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Ehrentribüne

Goodbye Macka!

Fußballgott ohne Technik, Kopfballmonster und Konstanz in Person – wir sagen “Goodbye” zu einem ganz besonderen Spieler.

© effzeh.com

Das RheinEnergie Stadion stand kollektiv und spendete minutenlang Applaus. Es klatsche und es rief, schrie immer wieder nach einem Mann, der ohne aufzufallen auch am Schalter der Scotiabank hätte arbeiten können. Wer den Namen dieser berühmten Bank nicht zuordnen kann: Es ist die drittgrößte Bank Kanadas. Die zweitgrößte Bank dort heißt Royal Bank of Canada, die größte heißt Kevin McKenna, womit wir wieder  bei dem Spieler wären, der eigentlich auch hinter dem Schalter der drittgrößten Bank Kanadas hätten stehen können und der nun unten auf dem Rasen des wundervollsten Stadions der Welt vom stärksten Publikum der Welt frenetisch gefeiert wurde, weil er sorgsam und ohne Aufregung arbeitete – wie ein Bankangestellter.

Als wir da so standen und klatschen und dem Mann mit dem lichten Haar, der schon irgendwie wie ein 50-Jähriger aussah, immer wieder dessen eigenen Namen zubrüllten, als würde er diesen nicht schon selber gut genug kennen, da sah ich meinen Bruder so an und fragte ihn, wie lange dieser Kevin McKenna schon für den Effzeh gekickt hätte. Gab es McKenna schon im Müngersdorfer Stadion? Oder gar schon in der Radrennbahn? War er nicht doch Teil der Meistermannschaft von 1978?

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Kevin McKenna jubelt über eines seiner 1000 Kopfballtore © effzeh.com

Wir wussten es nicht so richtig und genau das war eigentlich auch der Grund, warum wir diesen Mann, der unten auf der Grünfläche des RheinEnergie Stadions, die trotz eines zwei Wochen vorangegangenen Platzsturms vorzüglich aussah, so unglaublich feierten: Wir wussten nicht mehr, wie lange dieser Kevin McKenna schon Teil unseres rot-weißen Olymps war, weil er schon immer da gewesen schien. Dieser Kanadier war einfach so verdammt konstant und so unscheinbar. Natürlich hat er legendäre Kopfballtreffer erzielt. Etliche. Aber Kopfbälle sind eben auch unscheinbar in der Welt der Zlatans und der Cristianos.

Ich habe dann mal ganz investigativ in den Archiven des Internets recherchiert, leider nicht während der Verabschiedung Kevin McKennas, denn während dieses sentimentalen Abschieds, bei dem nicht nur der beste kanadische Bundesligaprofi aller Zeiten und bis in alle Tage Tränen in den Augen hatte, schossen alle Menschen ihre Erinnerungsfotos mit ihren Smartphone, welche sie umgehend der Welt mitteilten, womit der mobile Empfang im Stadion wie immer ausgelastet war.

Daheim habe ich es dann gesehen: Sieben Jahre hat der in Calgary geborene, 190 Zentimeter große Kerl eines Innenverteidigers in den hinteren Reihen des besten Vereins der Welt ausgeputzt. In 142 Spielen (nur?!) 11 Tore geschossenköpft. Er stand also laut Adam Riese in mehr als der Hälfte aller Spiele auf dem Feld und machte seine Sache fast immer solide. Wer immer einen wirklichen dicken Fehler Kevin McKennas sofort im Gedächtnis hat, der möge ihn bitte ausführlich mit genauer Angabe von Spielminute, Datum, Bierkonsum und Gefühlslage unten in den Kommentare angeben!

Solide aufgestellt wirkt unser Verein im letzten Jahr der Karriere des mittlerweile 34-jährigen Kanadiers. Man möchte meinen, es wäre auch wegen McKenna so. Der war eigentlich seit seiner ersten Saison wegen eines Wechsels im Gespräch, weil er zu langsam war, weil er zu old-school war, weil er nicht so richtig passen wollte. In den sieben Jahren, die sich der Mann, dessen Spitznamen nicht umsonst wie die Mischung aus einem berühmten Wallfahrtsort und dem Laut unseres Maskottchen (Mäkka) klingt, beim Effzeh gehalten hat, spiegelte sich aber immer schneller heraus, dass eher um ihn herum nichts passte, als dass an ihm etwas nicht passte.

