Am Ende eines intensiven und stimmungsvollen Flutlicht-Spiels zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Dortmund mussten alle Beteiligten erst einmal durchatmen. In einer packenden Partie hatten die “Geißböcke” dem BVB ein 1:1 (1:1) abgetrotzt, ließen sich dabei weder von einem frühen Rückstand, noch von nach dem Seitenwechsel aufkommenden Schwarzgelben ins Bockshorn jagen. Als „keinen schlechten Schachzug“, betitelte Mark Uth die Umstellung von Dortmunds Trainer Marco Rose zur Halbzeit von Vierer- auf Dreierkette. Durch diesen Taktikkniff gewann der BVB in der zweiten Hälfte die Oberhand im Spiel gegen den 1. FC Köln, welcher in der ersten Hälfte mehr von der Partie hatte. Letztlich sprang in einem Spiel mit zwei unterschiedlichen Halbzeiten ein gerechtes Unentschieden heraus, darüber waren sich alle Beteiligten einig.
In einem erstmals seit dem Derbysieg gegen Borussia Mönchengladbach mit 50.000 Zuschauern ausverkauften Stadion zu Köln-Müngersdorf sicherten sich die Kölner mit dem Remis den letzten Punkt für die magische 40-Punkte-Marke. Das Saisonziel ist bereits nach dem 27. Spieltag erreicht. Nun folgt die Kür oder wie Mark Uth nach Schlusspfiff sagte: „Wir haben nichts mehr mit dem Abstieg zu tun, jetzt schauen wir nach oben.“ Dass das Team von Trainer Steffen Baumgart die Saison nicht einfach auslaufen lassen will, zeigte sich über die 90 Minuten gegen den BVB, die von Leidenschaft und Kampfeswille auf Kölner Seite geprägt waren.
Die erste Halbzeit: Ein Feuerwerk an Flanken
Der FC ging mit einigen Ausfällen in die Partie, musste unter anderem Florian Kainz, Jonas Hector und Ellyes Skhiri aus der Startelf der Vorwoche gegen Bayer Leverkusen ersetzen. Als in der 8. Spielminute das 1:0 für den BVB durch den ehemaligen Kölner Marius Wolf fiel, hatte sich das Lazarett der Domstädter bereits erweitert. Durch eine Verletzung von Rechtsverteidiger Benno Schmitz standen die “Geißböcke” während des Gegentreffers nur mit zehn Mann auf dem Feld. Die Borussen wussten die kurze Unordnung in der FC-Defensive zu nutzen: Ein langer Ball hinter die Abwehrkette, während Jannes Horn auf Abseits spielte, Timo Hübers es ihm allerdings nicht gleichtat, ließ Wolf frei vor dem Tor auftauchen, sodass er aus spitzem Winkel an Kölns Keeper Marvin Schwäbe vorbei zum 1:0 einschob.
“Wenn wir die zwei Brocken da vorne drin haben, dann verwerten die auch mal einen“
Doch wie so oft in dieser Saison ließen sich die Kölner nach einem Gegentreffer nicht aus der Ruhe bringen. Im Gegenteil: Im weiteren Verlauf der ersten Hälfte zogen die „Geißböcke“ ihr aggressives Spiel erst richtig auf. Der FC presste früh, lief hoch an, stand mit der gesamten Mannschaft hoch aufgerückt, verdichtete das Mittelfeld, zwang dadurch den BVB zu Fehlern und kam über Willen und Bereitschaft immer wieder zu Ballgewinnen. Primär über Außenpositionen generierten die Kölner vermehrt Gefahr, was sich auch im Flankenverhältnis von 16:3 pro Köln zur Halbzeitpause widerspiegelte. In der 21. Minute verpasste Anthony Modeste eine scharfe Hereingabe von Mark Uth nur knapp. Jener Uth hatte dann in der 27. Minute zwei Chancen, bei welchen er erst zu zögerlich agierte und ihm anschließend der Ball in aussichtsreicher Position versprang.
„Wir haben die Flügel nicht mehr zubekommen, sie waren sehr spielaktiv. Dann kam eine Flanke und eine Chance nach der anderen und ein total gerechter Ausgleich“, analysierte BVB-Trainer Marco Rose nach der Partie, denn in der 36. Minute belohnte sich die Baumgart-Truppe schließlich: Nach Flanke von Horn leitete Modeste den Ball via Kopf weiter an den zweiten Pfosten, wo Sebastian Andersson den Ball über die Linie drückte. „Wenn wir die zwei Brocken da vorne drin haben, dann verwerten die auch mal einen“, kommentierte Salih Özcan die Tor-Szene nach Schlusspfiff mit einem Schmunzeln.
Der Torschütze: Eine Wiederauferstehung?
