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Ehrentribüne

EM-Momente des 1. FC Köln: Triumph in Rom mit vier Kölnern

Die Europameisterschaft 2020 ist mit einem Jahr Verspätung nun im vollen Gange – auch unter Beteiligung des 1. FC Köln. In unserer Reihe “Kölsche EM-Momente” blicken wir in der dritten Folge auf den Titelgewinn 1980, der unter großer Mithilfe der “Geißböcke” errungen wurde.

HRUBESCH Horst Team Deutschland Jubel um Torschuetzen Horst Hrubesch mit CULLMANN Bernhard und SCHUSTER Bernd UEFA Fussball Europameisterschaften 1980 Finale Spiel Deutschland - Belgien in Italien am 22. Juni 1980 im Olympic Stadion in Rom *** HRUBESCH Horst Team Germany Cheering for scorer Horst Hrubesch with CULLMANN Bernhard and SCHUSTER Bernd UEFA European Football Championships 1980 Final Match Germany Belgium in Italy on 22 June 1980 in the Olympic Stadium in Rome
Foto: imago images / Laci Perenyi

Doch was nun folgte, zeigte die Schwächen des neuen Modus. Vor dem Abendspiel gegen die Griechen spielten am Nachmittag noch die Tschechoslowakei und die Niederlande um ihre letzte Chance. Es kam, wie es kommen musste, das Spiel ging unentschieden aus (1:1). Die deutsche Elf war damit bereits für das Endspiel um die Europameisterschaft 1980 qualifiziert, egal wie das Spiel gegen die Griechen ausgehen würde. So positiv das für die Nationalmannschaft und ihren Trainer in diesem Moment war, aber sämtliche Spannung war nun komplett raus. Das Spiel gegen Griechenland wurde so zum Freundschaftsspiel und natürlich verzichtete Derwall verständlicherweise auf gleich drei gelb vorbelastete Spieler (Dietz, Schuster, Allofs).

Fast schon logisch, dass das Spiel unter diesen Voraussetzungen zu einem Langweiler wurde. Fast hätte man sich gar bis auf die Knochen gegen den schwachen Gegner richtig blamiert, denn in der zweiten Halbzeit hatten die Hellenen die größeren Chancen und trafen auch den Pfosten. Es war auch für Bernd Cullmann schwer zu glänzen, der in diesem Spiel – immerhin ein kleines Highlight für FC-Fans – sogar als Kapitän auflief. Im Laufe der Begegnung wurden noch weitere bisherige Bankspieler wie Mirko Votava und Calle Del’Haye eingewechselt. Einerseits eine noble Geste des Bundestrainers, andererseits fehlte die wohl notwendige Anspannung und von Eingespieltheit konnte erst Recht keine Rede sein.

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Am Ende blieb es beim 0:0 und so kam es zu der skurrilen Situation, das die Gazetten am Folgetag nicht den Einzug ins Finale bejubelten, sondern die deutsche Elf in Grund und Boden schrieben. Die Fußball-Woche ließ sogar die Fläche für den Spielbericht komplett frei. Die Begründung: “Auch wir haben uns die Einstellung der Nationalmannschaft zu eigen gemacht und uns für die Endspiel-Ausgabe geschont“, hieß es dort. Bundestrainer Jupp Derwall sah sich schuldlos, konnte er doch nichts für den Turniermodus und sicher wäre er auch massiv kritisiert worden, hätte sich ein zentraler Stammspieler im unwichtig gewordenen Spiel verletzt. Die Stimmung vor dem Finale war also nicht die allerbeste und passte allgemein in dieses in weiten Teilen enttäuschende Turnier, was die Spannung und die Spielqualität angeht.

Unerwarteter Endspielgegner für die DFB-Elf

Das Niveau der Gruppe 2 mit England, Spanien, Belgien und Italien war von vielen Experten sogar als noch schwächer bezeichnet worden als das der deutschen Gruppe 1. Es herrschte trotz der heute toll klingenden Namen Minimalismus pur vor. Die Engländer enttäuschten komplett, auch Spanien brachte nicht viel zustande. Die Belgier hingegen hatten alles Recht, ihre Spiele als Außenseiter defensiv anzugehen, noch dazu bissen sich alle Gegner unseres Nachbarlandes an der nahezu perfekt einstudierten belgischen Abseitsfalle die Zähne aus. Dies reichte, um gegen England 1:1 zu spielen und gegen Spanien knapp mit 2:1 zu gewinnen. Im letzten Spiel kam es dann immerhin zu einem verkappten Halbfinale, welches Gastgeber Italien aber hätte gewinnen müssen, denn sie hatten – ganz Italien like – gerade mal ein Tor geschossen, damit aber die gleiche Punktzahl wie die Belgier erreicht. Doch das nun folgende 0:0 reichte den Südeuropäern nicht.

