“Affengeil“ war das Wort der Wahl, als Steffen Baumgart nach seinen Eindrücken des ersten Heimspiels des 1. FC Köln in der Gruppenphase der UEFA Europa Conference League gefragt wurde. „Affengeil“ war das FC-Spiel in den vorangegangenen 90 Minuten nun wahrlich nur phasenweise, doch durch den 4:2-Heimsieg gegen den 1. FC Slovácko katapultierten sich die „Geißböcke“ an die Spitze ihrer Gruppe. Mit „Spitzenreiter“-Rufen feierte das nicht ganz ausverkaufte Stadion das Team, das durch Tore von Sargis Adamyan (10.) und Florian Dietz (42.) vor der Pause und einem Doppelpack von Dejan Ljubicic (65., 74.) nach dem Seitenwechsel zum Erfolg gekommen war.
Ein Erfolg, der trotz Zwei-Tore-Führung zwischendurch auf Messers Schneide stand: Der FC verspielte nicht nur innerhalb von drei Minuten (Jan Kalabiska in der 49, Milan Petrzela in der 52.) den eigentlich komfortablen Pausenvorsprung, sondern präsentierte sich in der ersten Stunde grundsätzlich ziemlich wacklig. Schon nach wenigen Aktionen hatte Ondrej Duda Glück, dass er nach einem harten Foul noch auf dem Platz bleiben durfte. „Es ist so, dass die erste Halbzeit ausgeglichen war. Wir führen zwar 2:0, aber man hat gesehen, dass Marvin in ein bis zwei Situationen richtig da war. Ob das dann verdient oder unverdient war, ist mir eigentlich egal. Man hat schon die Qualität des Gegners gesehen“, betonte FC-Coach Steffen Baumgart nach der Partie. „Die ersten zehn Minuten der zweiten Halbzeit, das fällt einem als Trainer schwer, das zu erklären.“
Slovácko kontert die komfortable Kölner Führung
Bis dahin schienen die im Vergleich zum Wochenende rundum veränderten „Geißböcke“ trotz durchwachsenem Auftritt auf dem besten Wege zu sein, den ersten Heimsieg in der UEFA Europa Conference League einzufahren. Adamyan hatte das Müngersdorfer Stadion erstmals jubeln lassen, als er am zweiten Pfosten eine Kopfballverlängerung von Luca Kilian über die Linie drückte. Danach kontrollierte der FC das Geschehen, ohne sonderlich für Gefahr sorgen zu können. Für spielerisch limitierte Gäste war es Marek Havlik, der aus der Distanz einen ersten Warnschuss absetzte (25.). Wenig später musste Kölns Keeper Schwäbe bei Petr Reinberks Versuch erstmals sein Können zeigen. Slovácko war fortan deutlich besser im Spiel, doch der FC setzte den nächsten Stich: Dietz köpfte eine Maina-Ecke am kurzen Pfosten unbedrängt zum 2:0 für die Baumgart-Mannen ein.
„Das ist schwer zu erklären. Ich glaube, wir haben den Zugriff nicht mehr bekommen und sind zweimal hinterhergelaufen. Das darf uns nicht passieren.“
Die auf das zweite Tor folgenden Sequenzen waren dann schon ein erster Vorgeschmack auf die Achterbahnfahrt, die nach dem Seitenwechsel folgen sollte. Slovácko verpasste gegen den abermals hervorragend reagierenden Schwäbe den Anschluss (43.) – im Gegenzug hatte Ljubicic die Vorentscheidung auf dem Fuß, scheiterte aber nach Lehrbuch-Konter am Gäste-Torwart Tomas Frystak (44.). Ein 2:0-Vorsprung zur Pause: vielleicht nicht verdient, aber wer fragt danach denn noch? Nach sieben gespielten Minuten im zweiten Durchgang niemand mehr, denn Slovácko glich innerhalb kürzester Zeit aus. Erst erzielte Kalabiska im Nachsetzen den Anschlusstreffer, dann nutzte Petrzela die schwache kölsche Abwehr an diesem Donnerstagabend mit einem sehenswerten Abschluss aus. 2:2 in Müngersdorf – willkommen in der Achterbahn!
