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Nachspiel

0:2-Niederlage des 1. FC Köln in Berlin: Ein Déjà-vu, Slapstick und eine vermeidbare Niederlage

Der 1. FC Köln kassiert bei der Berliner Hertha eine ebenso vermeidbare wie verdiente 0:2-Niederlage. Vorne Großchancen vergeben, hinten den Gegner zum wiederholten Male zu Gegentreffern eingeladen.

Foto: Boris Streubel/Getty Images

Sein Kaugummi flog irgendwann Mitte der zweiten Halbzeit in hohem Bogen auf die Tartanbahn des Berliner Olympiastadions. Steffen Baumgart hatte den Kaffee auf. Er sah Stückwerk und sonst nichts. Seine Mannschaft versuchte sich gegen die 0:2-Niederlage bei Hertha BSC zu stemmen, doch selbst die wie immer deutlich vernehmbaren Anweisungen ihres Trainers vermochten nicht mehr zu helfen. Im Tank war einfach kein einziger Tropfen Benzin mehr drin.

“In der zweiten Halbzeit war der Einzige, der relativ fit war, ich.” (Steffen Baumgart)

Das sah auch Baumgart nach dem Spiel ein: “Die Jungs sind durch. In der zweiten Halbzeit war der Einzige, der relativ fit war, ich. Die Jungs haben vielleicht noch zugehört, aber es ging nichts mehr,” stellte er fest. Die Terminhatz der letzten Wochen hatte ihre deutlichen Spuren hinterlassen, die zahlreichen Verletzungen kamen dann noch on top. Die letzte Partie vor der WM-Pause ist gespielt. Erholung ist nun angesagt, geistig und körperlich. Und das Prinzip Hoffnung, an das sich nun geklammert werden muss. Dass alles besser wird nach der langen Pause.

Ein Déjà-vu, Chancenwucher und vermeidbare Gegentore

Dabei hatte die Partie recht gut begonnen. Linton Maina, aber auch Sargis Adamyan zeigten sich quirlig in der Offensive, im Mittelfeld wurden wichtige Zweikämpfe gewonnen, alles im grünen Bereich. Bis zur 10. Spielminute. Nach einem Einwurf der Herthaner auf der rechten Kölner Abwehrseite schlug Marvin Plattenhardt eine Flanke in den Strafraum der Gäste, die Berlins Wilfried Kanga aus kurzer Entfernung einköpfte. Kölns Keeper Marvin Schwäbe konnte nur den Kopf schütteln. Exakt dieses Muster hatte er schon einmal erleben müssen – in Freiburg beim Führungstor der Breisgauer durch Michael Gregoritsch. Gleiche Seite, gleiche Flanke, gleicher Kopfball – ein klassisches Déjà-vu, das selbstverständlich auch die identische Fehlerkette der Kölner Abwehr enthielt.

Sieben Minuten später fiel der Ausgleich, so meinte man. Und nein, falsch, er hätte fallen müssen. Linton Maina hatte sich geschickt auf der rechten Angriffsseite durchgesetzt und einen zentimetergenauen Pass auf den alleine vor dem völlig leeren Hertha-Tor stehenden Sargis Adamyan gespielt. Was folgte, war eine Slapstick-Einlage allererster Ordnung. Adamyan ließ den Ball irgendwie abtropfen anstatt ihn einfach einzuschieben. Das Runde landete nicht im Eckigen, sondern touchierte die Torlatte und landete auf dem Tornetz der Berliner.

“Das kann nicht sein, dachte ich.” (Sargis Adamyan)

Unglaublich, unfassbar, zum Haare raufen. Adamyan versuchte sich hinterher an einer Erklärung: “Der Ball titscht ein bisschen auf und ich treffe ich nicht richtig. Ich wollte ihn mit der Innenseite treffen und treffe ihn mit dem Spann. So ist er dann drüber gegangen. Das kann nicht sein, dachte ich,” sagte er nach der Partie. Linton Maina verfehlte das Tor nur um Zentimeter, nachdem er frei auf das Berliner Tor zugelaufen war (24.). Schließlich traf der ehemalige Hannoveraner, stand jedoch deutlich im Abseits (45.).

Linton Maina bei einer Großchance (Foto: Boris Streubel/Getty Images)

In der 51. Minute musste Benno Schmitz verletzt das Spielfeld verlassen und wurde durch Kingsley Schindler ersetzt, der seinem unglücklichen Auftritt gegen Leverkusen einen solchen weiteren hinzufügte. Zunächst verlor er das Leder in der Vorwärtsbewegung, dann lief ihm Lukebakio an der Torauslinie auf und davon. Schwäbes Fußabwehr wurde vom Berliner Marco Richter anschließend humorlos ins rechte Kölner Toreck befördert – 2:0 für die Hertha (55.). Der Rest? Kraftloses Kölner Bemühen und souveränes Verwalten der Führung durch die Herthaner. Irgendwie kam einem dann der Schlusspfiff von Schiedsrichter Christian Dingert fast wie eine Erlösung vor – der K(r)ampf hatte ein Ende.

Erkenntnisse: Der Abstiegskampf hat begonnen

Vorne eine Halbzeit lang Chancenwucher, hinten Schwächen und Fehler, die man alle schon einmal gesehen hat. Marvin Schwäbe bewahrte sein Team vor weiteren Gegentreffern, Timo Hübers spielte eine souveräne Partie, Jonas Hector bemühte sich, Ellyes Skhiri und Eric Martel ebenfalls und Linton Maina bereitete der Berliner Abwehr in den ersten 45 Minuten arge Probleme.

“Wir haben in den letzten Spielen die Punkte nicht geholt, das bedeutet im Moment leider Abstiegskampf.” (Steffen Baumgart)

Und sonst? Ein Sturmzentrum, das zuerst mit Adamyan, dann  mit Steffen Tigges besetzt war, das so nicht erstligareif ist. Benno Schmitz ist der einzige Spieler, der auf der rechten defensiven Außenposition einigermaßen einsetzbar ist, Kingsley Schindler ist es nach den letzten Eindrücken nicht. Im zentralen offensiven Mittelfeld vermochte Ondrej Duda schon zum wiederholten Male in keiner Phase der Partie dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Das Resultat: Der 1. FC Köln befindet sich im Abstiegskampf. Steffen Baumgart redet da auch nicht um den heißen Brei herum: “Wir haben in den letzten Spielen die Punkte nicht geholt, das bedeutet im Moment leider Abstiegskampf. Alles andere ist Augenwischerei,” sagte er nach der Partie.

Ausblick: Pause, Erholung, Vorbereitung – dann kommt Werder

Recht hat er. Am 21. Januar 2023 findet Spiel eins im Kampf um den Klassenerhalt statt, Werder Bremen ist dann in Müngersdorf zu Gast und trifft auf einen 1. FC Köln, der – so ist zu hoffen – nicht mehr viel mit der ausgemergelten Truppe der letzten Begegnungen zu tun haben wird. Ausgeruht und hoffentlich top vorbereitet. Zudem wären Verstärkungen wünschenswert. Die Rückkehr der Verletzten wäre hier schon hilfreich. Ob Dejan Ljubicic und Mark Uth dann allerdings wieder soweit sein werden, muss man abwarten. Eine externe Verstärkung für die Position des Mittelstürmers erscheint dringend notwendig. Viel mehr wird die knappe Kasse des FC nicht zulassen. Ob das reicht? Man wird sehen. Damit sich 2017/18 nicht wiederholt und es nicht noch ein Déjà-vu gibt, einen Abstieg nach Erreichen eines europäischen Wettbewerbs.

 

 

 

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