kölner Team eine leidenschaftslose Leistung darbot, ein heilsamer Schock für Mannschaft und Umfeld gewesen zu sein. Markus Anfang variierte im Anschluss seine Taktik, ging vom sturen Beharren auf eine 4-1-4-1-Grundordnung zu einem 3-5-2-System über, das den Stärken des Kaders und den Anforderungen in der 2. Bundesliga deutlich entgegenzukommen scheint.
Gerade die Doppelspitze Terodde/Cordoba funktioniert exzellent: Gegen Dresden erzielten das Duo fünf der acht Tore, in Darmstadt zwei von dreien und auch gegen Fürth zeichneten sie für drei der vier Treffer verantwortlich. Beim 3:0 sogar im direkten Zusammenspiel: Terodde zog die Gegenspieler auf sich und brachte den Ball dann recht unfreiwillig zu Cordoba, der den freien Raum zu nutzen wusste. Allein vor Burchert bewies der Kolumbianer sein neu gewonnenes Selbstvertrauen und netzte eiskalt zur endgültigen Entscheidung an diesem Nachmittag ein.
Fürth mit zu viel Respekt vor übermächtigen Kölnern
Doch nicht nur deswegen war der oft gescholtene Mittelstürmer der Mann des Nachmittags: Mit seiner robusten Spielweise stellte Cordoba seine Gegenspieler vor schier unlösbare Probleme, erlief sich immer wieder nahezu aussichtslos verlorene Bälle und konnte diese nicht nur festmachen, sondern auch an seine Mitspieler weiterleiten. Wenn es einen Profiteur des Systemwechsels gibt, dann ist es der schon als Fehleinkauf abgestempelte 17-Millionen-Mann in vorderster Front der „Geißböcke“. Seine brachiale Power neben dem eiskalten Vollstrecker Terodde – das scheint derzeit so gut zu passen, dass sich aktuell niemand vorstellen kann, wo im effzeh-Angriff ein Anthony Modeste noch Platz finden soll.
Denn auch Terodde zeigte, dass er weitaus mehr ist als nur der Abschlussspieler. Auf seine alten Tage scheint der 30-Jährige gelernt zu haben, auch mit und sogar gegen den Ball zu arbeiten. Die Statistik wies Terodde nach den 90 Minuten als laufstärksten Kölner aus – das wird ein Mittelstürmer nicht allzu oft, das ist durchaus als erhöhter Einsatz zu werten. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Greuther Fürth an diesem Nachmittag sicherlich keine Top-Leistung abgerufen hat. Zu viel Respekt schien das Kleeblatt vor den übermächtigen Kölnern zu haben, zu wenig Eigeninitiative trauten sich die Franken im Müngersdorfer Stadion zu.
Schiedsrichter mit schwachem Auftritt
Dass die Fürther bislang eine starke Saison spielen, konnten so manche angesichts des mauen Eindrucks bei diesem Auswärtsauftritt nicht glauben. Das lag allerdings auch an einer starken Leistung der „Geißböcke“, die durchaus noch höher hätten gewinnen können. Schwächer als die Gäste war allerdings noch das Schiedsrichtergespann um den Unparteiischen Sören Storks: Beim 1:0 übersah sein Kompagnon an der Linie gleich doppelt ein Abseits, dann bestrafte der Referee ein Nachtreten des Fürther Bauers nur mit Gelb. Auch in der zweiten Hälfte hatte Storks nicht immer das richtige Näschen für die Entscheidungen – sicherlich ein gewichtiger Grund, weshalb die Partie vonseiten der Gäste nach dem Seitenwechsel ziemlich ruppig geführt wurde.
Letztlich durfte der effzeh über einen auch in der Höhe mehr als verdienten Erfolg jubeln. Auch weil Simon Terodde in der 78. Minute zu einem Trademark-Tor ansetzte. Schon als die Flanke von Jannes Horn Richtung Strafraum flog, hatten einige Zuschauer den Torschrei auf den Lippen. Der platzierte Kopfball in den Winkel war für Fürths Schlussmann Burchert nicht zu halten – der zweite Treffer des Torjägers an diesem Nachmittag. Terodde hat nun bereits nach 15 Saisonspielen mehr Erfolgserlebnisse auf dem Konto als der Torschützenkönig der Vorsaison. Zwei Tore, zwei Vorlagen, dazu seine Mannschaftsdienlichkeit unter Beweis gestellt: Es dürfte schlimmere Nachmittage im Leben des Simon Terodde gegeben haben. Natürlich auch, weil er es vollbracht hat, Jonas Hector zum fröhlichen Pfeifen zu bringen.