Das “Familien-Duell” war zu Hochzeiten der kommerziellen linearen TV-Unterhaltung in den 90er Jahren eine Spielshow mit einem relativ einfachen Konzept. Eine Partei wurde gebeten die Antwort auf eine Frage zu geben, die zuvor 100 Personen gestellt wurde. Gesucht wurde die “Top-Antwort”, also die Antwort, welche die meisten der 100 Personen gegeben haben. „Wir haben 100 Leute gefragt…“ verkam zu einer Art “catch phrase”, die heute noch fast jeder kennt, sie machte die Sendung berühmt. Würde “Familien-Duell” heute noch laufen, eine fußballlastige Sonderfolge produziert werden und Moderator Werner Schulze-Erdel die Frage stellen, welches Substantiv den Unterschied zwischen dem 1. FC Köln in der Saison 2020/21 und der Saison 2021/22 am besten beschreiben würde: „Selbstvertrauen“ wäre vielleicht die Topantwort.
Dieses neue Selbstvertrauen am Geißbockheim beginnt bei den Spielern auf dem Feld, die eine ganz andere Körpersprache als in der letzten Saison zeigen und einen Fußball spielen, der ohne Angst gespielt werden muss. Und eben jener Fußball wird gelehrt und gelebt von Coach Steffen Baumgart, der kurzärmlig, aktiv coachend und an der Seitenlinie öfters die Grenzen austestend in Köln schnell die Herzen der Fans gewann. Seinem Vorgänger Markus Gisdol gelang dies in der Saison 20/21 mit seinem Auftreten und seiner Art, Fußball zu spielen, nicht. Die oft sehr tiefstapelnde, fast schon entschuldigende Art, wenn er oder der damalige Manager Horst Heldt über die sehr defensive und destruktive Spielweise sprachen, konnte kaum ein Herzen erwärmen und wirkte allen Erklärungen zum Trotz hasenfüßig. Ungelenke Geschichten auf Pressekonferenzen über Eiscafes, in die man sich während der einwöchigen Bildung einer Bubble zur Wiederaufnahme der Saison nach dem ersten Lockdown nicht setzen konnte, taten ihr Übriges.
Die Bayern kriegen Schlüsselspieler zurück
Das breite Kreuz des 1. FC Köln wird am kommenden Samstag zur besten Fußballzeit um 15:30 Uhr allerdings auf eine harte Probe gestellt. Mit dem Rekordmeister FC Bayern München ist die größtmögliche Herausforderung der Bundesliga zu Gast im Müngersdorfer Stadion. Die zehnte Deutsche Meisterschaft in Serie soll es für die Münchener in dieser Saison mindestens werden, derzeit hat man sechs Punkte Vorsprung auf den ersten Verfolger aus Dortmund. Auf den ersten Blick läuft also alles nach Plan – doch der Rückrundenauftakt gegen Borussia Mönchengladbach ging vergangene Woche mit 1:2 verloren. Allerdings fehlten dabei auch zahlreiche Spieler aufgrund Coronaerkrankungen, Trainer Nagelsmann stand lediglich eine Rumpftruppe zur Verfügung. Für die Partie gegen den FC dürften jetzt allerdings unter anderem mit Leroy Sané, Manuel Neuer und Dayot Upamecano einige klangvolle Namen den Weg zurück in den Kader von Julian Nagelsmann finden, auch wenn die Bayern immer noch einige Ausfälle zu beklagen haben.
An der grundsätzlichen Herangehensweise der Kölner an das Spiel dürfte die Krankenakte der Bayern freilich nichts ändern. Insbesondere das Spiel über die Außen mit Abschlüssen nach Flanken dürfte wieder mal im Fokus der Gastgeber stehen, auch weil die Bayern überproportional anfällig für Gegentore nach Flanken sind und hohe Hereingaben von außen oft nicht gut verteidigen. Es war entsprechend auch kein Zufall, dass die beiden Tore bei der 2:3-Niederlage in München am 2. Spieltag nach Flanken entstanden.
„Wir haben eine Chance am Samstag zu gewinnen!“
Steffen Baumgart dürfte die Anfälligkeit der Bayern nach Flanken zur Kenntnis genommen und dies seiner Mannschaft in der Trainingswoche vermittelt haben. Es ist der Hebel der Kölner, um gegen den Rekordmeister zu Chancen zu kommen. Ihrerseits dürften die Bayern Räume in der Kölner Hintermannschaft finden, wenn das bei weitem nicht fehlerfreie Kölner Pressing ins leere läuft und die Bayern über ihre Qualität anschließend automatisch zu Chancen kommen. Fehler im Pressing vermeiden, über die Außen Chancen erspielen und Modeste in Abschlusssituationen bringen – das Erfolgsrezept für den 1. FC Köln klingt simpel, ist gegen die Bayern aber extrem schwer 90 Minuten durchzuhalten.
Lediglich 750 Fans im Müngersdorfer Stadion zugelassen
Nur 750 Fans werden die Kölner bei ihrem Vorhaben, den Rekordmeister zu stürzen, am Samstag unterstützen können. Die neuen Corona-Schutzverordnungen lässt nicht mehr Fans zu. Die Worte aus dem Spätherbst, die NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst („Entscheidend ist: So Bilder wie vom Wochenende in Köln darf es und wird es nicht wieder geben“) im Nachgang zum Derbysieg gegen Gladbach fand, hallen in der politischen Spähre immer noch nach, auch wenn man über Sinn und Unsinn über so wenig Fans bei einer 2G-Outdoorveranstaltung trefflich streiten kann. Der Profifußball, sich im Frühjahr 2020 noch dankbar und zumindest auf der Vorderbühne demütig in Richtung Politik gebend, schlägt seinerseits mittlerweile ebenfalls andere Töne an. Manchmal zumindest im Ton unpassend. Manchmal aber auch zurecht sauer.
So sprach FC-Coach Baumgart sprach am Donnerstag von „Mist und Blödsinn“ in Bezug auf die Erklärungen, warum lediglich 750 Fans zugelassen sind und in Hallen teilweise zeitgleich genau so viele Menschen dürfen. Er hat damit einen Punkt. In der offensiven Kommunikation mag eine Rolle spielen, dass man an anderer Stelle auch gegenüber der Stadt Köln die Geduld verliert und aktiv eine Mitarbeit bei der Ausgestaltung der neuen Trainingsmöglichkeiten am Grüngürtel verlangt, anstatt nur eine Blockadehaltung einzunehmen und für den Verein unmögliche Alternativen anzubieten. Dass Offizielle des 1. FC Köln sich aber trauen so deutlich zu werden, ist auch Teil eines neuen ganzheitlichen Selbstvertrauens, welches der 1. FC Köln in dieser Saison ausstrahlt. Wie weit dies gegen den FC Bayern trägt, muss man abwarten. Aber bis dato hat es mit Sicherheit nicht geschadet.