Folge uns
.

Ehrentribüne

EM-Momente des 1. FC Köln: Stracks Heldentat, Tonis langer Bußgang und eine vorzeitige Abreise

Die Europameisterschaft 2020 ist mit einem Jahr Verspätung nun im vollen Gange – auch unter Beteiligung des 1. FC Köln. In unserer Reihe “Kölsche EM-Momente” blicken wir in der vierten Folge auf das aus deutscher Sicht wenig erfolgreiche Turnier 1984, das die DFB-Elf nur durch FC-Unterstützung erreichte.

Bildnummer: 02923142 Datum: 20.06.1984 Copyright: imago/Sven Simon Antonio Maceda Frances (li.) trifft gegen Torwart Harald Schumacher zum 1:0, Bernd Förster (beide BR Deutschland, re.) und Javi Lopez (Spanien) schauen gespannt zu; Aufmacher Toni Francisco Javier quer Zweikampf, Ball Perspektive Durchblick Netz Tornetz Tor, Treffer, Gegentor EM 1984, Nationalmannschaft, Nationaltrikot Spanien - BRD 1:0 Gruppe 2, gehaltener Elfmeter Vdia Paris verschossen gehalten verschossener Parc des Princes Prinzenpark Prinzenparkstadion Spannung, Fußball Länderspiel Herren Mannschaft Gruppenbild Aktion Werbemotiv Personen
Foto: imago images / Sven Simon

Als wenige Wochen später die Türkei im Hamburger Volksparkstadion mit 5:1 in die Schranken gewiesen wurde, zweifelte keiner mehr daran, dass das deutsche Team in Frankreich 1984 mit von der Partie ist. Auch weil Österreich mittlerweile nach dem perfekten Start mit drei Siegen und 11:0 Toren mehr und mehr die Puste ausging. Alles schien geregelt, denn zwei noch folgende Heimspiele gegen Nordirland und Albanien sollten ja wohl nicht das Problem darstellen. Doch dann der Schock: Am 16.11.1983 gingen die Nordiren durch ein Tor ihres Jungstars Norman Whiteside im Hamburger Volksparkstadion in Führung.

Dem deutschen Team wollte nichts gelingen und so verlor die DFB-Auswahl schlussendlich auch das zweite Spiel gegen den international kaum beachteten Gegner. Und … die Nordiren übernahmen sogar die Tabellenspitze, waren allerdings nun auch bereits durch mit ihren Spielen. Deutschland hingegen hatte noch einen Schuss frei, das letzte Spiel gegen Albanien konnte die Qualifikation noch bringen. Dazu zwingend notwendig: Ein Sieg! Damit wäre Punktgleichheit gegeben und das bessere Torverhältnis würde dem Titelverteidiger doch noch die Chance ermöglichen, den Cup im Endrundenturnier zu verteidigen.

Auch interessant
Nachruf auf Gerd Strack: Der letzte Titel-Kapitän des 1. FC Köln ist von Bord gegangen

Man kann schon sagen, dass in Fußball-Deutschland nun ein wenig Panik ausbrach. Die Stimmung war sowieso schon zuvor durchwachsen, denn die WM 82 hallte immer noch nach. Daran änderte auch der Landesmeister-Pokalsieg des HSV im Mai 1983 nicht viel, zumal in der Folgesaison des Europapokals alle deutschen Mannschaften nicht über den Winter kamen. Eine Nicht-Teilnahme an der Europameisterschaft wäre einer nationalen Fußball-Katastrophe gleichgekommen. Da hätte es wenig getröstet, dass auch Weltmeister Italien, England und die Niederlande allesamt sensationell die Endrunde verpassten.

Strack köpft Fußball-Deutschland ins EM-Glück

Nun ging es, nur vier Tage nach dem Nordirland-Schock, im Saarbrücker Ludwigspark gegen Albanien. Ausgerechnet Albanien, gegen das die DFB-Auswahl in der Quali für die EM 1968 bereits völlig überraschend gescheitert war. Dass der 20. November 1983 auch noch der Totensonntag war, machte die Symbolik des drohenden Scheiterns nahezu perfekt. Fast schon logisch, dass die bis dahin sieglosen Außenseiter gegen nervöse und fahrige DFB-Kicker in Führung gingen und sich auch nach dem postwendenden Ausgleich durch Rummenigge nicht vom amtierenden Europameister und Vizeweltmeister beeindrucken ließen. Es schien sie auch nicht zu stören, dass sie die zweite Halbzeit in Unterzahl absolvieren mussten, da ihr Torschütze Tomorri kurz vor dem Pausenpfiff des Feldes verwiesen wurde.

Foto: imago images / Ferdi Hartung

Die zeitmessende Einheit „Minute“ schien in der zweiten Halbzeit plötzlich nur noch aus maximal 30 Sekunden zu bestehen, so kam es den Zuschauern im Stadion, an den TV-Geräten und sicher auch den Spielern selbst vor. Die Zeit verging also rasend schnell und ein Tor wollte und wollte nicht fallen, so sehr sich die Adlerträger auch mühten. Das Aus war nah und es waren nur noch etwas mehr als zehn Minuten zu spielen, als eine Flanke von Bernd Förster von der rechten Seite Richtung Strafraum geschlagen wurde. Der Kölner Libero Gerd Strack hatte sich nach vorne gewagt, profitierte dann vom falschen Stellungsspiel des den Ball verfehlenden albanischen Abwehrspielers und wuchtete das Leder mit dem Kopf zielgenau aus etwa 10 Metern in die untere rechte Torecke. Riesenjubel im Ludwigspark und im ganzen Land, denn damit war der Europameister von 1972 und 1980 letztlich doch qualifiziert.

