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Interviews

Bio-Banding als innovativer Trainingsansatz im NLZ des 1. FC Köln: Äpfel mit Äpfeln vergleichen

Um die Talentförderung zu verbessern, setzt der 1. FC Köln seit geraumer Zeit im Nachwuchs auf das Bio-Banding-Konzept. Was dahinter steckt, warum die “Geißböcke” das machen und welche Rolle Kevin de Bruyne dabei spielt, verrät uns FC-Jugendkoordinator Marc Dommer im ausführlichen Interview.

Im selben Jahrgang, doch unterschiedlich groß - ein Fall für den Einsatz von Bio-Banding? (Foto: Allsport UK/ALLSPORT/Getty Images)

Wenn man jetzt einmal den Blick über die Gegenwart hinaus lenkt, welche Zukunftsperspektiven könnte der Bio-Banding -Ansatz für das NLZ des 1. FC Köln eröffnen?

Für die Zukunft gibt es Pläne, gegen die Teams des Kölner Stützpunktes Bio-Banding-Spiele zu bestreiten. Wir haben auch Kontakt zur DFB-Akademie bzw. zu anderen Vereinen, die sich auch auf den Weg gemacht haben, einen solchen Ansatz umzusetzen, mit denen wir gemeinsam Bio-Banding-Turniere austragen könnten. Allerdings macht uns zur Zeit unsere Platzsituation einen Strich durch die Rechnung. Wir müssten dann auswärtig spielen, was logistisch schwierig ist, weil wir dann die Eltern, die zum Teil berufstätig sind, wieder als „Fahrdienst“ einspannen müssten. Anderseits gibt es die Corona-Situation und deswegen wollen wir nicht zu viel mischen. Wir würden mit gemischten Teams gegen andere gemischte Teams antreten, ganz abgesehen von der Problematik der Kabinensituation. Also Infrastruktur und Corona verhindern im Moment noch, dass wir da den nächsten Schritt in Richtung Spiele mit Bio-Banding-Teams gehen, aber die grundsätzliche Überzeugung ist da, dass dies ein guter Ansatz ist und der Wille, das auch weiterzuführen, ist vorhanden, und das werden wir auch machen.

Es gibt seitens des DFB im „Projekt Zukunft“ die Idee, dass man im Nachwuchsbereich weg von der Ergebnisorientierung des Wettbewerbs kommen möchte, von Meisterschaft und Abstieg, und deshalb sogar die Auflösung von Nachwuchsligen in Betracht zieht. Wenn man dies weiterdenkt, könnten dann diesbezügliche Überlegungen irgendwann sogar in Richtung eines Bio-Banding-Spielbetriebs gehen?

Ja, absolut. Nicht exakt in diese Richtung, aber prinzipiell schon, weil mit einer solchen Liga, aus der man nicht absteigen kann, das ganz große Thema ‘Ergebnisdruck’ relativiert wird. Und da könnte man vermuten, dass dann die Spielerauswahl der beteiligten Vereine sich weniger an dem körperlichen Entwicklungsstand orientiert, an den Spielern, mit denen man aktuell Spiele gewinnt, sondern vielmehr an der langfristigen Talentperspektive der Spieler. Das ist wohl der Hintergrund der Idee des DFB und das ist ein absolut sinnvoller Gedanke.

Ich habe allerdings Zweifel daran, dass das wirklich passiert. Wir haben zum Beispiel in der U14 im Westen eine solche Liga ohne Abstieg und sehen dort trotzdem den Relative Age Effect. Es gibt eben Vereine, die um jeden Preis Meister werden wollen und sich dann die körperlich überlegenen Spieler auswählen mit entsprechendem biologischen Alter. Von denen werden dann übrigens nicht wenige nach zwei, drei Jahren wieder aussortiert. Und trotz alledem: Die Grundidee, den Ergebnisdruck in diesen sensiblen Wachstumsphasen rauszuhalten, halte ich für richtig. Mehr auf die Entwicklung Wert zu legen als auf das Ergebnis in dem Moment, ist der Förderung von Talenten absolut zuträglich. Eines ist natürlich klar: Wenn wir über U17 und U19 reden, müssen die Ergebnisse dort selbstverständlich eine Rolle spielen. Die Jungs müssen dann vorbereitet werden auf den Wettkampf, der sie im Erwachsenenfußball erwartet. Aber ob man nun in der U15 unbedingt Meister werden muss? Ich kann Ihnen Spieler nennen, die Europameister, Weltmeister und Champions-League-Sieger waren, aber niemals U15-Meister.