Anders als der gesamte Verein und sein Führungsstab wusste Kevin McKenna, der schon als 15 Jähriger für ein Team spielte, das sich Calgary DINOS nannte (wenn das kein Zeichen ist!), von Beginn an ganz genau, wo seine Stärken und wo seine Schwächen lagen. Seine Stärken Kollegialität, Herz, Ehrlichkeit, Einsatzwille, Konstanz, KOPFBÄLLE – es sind Eigenschaften, die eigentlich nur nach Publikumsliebling schreien. Und so kam es auch, dass sich der 53-fache kanadische Nationalspieler irgendwann als Identifikationsfigur herausspielte. Böse Zunge könnten behaupten, dass es auch deswegen war, weil ja alle anderen „Identifikationsfiguren“ nach spätestens zwei Jahren wieder weg waren.

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Auch verletzt besser als   Maniche je gespielt hat    © effzeh.com

McKenna blieb dagegem, er blieb auch als ihm trotz einer soliden Saison neue Verteidiger vor die Nase gesetzt wurden und wenn er gebraucht wurde, dann spulte er seine Leistung ab. Hin und wieder machte er ein sensationelles Kopfballtor. Abstiege, Aufstiege, Vorstandswechsel, Spielerwechsel, Trainerwechsel, Wechselgerüchte – all das hat der Mann, der sich seine Vereine immer nach dem passenden Namen ausgesucht hat (Calgary DINOS, HEART of Midlothian, ENERGIE Cottbus, ERSTER Fußballclub Köln) schon zu Genüge mitgemacht. All das hat er mit einer Beständigkeit abtropfen lassen, die höchst beachtlich ist.

Es ist so ein wenig bezeichnend, dass die Ruhe in Person genau zu dem Zeitpunkt abtritt, an dem der Verein scheinbar in ruhigeren Gewässern angelangt ist. So als hätte der Ruhepol im Verein alle die Jahre nur auf diesen Moment gewartet. Wir erheben uns also noch ein letztes Mal virtuell von den Sitzen und verabschieden einen Profi, der immer all das gegeben hat, was er konnte, der sich den Umtrieb des Vereins nicht immer zueigen gemacht hat und immer die so wichtige Ruhe und Konstanz ausgestrahlt hat. Wir verabschieden uns von einem Haudegen, der in der abgelaufenen Saison als einwandfreier Mentor dieses jungen Teams so bedeutsam war.

Wer gesehen hat, wie sehr die Mannschaft im letzten Heimspiel gegen den FC St. Pauli diesen letzten Elfmeter für Kevin McKenna gewollt hat, der hat auch gesehen, was für einen positiven Einfluss er auf seine Mitspieler hatte. Ob Maniche, Wome oder Vucicevic – bessere Fußballer als diesen unscheinbaren Kanadier hatte der Effzeh in den letzten sieben Jahren mehr als genug, einen besseren Menschen wohl kaum, soweit man das von außen so sagen kann. Und deswegen gibt es zum Schluss auch noch ein kleines Gedicht.

 

Eiche rustikal

die letzten momente – ganz sentimental

die augen voll pipi, die ränge am stehen

dieser vollendete kerl will wirklich gehen

abgeschrieben hunderte, gar millionen mal

zwischen bank und feld, zwischen tribüne und held

mäkka, unsere eiche, mäkka unser nichts könnender gott

wie oft schon verflucht, ohne technik gesegnet, die schnellkraft verloren

und doch immer wieder gesucht, für diese Kopfballtore geboren

das stadion spendet stolzen applaus

gefeiert: die zuverlässigkeit, die ruhe im wirbelsturm effzeh

die unkultige kultfigur geht, abschied tut weh

unsre eiche, eiche rustikal, immer da, immer nah

ohne furcht, ohne angst, ohne allüren und haar

die lüfte nur ihm, der kopf war aus stahl

gefeiert für  das, was der moderne fußball nicht kann

für grätschen und kanten, für kanten und ecken

ein letzter versuch – ein ganzes team jubelt zu

elfmeter gehalten, die alten beine zu schwach

völlig egal, fußbalgott mäkka – das bleibst nur du

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