Das Turnier beginnt – Vier FC-Spieler dabei

Stracks Treffer war diesmal der einzige, den ein FC-Spieler in der Qualifikation erzielen konnte. Die Wichtigkeit dieses Treffers jedoch kann kaum hoch genug eingeschätzt werden, schließlich wäre Deutschland als Titelverteidiger ohne seinen platzierten Kopfball nicht zur EM gefahren. Dies wäre sicher noch blamabler gewesen als die das Verpassen der EM 1968, als dieses Turnier noch keinen so hohen Stellenwert in Deutschland besaß und man nur auf Druck der UEFA an der Qualifikation zum Turnier teilnahm. So konnte im Juni 1984 also endlich das Turnier beginnen. Sorge bereitete vielen Experten allerdings das spielerische Defizit. Hatte man 1980 und 1982 fast noch zu viele Spielmacher – Paul Breitner, Felix Magath, Bernd Schuster und Hansi Müller – war nun gar keiner mehr vorhanden. Breitner war 1982 zurückgetreten, die anderen waren verletzt oder wie Italien-Legionär Müller völlig außer Form.

Derwall musste auf wenig erfahrene Spieler wie Norbert Meier (Bremen) und Lothar Matthäus (Gladbach) setzen, um das Spiel anzutreiben. Die eher biederen Alternativen hießen Wolfgang Rolff (HSV), Johnny Otten (Bremen), Rudi Bommer (F95), Hans Günter Bruns (M´gladbach), Ralf Falkenmayer (SGE) und Guido Buchwald (VfB). Wohl selten hatte ein deutsches Mittelfeld weniger Glanz als zur musikalischen Hochzeit der „Neuen Deutschen Welle“. Vom FC war es Toni Schumacher vorbehalten, als absolut gesetzt zu gelten. Streng genommen war der Torhüter sogar – mit Kalle Rummenigge gemeinsam – der wohl insgesamt größte Star der gesamten DFB-Truppe. Trotz seiner international umstrittenen Persönlichkeit seit dem Fall Battiston hatten die Gegner vor ihm einen Heidenrespekt, manche sogar Angst. Sportlich war der 30-jährige Schumacher vielleicht sogar fast auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen.

Auch interessant
EM-Momente des 1. FC Köln: Die "Schmach von Tirana" und der erste deutsche EM-Titel

Gerd Strack, der Held von Saarbrücken, hatte es ebenfalls in den Kader geschafft, sollte aber nicht mehr zum Einsatz kommen. Ebenso dabei: Pierre Littbarski, der in der Liga 17 Treffer erzielte, jedoch als nicht gesetzt galt. Erfreulicherweise war auch Klaus Allofs noch auf den EM-Zug gesprungen. Der Ex-Düsseldorfer hatte nach schwachem Beginn beim FC mehr und mehr die Rolle des Goalgetters eingenommen und nach einer Top-Rückrunde mit insgesamt 20 Toren und starken Leistungen es sogar in die DFB-Startelf zurück geschafft.

Die deutsche Gruppe

Deutschland war in Gruppe 2 eingeteilt und hatte es mit Portugal, Rumänien und Spanien zu tun. Die Portugiesen waren in dieser Zeit vor der Ära Luis Figo und erst recht vor Cristiano Ronaldo eher ein interessanter Außenseiter, auf die man zu achten hatte. Rumänien, die mit dem 18-jährigen Talent Gheorghe Hagi antraten, durfte man zwar nicht unterschätzen, sollte aber kein Problem darstellen und auch Spanien war damals noch kein Gegner, der grundsätzlich Angst und Schrecken verbreitete. Immer noch galt die spanische Nationalmannschaft als ein ungeliebtes Anhängsel des im Lande viel wichtigeren Vereinsfussballs. Gute und auch namhafte Einzelspieler waren natürlich dennoch genügend im Kader. Aber, als Favorit galt trotz aller Probleme die deutsche Elf.

“Ich bin überrascht und erfreut über die Leistung von Lothar”

Doch im Auftaktspiel gegen Portugal in Straßburg konnte die Elf um Kapitän Karl-Heinz Rummenigge diese Favoritenstellung kaum bis gar nicht untermauern. Aus dem Mittelfeld, diesmal in Ermangelung an Kreativität sogar mit einem Kalle Rummenigge, kam wenig bis nichts, um die Sturmspitzen Völler und Allofs in Position zu bringen. Die Portugiesen spielten als so genannte Brasilianer Europas zwar stellenweise trickreich, aber wenig durchschlagskräftig und so blieb es beim ernüchternden 0:0. Im zweiten Spiel in Lens gegen Rumänien war also nun Druck da, ein Sieg musste her und das DFB-Team steigerte sich schließlich auch. Im Mittelfeld spielten nun Lothar Matthäus und Norbert Meier und beide brachten tatsächlich einen Schuss mehr Kreativität mit ein. “Ich bin überrascht und erfreut über die Leistung von Lothar”, sagte Derwall im Anschluss, woran man erkennt, dass Matthäus damals noch lange nicht der Mittelfeld-Star war, als der er heute gilt. Vielleicht war dieses Rumänen-Spiel ein erstes Signal in die richtige Richtung, denn es reichte schließlich zum wichtigen 2:1-Erfolg über das Team aus den Karpaten. Rudi Völler traf dabei zweimal und Erleichterung machte sich breit.

Auf der nächsten Seite: Das beste Spiel und dennoch das Aus

Seite 2 von 3

Mehr aus Ehrentribüne

.