„Das ist schwer zu erklären. Ich glaube, wir haben den Zugriff nicht mehr bekommen und sind zweimal hinterhergelaufen. Das darf uns nicht passieren“, versuchte sich FC-Torwart Schwäbe an einer Interpretation des schwachen Wiederbeginns, der sogar noch bitterer hätte verlaufen können. Kalabiska hatte die Führung für den tschechischen Pokalsieger auf dem Fuß, über einen Elfmeterpfiff für den Außenverteidiger der Gäste hätte sich der FC ebenfalls nicht beschweren können. „Für mich war ein ganz klarer Schwachpunkt der Schiedsrichter“, echauffierte sich Gäste-Kapitän Michal Kadlec nach dem Spiel nicht ganz zu Unrecht: „Das war ein ganz klarer Elfmeter für uns beim Stand von 2:2, als Kalabiska alleine aufs Tor läuft. Der Schuh war weg. Das ist natürlich Elfmeter für uns, wir könnten dann 3:2 in Führung gehen. Keine Ahnung, warum er das nicht sieht.“
Dreifach-Wechsel sorgt für die benötigte Wende
Der FC berappelte sich nach dem Doppelschlag der Tschechen allerdings wieder, wenngleich dafür Impulse von außen notwendig wurden. Timo Hübers, Jonas Hector und Ellyes Skhiri sollten für Stabilität sorgen – und schafften dies auf beeindruckende Art und Weise. Mit dem Dreifach-Wechsel fanden die „Geißböcke“ zurück in die Partie und belohnten sich prompt für die Leistungssteigerung. Ljubicic wurde am Strafraumeck elfmeterreif gefoult, den fälligen Strafstoß verwandelte der Österreicher selbst souverän zur erneuten Kölner Führung. Angepeitscht von den FC-Fans drängten die Baumgart-Mannen fortan auf die Entscheidung, die alsbald folgte: Linton Maina war auf dem linken Flügel nicht zu bremsen, dessen flache Hereingabe schob Ljubicic zum 4:2 ins Slovácko-Tor.
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„Am Ende gehen wir als verdienter Sieger vom Platz“, meinte der Doppeltorschütze im Anschluss an den ersten Erfolg in der Gruppenphase, der den FC dank des Ergebnisses beim Duell zwischen Partizan und Nizza an die Tabellenspitze spülte. Souverän war der Auftritt in der FC-Achterbahn allerdings nun wahrlich nicht, gerade im Abwehrverbund haben die „Geißböcke“ einige Schwächen gezeigt. „Wir waren nicht unbedingt die bessere Mannschaft, sondern haben den Gegner am Ende niedergerungen“, analysierte auch FC-Coach Steffen Baumgart. Letztlich waren es neben der abermals starken Schwäbe-Leistung dann der Dreifach-Wechsel nach einer Stunde, der dem Spiel die benötigte Wende gab. „Jonas und Ellyes haben uns in einer schwierigen Phase wieder mehr Sicherheit gegeben. Dass wir wieder ins Spiel zurückgefunden haben, macht uns Mut für die kommenden Wochen“, betonte Kölns Rückhalt Schwäbe.
Baumgart: “Wir sollten jedes Spiel genießen”
Bleibt nur die Frage, was denn tatsächlich „affengeil“ an diesem Donnerstagabend war. Die Südkurve glänzte einmal mehr mit einer Gänsehaut-Choreographie zum Anpfiff, die Stimmung am Donnerstagabend im Müngersdorfer Stadion konnte sich wieder sehen (beziehungsweise hören) lassen. „Die Stimmung war brutal, wie immer. Hier so viele Zuschauer im Stadion zu haben, an einem Donnerstagabend bei einem Flutlichtspiel. Was Besseres gibts nicht“, schwärmte der auffällige Maina im Anschluss an den ersten kölschen Heimsieg in der UEFA Europa Conference League. Das letzte Wort gehört dann wohl wieder Steffen Baumgart: „Die Atmosphäre war richtig geil. Das ganze Stadion hat die Jungs nach vorne gepeitscht und ihnen Sicherheit gegeben. Wir sollten uns auf jedes Spiel freuen und es genießen.“