EM 1980 Deutschland - Belgien Italien, Rom, 22.06.1980, Fussball, UEFA EM 1980 in Italien, Finale, DFB Deutschland - Belgien 2:1: Harald Toni Schumacher Deutschland. *** EM 1980 Germany Belgium Italy, Rome, 22 06 1980, Football, UEFA EM 1980 in Italy, Final, DFB Germany Belgium 2 1 Harald Toni Schumacher Germany

Foto: imago images / Sportfoto Rudel

Das Endspiel von Rom hieß also nun Deutschland gegen Belgien. In diesem Spiel waren die FC-Stars Toni Schumacher und Bernd Schuster gesetzt, für Bernd Cullmann war wie bei der WM 1974 der Platz auf der Bank vorgesehen. Doch dann der Schock für Schumacher, ein unabsichtlicher Tritt im Abschlusstraining und der Kölner erlitt einen Mittelhandbruch. Dem DFB-Tross verschwieg Schumacher jedoch die Schwere der Verletzung und ließ sich Diagnose und Betäubungsspritze vom eingeweihten und eingeflogenen FC-Vereinsarzt geben. Das Spiel lief gut für die deutsche Elf, der bis dato in der Nationalelf torlose Horst Hrubesch traf nach Schuster-Vorlage bereits früh im Spiel aus etwa 17 Metern per Flachschuss zum wichtigen 1:0. In der Folge verlief das Spiel abwechslungsreich und beide Torhüter, Jean Marie Pfaff und eben Toni Schumacher, bekamen ordentlich zu tun. So viel, das Schumacher dringend eine „Nachladung“ benötigte. Sofort nach dem Pausenpfiff rannte er Richtung Kabine, um sich eine weitere Betäubung geben zu lassen.

Cullmann wird eingewechselt

Die zweite Halbzeit war nur wenige Minuten alt, als Hans-Peter Briegel, der bis dahin ein sehr gutes Spiel machte, nach einem Foul nicht mehr weiterspielen konnte. Ersetzt wurde die „Walz von der Pfalz“ in der 55. Minute durch Bernd Cullmann, der mit seinem ersten Finaleinsatz den verdienten Lohn für viele Jahre treuen Dienst für die Nationalmannschaft erhielt. Er bekam wie alle anderen reichlich Arbeit, denn eine gute Viertelstunde lang hatte Belgien das Spiel im Griff und kam zu guten Möglichkeiten. Doch Toni Schumacher zeigte einige gute Paraden und war nicht zu überwinden. Bis zu dem Moment, als der rumänische Schiedsrichter Nicolae Rainea nach einem klaren Foul an Van der Elst auf den ominösen Punkt zeigte.

“Stellt eure Linsen scharf, gleich kracht’s.”

Eine heftige Fehlentscheidung, denn Ulli Stielike hatte den belgischen Stürmer ganz klar außerhalb des Strafraums von den Beinen geholt. Nach heutigem Standpunkt jedoch wäre Stielike damit vom Platz geflogen, er war der letzte Mann und hatte keine Chance mehr auf den Ball. Jedenfalls ließ René Vandereycken Toni Schumacher keine Chance und erzielte den Ausgleich. Es drohte also wie 1976 eine Verlängerung, denn es waren nach dem Strafstoß nur noch zwölf Minuten zu spielen. Das Spiel wog nun hin und her, auch wenn beide Teams nun etwas vorsichtiger agierten, wollte sich niemand auf eine Verlängerung oder gar auf ein Elfmeterschießen verlassen. In der 88. Minute gab es Ecke für Deutschland, der Legende nach sprach Eckballschütze Karl-Heinz Rummenigge zuvor den Satz zu den Fotografen: „Stellt eure Linsen scharf, gleich kracht’s.“

Und so kam es auch: Das so genannte „Kopfballungeheuer“ Horst Hrubesch, bekannt dafür in alles mit dem Kopf voran reinzufliegen, was rund ist, wuchtete das Leder mit der vollen Power seines massigen Körpers in den Winkel. Der überzeugende belgische Torwart Jean Marie Pfaff war ohne Chance. Die restlichen Minuten überstand die DFB-Elf schließlich schadlos, mit dem Abpfiff war Deutschland zum zweiten Mal vielumjubelter Europameister. Ein verdienter Sieg in einem würdigen Finale, da waren sich die Beobachter im Nachhinein einig. Das Endspiel sollte, vielleicht neben dem 3:2 über Holland, das beste Match dieser an guten Spielen armen Europameisterschaft werden. Da das deutsche Team in beiden besten Spielen am Ende verdient siegreich war, galt es auch als verdienter Europameister. Die nicht ganz so überzeugenden Spiele gegen die Tschechoslowakei und Griechenland waren erklärbar. Schließlich riskiert man in einem Eröffnungsspiel selten viel und das Match gegen die Griechen war durch den Modus zum Testspiel degradiert.