Für Torschütze Andersson sollte der Treffer besonders befreiende Wirkung haben, traf er doch zum ersten Mal seit dem Derbysieg gegen Gladbach im November des letzten Jahres. Falls ein ausverkauftes Müngersdorfer Stadion also stets einen Andersson-Treffer garantiert, würden das wohl alle Effzeh-Fans dankend unterschreiben. Doch nicht nur sein Tor zeichnete Andersson in diesem Spiel aus. Über weite Phasen, vor allem der ersten Hälfte, wirkte er viel stärker in das Spiel eingebunden, gewann die meisten Kopfballduelle aller FC-Spieler, sicherte und schirmte den Ball ab und schließlich traf er zum wichtigen Ausgleich in Mittelstürmer-Manier, indem er sich an den langen Pfosten schlich und dort nur noch einschieben musste.
“Seb Andersson hat eine gute Entwicklung gemacht. Er hat sich in Zusammenarbeit mit Tony heute belohnt”
Dass sich seine Mitspieler über den Erfolg des Schweden freuten, zeigte Stümer-Kollege Anthony Modeste, als in der Jubeltraube wiederholt auf Anderssons Namen und Rückennummer zeigte, um den Zuschauer*innen zu verdeutlichen, dass der ehemalige Unioner seinen Riecher noch nicht verloren hat. “Seb Andersson hat eine gute Entwicklung gemacht. Er hat sich in Zusammenarbeit mit Tony heute belohnt”, lobte auch FC-Coach Steffen Baumgart nach der Partie seinen schwedischen Sturmtank, der erstmals seit dem 4:1-Derbysieg gegen Borussia Mönchengladbach wieder treffen konnte. Kann Andersson zukünftig an diese Leistung anknüpfen, kann er erneut zu einem Schlüsselspieler für den 1. FC Köln im Schlussspurt einer Saison werden.
Die zweite Halbzeit: Weniger Zugriff, genauso viel Leidenschaft
Genau wie der Rest der Mannschaft fand aber auch Andersson im zweiten Abschnitt nicht mehr gut in die Partie. Während Gäste-Trainer Rose in der Halbzeit seinen „cleveren Schachzug“ vorbereitete, diskutierte das Trainerteam der Kölner zum Pausenpfiff noch auf dem Platz über mögliche Räume, die man in der zweiten Hälfte besser attackieren könnte. Doch dies machte der BVB dank der Umstellung auf Dreierkette zunichte. Fortan fanden die Kölner keinen Zugriff mehr auf das Aufbauspiel der Dortmunder. Angesprochen auf die Umstellung der Schwarzgelben sagte Steffen Baumgart, dass es nicht die Stärke der beiden Stürmer Andersson sowie Modeste sei, eine Dreierkette anzulaufen und gab zu, dass er schneller auf die veränderte Taktik der Gäste hätte reagieren müssen.
Das Kölner Problem eine Dreierkette im Aufbau effizient anzulaufen, ist ein bekanntes Muster aus dieser Saison, denn das Pressing greift zumeist dann am schlechtesten, wenn die Gegner mit drei Abwehrspielern formiert sind. Gut nachzulesen ist das in der effzeh.com-Analyse zum Spiel gegen die TSG Hoffenheim. Zudem ging der Flügelfokus im eigenen Angriff verloren, da der BVB die Außenbahnen durch jeweils einen zusätzlichen Spieler stärker zustellte. Die Überlegenheit der Dortmunder wird auch in einigen Zahlen deutlich: Während die Kölner zur Pause noch 62 Prozent Ballbesitz hatten, waren es am Ende nur noch rund 53 Prozent, den 16 Flanken aus Halbzeit eins stehen lediglich neun in Hälfte zwei gegenüber und während die “Geißböcke” bis zur Pause nur eine 71-prozentige Passquote des BVB zuließen, steigerte dieser seine Genauigkeit bis zum Ende des Spiels auf rund 78,5 Prozent.
Doch die Leidenschaft ließen die Kölner auch im zweiten Abschnitt nicht vermissen. Beispielhaft zeigte sich dies in der 74. Minute, als Jan Thielmann nach einer eigenen Ecke zum Sprint nach hinten ansetzte und mit einer eingesprungenen Grätsche einen Querpass im Sechzehner zur Vollendigung des Dortmunder Konters verhinderte. Nicht nur Thielmann selbst, sondern auch seine Mitspieler und der Großteil der 50.000 Zuschauer*innen feierte diese Aktion wie einen eigenen Treffer. Zwar merkte man den Spielern zum Ende den großen Kräfteverschleiß der Partie an, trotzdem verhinderte man in der Schlussphase im Abwehrverbund weitere hochkarätige Chancen des BVB. „Das, was die Jungs abgerissen haben, ist das, was wir sehen wollen“, lobte FC-Coach Baumgart nach Abpfiff.
Fazit: Einige positive Aspekte
Insgesamt können die Kölner viel Positives aus der Partie ziehen: Das Saisonziel „40 Punkte und Nicht-Abstieg“ ist erreicht; Sebastian Andersson hat seine Stürmer-Instinkte nicht verloren; gegen einen starken Gegner war man eine Halbzeit lang die bessere Mannschaft; trotz vieler Ausfälle bringt die Mannschaft Spielsystem und -philosophie auf den Platz und die Fans dürfen endlich wieder den vollen Rückhalt im Stadion gewähren. Paart man diese Aspekte mit der großen Leidenschaft, die an den Tag gelegt wurde, ist im Saisonendspurt noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht.