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Nachspiel

Nach dem Hertha-Sieg: Stimmungsaufheller zum richtigen Zeitpunkt

Krise? Welche Krise? Der 1. FC Köln verscheut mit dem Sieg über Hertha BSC die schlechte Laune aus Müngersdorf – und ist dadurch mittendrin in einem Traum namens Europapokal-Qualifikation.

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Krise? Welche Krise? Der 1. FC Köln verscheut mit dem Sieg über Hertha BSC die schlechte Laune aus Müngersdorf, der effzeh ist dadurch mittendrin in einem Traum namens Europapokal-Qualifikation.

Nur Petrus schien die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben. Unaufhörlich fisselte, regnete, ja schüttete es an diesem Samstagnachmittag über Köln-Müngersdorf. Dabei hatte der 1. FC Köln doch gerade frei nach dem Motto „Es och dr Himmel öfters jrau und dat Sönnche schingk jet mau, doch die Kölsche han em Hätze Sonnesching“ mit einem 4:2 über Hertha BSC für sehr viel Sonne in den Herzen der effzeh-Fans gesorgt.

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Die gute Laune, zuletzt nach sechs sieglosen Pflichtspielen in Serie doch etwas verloren gegangen, war auch auf den Rängen zu spüren. Neben den Europapokal-Klassikern mit dem schellenden Telefon in Kopenhagen und der Fahrt nach Mailand feierte das Stadion vor allem denjenigen, der für den Stimmungsaufheller verantwortlich zeichnete: „Modeste, Modeste, Anthony Modeste“ schallte es schon während des Spiels, aber auch nach dem Abpfiff über die Ränge.

Eines Tages, eines Tages…

Der derart gebauchpinselte Angreifer bedankte sich bei der Ehrenrunde, drehte sich zur Nordtribüne um und applaudierte brav. Die folgenden stehenden Ovationen als Dank für diese Geste und Anerkennung für seinen Hattrick gegen eine starke Hertha trieben einem die Gänsehaut auf die Arme. Welch ein Weltklasse-Stürmer, welch ein besonderer Typ. Im Netz überschlugen sich die Lobeshymnen auf den 28-jährigen Franzosen, der zum besten ausländischen Stürmer in Kölner Diensten avancierte.

Auch in den Bahnen auf der Rückfahrt, so langsam sie auch die Aachener Straße heruntergondeln konnten, war das Strahlen in den Gesichtern schier eingemeißelt. Dieser Sieg, auch wenn er „nur“ die üblichen drei Punkte erbrachte, schien etwas gemacht zu haben mit den Menschen. Das Klischee des zu Tode betrübten Kölner, der mit einem Schlag himmelhochjauchzend daher kommt, es erlebte ein Revival der besonderen Sorte.

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Hinter mir unterhielten sich Teenager, dass sie den effzeh nach dem Ingolstadt-Spiel als Abstiegskandidaten gesehen hätten, doch jetzt, jetzt sei Europa doch zum Greifen nah. Es wirkte paradox, beinahe schizophren, welchen Umschwung eine gute Leistung einleiten kann. Und doch konnte ich es nachfühlen: Der Heimsieg war für die Stimmung rund um den glorreichen effzeh von enormer Bedeutung, drohte eine sehr, sehr gute Saison doch gerade zu kippen.

…eines Tages wird’s gescheh’n…

Um diese Bedeutung wusste auch Peter Stöger, der trotz allem (oder gerade deswegen) nach dem Spiel angefasster als gewohnt wirkte: „Es war wichtig, diese Serie von fünf, sechs Spielen, die wir nicht gewonnen haben, zu durchbrechen. Das macht uns stolz, weil es keine Selbstverständlichkeit ist“, erklärte der Österreicher nach dem ersten Erfolg seiner Schützlinge seit Anfang Februar (1:0 gegen den VfL Wolfsburg).

Dass Stöger ein feines Gespür für die Stimmungslage seiner Mannschaft hat, wurde schon vor der Partie klar: Mit kleinen, aber feinen Kniffen hatte er dem Team, das zuletzt ob der Erwartungshaltung verkrampft wirkte, die Lockerheit zurückgeben wollen. Das – und das darf nach einem Sieg über den Tabellenfünften mit Fug und Recht gesagt werden – gelang Stöger auf ganzer Linie. Die Folge: Von Beginn war das effzeh-Team hellwach, konzentriert und spielfreudig. Der Glaube an diese Mannschaft war zurück – auf und neben dem Platz.

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Rechtzeitig vor der Länderspielpause ist der 1. FC Köln also wieder in der Spur – ein guter Zeitpunkt, denn zwei Wochen voller Selbstzweifel vor der schwierigen Aufgabe beim heimstarken Hamburger SV hätte niemand rund um das Geißbockheim gebrauchen können. Dazu hat der effzeh gleich doppelt gezeigt, dass mit ihm zu rechnen ist: Angstgegner dürfen sich die Berliner nun nicht mehr schimpfen – und auch gegen Top-6-Teams versteht es der effzeh zu gewinnen (nach zuvor nur drei Punkte).

…und dann fahren wir nach Mailand…

Moralisch gestärkt in die wegweisende Englische Woche mit dem Duell in Hamburg und dem Heimspiel-Doppelpack gegen die direkten Kontrahenten aus Frankfurt und Mönchengladbach zu gehen kann definitiv nicht schaden. Auch personell dürfte die Welt nach der Länderspielpause anders aussehen: Leonardo Bittencourt ist ebenso wie Sehrou Guirassy wieder bei Teilen des Teamtrainings aktiv, Frederik Sörensen konnte nach seiner nicht näher definierten Muskelverletzung gegen Hertha BSC bereits sein Blitz-Comeback feiern. Auch den Rückkehrern Timo Horn und Matthias Lehmann dürften die Einheiten bis zum 1. April nach ihrer längeren Abstinenz gut tun.

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Für die Fans kommt die Länderspielpause dagegen zum falschen Zeitpunkt, hatte der Sonnenschein im Herzen doch endlich wieder Sommerqualität angenommen. Die Träume von Kopenhagen, Mailand und Baku – sie sind alle lebendig wie lange nicht mehr. Neun Spiele stehen noch auf dem Programm, knapp ein Viertel vor dem Ende der Saison ist der 1. FC Köln Sechster in der Bundesliga. Von ähnlichen Platzierungen erzählen uns für gewöhnlich unsere Väter.

…um den FC Köln zu seh’n!

Es wird nun richtig, richtig ernst, denn jetzt beginnt der Endspurt Richtung Europapokal. Die Rechenschieber werden heiß laufen, die Blicke auf das eigene Team und die Ergebnisse der Konkurrenz genauer. Die Hymne der effzeh-Fans steht jedenfalls schon parat: „Wir träumen von Europa, vom Europapokal. Nur einmal 1. Runde – wo wir spielen, ist uns egal!“, singen die Jungs und Mädels in der Kurve bereits. Unmöglich ist es nicht, dass sich dieser Traum in diesem Jahr endlich erfüllt. Und bis dahin dürfte auch der vermaledeite Petrus die Zeichen der Zeit erkannt haben.

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