Während der ersten Weisweiler-Saison, die grandios begann, dann aber abflachte und die alten Probleme zutage traten, spätestens da dürfte Weisweiler davon überzeugt gewesen sein, dass eine Rosskur die einzig richtige Lösung sei. Die Art und Weise, wie er mit Overath umsprang, stieß längst nicht überall auf Gegenliebe, auch nicht bei Thielen. Der Manager wusste, dass er sich auf einen starken Trainer eingelassen hatte, der volle Autorität einforderte. Anders als in Barcelona, wo Cruyff alle relevanten Strippen vor und hinter den Kulissen zu ziehen verstand, konnte er in Köln das Denkmal Overath demontieren.
Overath war 33 Jahre alt, längst aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. Ein Spieler, der seine Karriere eh ausklingen lassen wollte. Der Konflikt spaltete zwar die Mannschaft, denn einerseits schlugen sich diejenigen Spieler, die ebenfalls keinen hundertprozentigen Rückhalt durch Weisweiler erfuhren, auf die Seite des angeschlagenen Kapitäns, aber andererseits verhielt sich die Mehrzahl zumindest neutral in der Sache.
Thielen war demgegenüber durchaus ein Antipol zu Weisweiler. Es gab Gerüchte, dass Weisweiler auf den Stuhl des Managers scharf war, eigentlich die Zeit gekommen sah, nicht mehr jeden Tag auf dem Trainingsplatz bei Wind und Wetter rumzustehen. Thielen, der sich nie vor einer Auseinandersetzung wegduckte, steckte die Grenzen ab, führte ein klärendes Gespräch mit den Trainer, zeigte die Grenzen auf. Weisweiler verstand und erst ab diesem Moment funktionierte es zwischen Manager und Trainer reibungslos.
Heinz Flohe – der Schlüsselspieler
Die Neuordnung des Mittelfelds dürfte tatsächlich der Schlüssel zum Erfolg gewesen sein. Flohe war immer schon innerhalb der Mannschaft wohlgelitten. Seine Beliebtheit resultierte aus der Tatsache, dass jeder Mitspieler genau wusste, welch ein Ausnahmekönner er war. Viele bewunderten ihn wegen seiner tatsächlich außerordentlichen, technischen Fähigkeiten und obwohl dem so war, verhielt sich Flohe nie wie ein Star oder wie ein abgehobener, launischer Künstler. Er galt stattdessen als ein Kumpel, mit dem man Pferde stehlen konnte. Aus dieser eher seltenen Kombination erwuchs eine natürliche, allseits akzeptierte Autorität.
Weisweiler wollte eine andere Spielweise, getragen durch Flohe: Schnelle Vorstöße, kurze Pässe, weniger Dribblings als sonst üblich beim begnadeten Techniker aus Euskirchen. Da er das direkte Duell mit dem Gegenspieler aber sowieso wie kein anderer beherrschte, konnte er seine Trickkiste mit Billigung des Trainers dann auspacken, wenn sich kein anderes Mittel mehr anbot. Genau das bläute er ihm ein, übte auch das immer wieder im Training.
Flohe sollte außerdem mehr Torschüsse riskieren. Viele seiner vorherigen Tore waren absolute Bilderbuchtore, wahnsinnige Weitschüsse zumeist. Nun sollte er auch mal aus weniger spektakulären Entfernungen und Winkeln drauf halten. Flohe sog das alles wie ein Schwamm auf, seine Motivation kannte kaum noch eine Grenze. Das sichtbarste Zeichen dafür, dass sich seine Rolle fundamental änderte, war seine einstimmige Wahl zum Mannschaftskapitän.
Größter Erfolg fast ohne Neuzugänge
Warum Weisweiler vor der Double-Saison ganz auf großartige Neuverpflichtungen verzichtete und auch Thielen keinen gesteigerten Handlungsbedarf sah, ist bis zu einem gewissen Grad geheimnisumwittert. Einerseits war man definitiv überzeugt, dass der vorhandene Kader ausreicht, aber andererseits versuchte man richtigerweise einen weiteren Top-Mann für die rechte Seite zu engagieren.
Man weiß heute, dass man den holländischen Superstar Johnny Rep verpflichten wollte. Dass er nicht geholt wurde, hatte tatsächlich seinen Grund in Weisweilers Aversion gegen seinen Intimfeind Cruyff, was wiederum nicht unbedingt für nüchternes, strategisches Denken spricht. Doch es reichte damals, dass Rep eine Freundschaft zu Landsmann Cruyff nachgesagt wurde, die dem Startrainer nicht schmeckte.
Die Auftaktpleite in Düsseldorf führte zu keinem Fehlstart. Es wäre symptomatisch für den FC alter Prägung gewesen. Dass der FC jedoch nach seinen glanzvollen Siegen plötzlich im September völlig einknickte, drei Bundesliga-Spiele hintereinander verlor und im Europapokal sang- und klanglos ausschied, eine handfeste Negativserie hinlegte, spricht allerdings dafür, dass es mit dem Mentalitätswandel noch nicht allzu weit her war.
Eine neue, abgebrühte Spielweise
Spätere Einbrücke, die durchaus nach Niederlagen hätten kommen können, blieben jedoch ganz aus. Im Zweifelsfalle riss man sich zusammen, bekam postwendend wieder die Kurve, bestes Beispiel: Der Sieg auf dem Betzenberg nach der Heimniederlage gegen Frankfurt. Die neue, abgebrühte Spielweise, die Weisweiler einforderte, zog sich ab Oktober durch die gesamte Saison. Es war ursächlich Verdienst des Startrainers.
Auf der nächsten Seite: Die falschen Weichenstellungen nach dem Double