Der 1. FC Köln hat wie einige andere Vereine auch begonnen, das Bio-Banding in die Trainingsarbeit des NLZ zu integrieren. Inwieweit fördert der DFB diesen Ansatz und hat er den Verein dabei unterstützt?

Was man sagen kann, ist, dass der DFB schon vor einiger Zeit begonnen hat, Perspektivlehrgänge in den U-Jahrgängen einzurichten. Das heißt: Man hat Spieler eingeladen, von denen man gesagt hat, in denen sehen wir Potenzial, sie sind aber körperlich aktuell noch nicht so weit, dass sie in einer U-Nationalmannschaft schon mitspielen können. Aus meiner Sicht war das ein Tropfen auf den heißen Stein, weil ich mir nicht sicher bin, ob vereinzelte Lehrgänge in der betreffenden Altersstufe so viel bringen. Zudem sucht man da aus einer Gruppe aus, die eh schon zum großen Teil aus Frühentwicklern besteht. Man sichtet bei Länderpokal-Turnieren, bei denen die Relative Age Quoten bei ungefähr 80 Prozent liegen.

Andererseits haben wir aber ganz viel Unterstützung erfahren durch die DFB-Akademie, wo mit Joe Sardo jemand arbeitet, der sich dieses Themas angenommen und uns jede Menge an vorbereitender Literatur zur Verfügung gestellt hat, zum Beispiel auch Studien aus England und anderen Ländern zu diesem Thema. Die Relevanz dieses Themas ist beim DFB absolut präsent. Und es ist auch sehr hilfreich, dort Ansprechpartner zu haben und nochmal einen Blick mehr über den Tellerrand zu bekommen.

Die U17 des 1. FC Köln in einem Testspiel gegen die U17 des BVB am 21.3.2021 (Foto: IMAGO/Herbert Bucco)

Wenn man einmal über die Trainingseffekte des Bio-Banding hinausgeht: Inwieweit können Erkenntnisse aus diesem Ansatz auch das Scouting und den Bereich des Probetrainings beeinflussen?

Aus meiner Sicht massiv. Ich glaube, dass man auch da den nächsten Entwicklungsschritt gehen muss, indem man das Screening von Spielern im Probetraining noch breiter aufstellt, und dazu muss aus meiner Sicht auch das biologische Alter dieser Spieler gehören. Das machen wir bereits punktuell, aber noch nicht in dem Umfang und der Nachhaltigkeit, mit der man das machen müsste. Natürlich ist es immer noch am absolut wichtigsten, dass man sich die Einschätzung von Scouts und Trainern ansieht, Expertenauge und langjährige Erfahrung sind durch nichts zu ersetzen. Ich glaube aber, dass der Screening-Prozess eines Probespielers noch differenzierter gestaltet werden kann.

“Wenn man Äpfel mit Äpfeln vergleichen will, dann muss man die auch zusammenpacken. Und manchmal vergleicht man halt Äpfel mit Birnen.”

So sollte meiner Meinung nach der Vergleich mit biologisch Gleichaltrigen hierzu herangezogen werden. Wenn man Äpfel mit Äpfeln vergleichen will, dann muss man die auch zusammenpacken. Und manchmal vergleicht man halt Äpfel mit Birnen. Das heißt jetzt nicht, dass unsere Trainer und Scouts das mit ihrer Expertise nicht schon ein Stückweit machen, keineswegs! Wir treffen stets die Einschätzung, wie biologisch reif ein Spieler ist oder wie seine Perspektive eingeschätzt wird. Aus meiner Sicht würde es jedoch zu einem Mehrwert führen, dies noch mehr auf eine Faktenebene zu bringen. Das Auge des Experten ist das wichtigste, aber warum nicht noch die Messung dazunehmen, um sich abzusichern, darum geht’s.

Eines muss uns aber immer bewusst bleiben: Bei aller Optimierung des Scoutings und Screenings von Talenten, bei aller zielgenauen, auf das biologische Alter abgestimmten Gestaltung von Trainingsprozessen werden wir nicht jeden Spieler zum Profi machen können. Es geht vielmehr darum, den jugendlichen Fußballer bestmöglich darin zu unterstützen, das Maximale aus seinen Möglichkeiten zu machen. Und auch das ist ein attraktives Ziel, das sich zu verfolgen lohnt. Nach den Eindrücken aus der ersten Phase des Bio-Banding-Trainings glaube ich, dass der Ansatz in diesem Kontext Sinn macht und eine sehr gut geeignete unterstützende Maßnahme ist, um genau dieses Ziel zu erreichen.

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