Anteile der FC-Spieler im Turnier

Toni Schumacher agierte als neue Nummer 1 praktisch fehlerfrei und zeigte gute Paraden sowie eine beeindruckende Präsenz. Bei ihm hatten alle Beteiligten schlicht ein gutes Gefühl und in der Gesamtsumme blieb er in der Folge die logische Nummer 1 im deutschen Tor. Die Frage nach dem Nachfolger für den großen Sepp Maier war eindeutig beantwortet. Der Kölner entwickelte sich in den Folgejahren weiter, wurde eine internationale Größe und galt und gilt bei vielen Experten als einer der weltbesten Torhüter der 80er Jahre. In der Nacht von Rom, am 22. Juni 1980, legte die unerschrockene FC-Legende endgültig den Grundstein für seine internationale Karriere und seinen Weltruf.

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Bernd Schuster gilt auch heute noch als DER Spieler des Turniers, trotz des zweifachen Endspieltorschützen Hrubesch. Der zeitweise an Netzer und Overath erinnernde Spielmacher absolvierte zwar nur zwei der vier Partien, es waren aber die herausragendsten des Turniers und beide Spiele wurden entscheidend von ihm gestaltet. Das der FC ihn nicht würde halten können, war aber frühzeitig absehbar. Der eigenwillige gebürtige Augsburger flirtete damals bereits mit Bayern München und als er sich endgültig mit FC-Trainer Heddergott überwarf, wechselte er zum Weltclub FC Barcelona und begann seine große Karriere in Spanien. Doch in diesem EM-Turnier im Jahr 1980 vertrat er noch die Farben des 1. FC Köln.

EM 1980 Deutschland - Belgien Italien, Rom, 22.06.1980, Fussball, UEFA EM 1980 in Italien, Finale, DFB Deutschland - Belgien 2:1: Siegerfoto Team Deutschland mit dem Pokal Obere Reihe v.l. Karl-Heinz Rummenigge, Harald Toni Schumacher, Bernd Cullmann, Bernd Schuster, Hans-Peter Briegel, Horst Hrubesch, Uli Stielike, Jupp Derwall Trainer Untere Reihe v.l. Klaus Allofs, Manfred Kaltz, Bernard Dietz, Karlheinz Förster, Hansi Müller. *** European Championship 1980 Germany Belgium Italy, Rome, 22 06 1980, Football, UEFA European Championship 1980 in Italy, Final, DFB Germany Belgium 2 1 Winner Photo Team Germany with the Cup Upper row from l Karl Heinz Rummenigge, Harald Toni Schumacher, Bernd Cullmann, Bernd Schuster, Hans Peter Briegel, Horst Hrubesch, Uli Stielike, Jupp Derwall Trainer Lower row from l Klaus Allofs, Manfred Kaltz, Bernard Dietz, Karlheinz Förster, Hansi Müller

Foto: imago images / Sportfoto Rudel

Für den deutschen Fußball fatal, Schuster überwarf sich schließlich auch noch mit dem DFB. Somit spielte er 1980 sein einziges Turnier für Deutschland. Mit ihm hätte man 1982 und 1986 eventuell noch mehr erreichen können als zwei Vize-Weltmeisterschaften. Während für die beruflichen Fast-Namensvettern Schumacher und Schuster die internationale Karriere begann, beendete Bernd Cullmann seine DFB-Tätigkeit mit seinem 40. und zugleich letzten Länderspiel in der Nacht von Rom. Obwohl der „Culli“ immer ein klein wenig im Schatten von Overath, Flohe, Dieter Müller, Toni Schumacher und Bernd Schuster statt, er ist bis zum heutigen Tage der einzige FC-Spieler, der die Welt- UND Europameisterschaft holte. Zwar hatte der Kölner seine besseren Momente in der Qualifikation, aber als es darauf ankam, war auf ihn Verlass. Solide spielte er im Endspiel seinen Part und fand ein mehr als würdiges Ende seiner Nationalmannschaftskarriere.

Der größte FC-Erfolg bei Europameisterschaften

Der vierte Kölner im Bunde war Herbert Zimmermann, der aufgrund seiner Verletzung keine Chance hatte, aktiv etwas zum Titelgewinn beizutragen. Europameister darf er sich dennoch nennen und durch zwei Tore in der Qualifikation ist dies auch verdient. Die Europameisterschaft an sich war als Veranstaltung kein großer Erfolg: Merkwürdiger Modus mit Verzicht auf K.o.-Spiele, spannungsarme Begegnungen, wenig Zuschauer. Immerhin sollte die UEFA zur nächsten Europameisterschaft wieder das Halbfinale einführen, aber dies ist dann wieder eine andere Geschichte. Insgesamt war die EM 1980 aus FC-Sicht der größte Erfolg. Sicher, die Beiträge von Müller und Flohe im Endturnier von 1976 waren aufgrund der von ihnen erzielten fünf Tore und den maßgeblich herbeigeführten Spielwendungen noch ein wenig prägender gewesen sein. Aber den Titel holten sie leider nicht. 1980 konnte man nun gleich vier Europameister am Geißbockheim zum Saisonbeginn zu begrüßen. Das wird sicher noch sehr lange dauern, bis das einmal getoppt wird. Wenn überhaupt …

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