Die Vorfreude auf das Highlight hat sich gelohnt: Gegen Arsenal beschenken sich die Fans des 1. FC Köln selbst und setzen mit der Stimmung in London Maßstäbe.
Sie wollten einfach nicht gehen. Auch der gefühlt zwanzigsten Durchsage des Stadionsprechers im Emirates, nun endlich die Tribünen zu räumen, zum Trotz blieben die Fans des 1. FC Köln auf den Rängen und sangen sich die Seele aus dem Leib. „Europapokal, wir spielen wieder im Europapokal“ erschallte es immer und immer wieder aus tausenden Kehlen. Als müssten sich die Jungs und Mädels, die seit dem frühen Vormittag halb London auf den Kopf gestellt hatten, gegenseitig versichern, dass das alles kein wilder Traum gewesen war. Als wollten sie versuchen, die Zeit durch ihren Gesang für einen ganz kurzen Moment anzuhalten. Sie hatten in Sachen Stimmung schlichtweg noch etwas in Petto, um diesen Tag so abzuschließen, wie sie es für notwendig erachteten.
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Der effzeh hatte zwar bei Arsenal mit 1:3 verloren, doch das Comeback auf der internationalen Bühne erwies sich als würdiger Anblick. Auf dem Rasen, aber vor allem auf den Rängen. Über nahezu die komplette Spielzeit dominierten die Jecken das Sangesduell, ließen immer wieder neue Highlights an Dezibel und Durchschlagskraft folgen. Schon beim Aufwärmen hatten die nahezu mit 20.000 Mann angereisten Kölner mit einem brachial lauten Wechselgesang gezeigt, was an diesem Abend möglich war. Und das war eine Menge: Mit einem breiten Grinsen im Gesicht schauten sich die effzeh-Fans im Stadion ungläubig an. Was passiert hier eigentlich gerade?
Londons Norden komplett in kölscher Hand
Schon den ganzen Tag über hatte eine rot-weiß-rote Invasion mit dem Geißbock auf der Brust gezeigt, dass all das Gerede über Vorfreude, Höhepunkte und 25 Jahre Abstinenz kein leeres Geschwätz war. Die Kölner feierten zunächst in China Town, sorgten mit einem stimmgewaltigen Fanmarsch durch die Londoner Innenstadt für erstaunt dreinblickende Einwohner und ließen es sich dann in Highbury Fields gut gehen. Zu kölscher Musik und einigen geistigen Getränken steppte der Geißbock friedlich in North London. Die Gegend rund um den Bahnhof Highbury & Islington, als Treffpunkt der effzeh-Fans ausgesucht, war komplett in Kölner Hand, die Stimmung ausnahmslos gelöst-freudetrunken.
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Es war wie ein Familientreffen zu einem besonders fröhlichen Anlass: Verblasste Freundschaften wurden wiederbelebt, es trafen sich (zumeist völlig zufällig) Arbeitskollegen, Mannschaftskameraden, Kommilitonen, alte Weggefährten, entfernte Bekannte. Kurzum: Leidensgenossen. Sie alle eint das Band: Die Talfahrt, die fünf Abstiege, die peinlichen Possen, die Rückschläge, das stetige Wiederaufstehen nach dem tiefen Fall. Sie schauten sich alle tief in die Augen – und hatten nach all den gemeinsam ertragenen Jahren doch nur wenige Fragen.
Schwarzmarkt, Kontakte & Co.: Die effzeh-Fans suchen Wege ins Stadion
Die erste galt ganz allgemein: Hast du es schon begriffen? Der 1. FC Köln gegen Arsenal: Nicht auf der Playstation, nicht in einer bedeutungslose Testpartie, sondern in einem Pflichtspiel auf internationaler Ebene. Kannst du das schon glauben? Auf der Anreise, den Flughäfen und Fähren, immer wieder diese Frage: Das ist doch alles kein Traum, kein schlechter Scherz, oder? Irgendwo muss da doch dieser Haken sein – aber er war nicht da. Der glorreiche effzeh trat zu seiner Rückkehr in den Europapokal bei der größtmöglichen Nummer an.
Und da knüpfte die zweite Nachfrage an: Hast du eine Karte fürs Stadion? Über alle möglichen Kanäle haben sich die effzeh-Fans versucht einzudecken. Kontakte zu Arsenal-Anhänger wurden en masse hergestellt, auf dem Schwarzmarkt horrende Preise bezahlt, alle möglichen Quellen abgeklappert. Die Hoffnung, das größte Spiel der jüngeren Vereinsgeschichte live miterleben zu können, durfte einfach nicht platzen. Schließlich hatte Arsenal uns trotz allem Bitten und Betteln für diesen historischen Moment nur 2.900 Karten zur Verfügung gestellt.
Tränen beim Einlauf, Tetris bei der Führung
Dennoch waren am Ende deutlich mehr Kölner im Stadion, als sich der Nobelclub aus London das wohl gewünscht hatte. Während die eigene Kundschaft wohl nicht allzu viel Lust auf die Partie hatte, war der Appetit beim effzeh-Anhang riesig. Für manche sogar derart riesig, dass sie weit über das Ziel hinaus schossen. Die Stimmung bei den Fans trübte das alles kaum: Reihenweise blickte man rund um die Hochglanz-Arena in glückliche Gesichter, erwachsene Menschen schämten sich ihrer Tränen nicht, als die Mannschaft unter dem riesigen Jubel aus der mehr als üppig besetzten Gästekurve aufs Feld kam.
Wenige Minuten nach dem um eine Stunde verspäteten Anpfiff lagen sich die effzeh-Fans endgültig in den Armen: Einen Patzer von Arsenal-Keeper David Ospina nutzte Jhon Cordoba zur sehenswerte Führung für die „Geißböcke“. Im Kölner Block purzelten die Körper wie Tetris-Formen übereinander, schiere Ungläubigkeit wechselte sich mit purer Freude im Millisekunden-Takt ab. Auch wenn es nach 90 Minuten nicht zum Sieg reichte: Die effzeh-Fans waren hörbar stolz. Auf die Leistung der Mannschaft – und auf ihre Leistung auf den Rängen. Die Stimmung aus dem Gästebereich war mit Champions-League-reif noch untertrieben formuliert.
Mit Leidenschaft ein Ausrufezeichen gesetzt
Das durften sie (mit wenigen Ausnahmen, über die viel berichtet wurde) auch sein: Mit Leidenschaft hatten sie ihrer Vereinsliebe Ausdruck verliehen, gezeigt, wozu die Anhängerschaft des 1. FC Köln in der Lage ist. Überwiegendst friedlich und sangesfreudig folgte man seinem Team zum ersten Duell in der Europa-League-Gruppenphase. Auch nach der Partie neigten viele Arsenal-Fans bewundernd ihr Haupt vor dem freudetrunkenen und stimmgewaltigen Auftritt ihrer Kölner Kollegen.
>>> “It was the biggest night of our lives”: effzeh.com über das Arsenal-Spiel im Guardian (englisch)
Gerade gegen Ende der Partie hatte die Gästetribüne nochmals ein Ausrufezeichen gesetzt: „En uns’rem Veedel“ wurde lautstark kredenzt – die verbliebenen Heimfans lauschten andächtig den kölschen Tönen. Es war nur einer von vielen Gänsehautmomenten an diesem Abend, der für das Gros das Highlight ihrer bisherigen effzeh-Zeit darstellte. Nach Abpfiff sorgte man dann dafür, dass es für viele ein unvergessliches Erlebnis wurde. Es war ein grandioser Auftritt, der in Erinnerung bleiben wird.
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