Das desolate Dutzend ist voll: Auch in Mainz verliert der 1. FC Köln und wandelt damit weiter auf den Spuren von Tasmania Berlin. Eine Nachbetrachtung.
Es ist Mitte November und man kann sich den Klassenerhalt des 1. FC Köln langsam aber sicher an die Backe schmieren. Phasenweise kein schlechter Auftritt, überschattet allerdings von offensiver Harmlosigkeit und einer grotesken VAR-Szenerie – die 0:1-Niederlage in Mainz ist wahrscheinlich so etwas wie das Symbolbild der bisherigen so verkorksten Saison. Und nach mittlerweile mehr als einem Drittel der Saison muss man konstatieren: Immer nur Pech zu haben ist eben irgendwann auch kein Zufall mehr, sondern einfach das Zeichen fehlender Qualität. Der 1. FC Köln steht nämlich zurecht dort, wo er steht und hätte an diesem windigen und kalten Nachmittag im Mainzer Umland wahrscheinlich auch noch mehrere Stunden spielen können, ohne ein Tor zu schießen.
Dabei war zu Beginn der Partie eigentlich schon zu erwarten gewesen, dass die Mannschaft von Peter Stöger kein wirkliches Spektakel abbrennen würde. Die Aufstellung von Guirassy und Cordoba als Doppelspitze, flankiert von Jojic und Zoller auf den Flügeln verhieß, dass man sein Heil in erster Linie in lang geschlagenen Bällen auf die körperlich einigermaßen robusten Stürmern suchen würde. Mit Bittencourt und Osako saßen zwei Spieler draußen, die in einer spielerisch limitierten Kölner Mannschaft trotz allem für noch zumindest ein geringes Maß an Kultur stehen. Wahrscheinlich war es der Plan von Peter Stöger, möglichst lange die Null zu halten und gleichzeitig darauf zu hoffen, dass vorne irgendwie einer vom Laster fällt, um irgendwie doch in Führung zu gehen. Wenn nicht, naja, dann wartet man eben ab und bringt nach einer Stunde die beiden nicht ganz fitten Osako und Bittencourt. Ersterer hatte einige Flugmeilen in den Knochen, letzterer hatte unter der Woche mit muskulären Problemen zu kämpfen.
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Dass dieser vermeintliche Plan nicht aufging, hatte zwei Gründe: Zuerst verletzte sich mit Simon Zoller ein weiterer effzeh-Spieler, der das Mainzer Stadion nach Abpfiff auf Krücken verließ. Daher musste Bittencourt bereits nach 39 Minuten eingewechselt werden. Der zweite Grund lag darin, dass die Mainzer aus einer eigentlich ungefährlichen Situation einen Elfmeter zugesprochen bekamen, den der ehemalige Kölner Brosinski zum 1:0 verwertete. Die groteske Szenerie in der Entstehung des Tores sei hier noch einmal kurz nacherzählt: Fraglich ist zuerst, warum Frederik Sörensen im Laufduell mit Muto die Außenbahn wählte und nicht als Erster an den Ball kam. Danach verlor der Däne den Zweikampf gegen den Mainzer Stürmer, den loose ball nahm Pablo de Blasis auf. Sörensen und Rausch übten Druck auf den Argentinier aus, der zu Boden sank. Schiedsrichter Felix Brych, ironischerweise heute als WM-Schiedsrichter nominiert, entschied im ersten Impuls auf Elfmeter.
VAR Welz erkennt einen “Kontakt am Knie”
Die Überprüfung der Szene durch den VAR Tobias Welz sollte allerdings die Gemüter erregen: Der Bildschirm-Polizist entschied, dass der Elfmeterpfiff gerechtfertigt war – Grund soll laut Welz ein “Kontakt am Knie” gewesen sein, den ich auch beim besten Willen und der hundertsten Wiederholung nicht erkennen kann. Immerhin räumte Brych den Fehler am Abend ein und es bleibt abzuwarten, ob Horden von effzeh-Fans vor den Europäischen Gerichtshof ziehen werden, um das Spiel wiederholen zu lassen. Naja, wie dem auch sei: Das einzig nicht Negative an dieser Szene war, dass die Mainzer Ultràs eher dezent jubelten – vor Anpfiff der Partie wurde ein Banner gezeigt, auf dem “Reclaim the Game – Videobeweis abschalten” zu lesen war. Größe im Erfolg zu zeigen muss man auch erstmal schaffen.
Die Kölner Ultràs machten aber auch auf sich aufmerksam: Die Gruppierungen “Domstadt Syndikat” und “Veedels Radau” feierten in Mainz ihren 10. Geburtstag mit je einer Choreographie und Pyro-Aktionen zu Beginn jeder Halbzeit. Während das “Domstadt Syndikat” vor Beginn der Partie rote und weiße Fähnchen verteilte und dann ein Banner durch pyrotechnische Untermalung ins rechte Licht rückte, schossen die Ultràs von “Veedels Radau” vor Beginn der zweiten Halbzeit Konfetti und Luftschlangen in die Höhe – ebenfalls unterstützt durch Bengalos. Wenn man eben die Mannschaft nicht feiern kann, feiert man sich selbst.
Offensive Harmlosigkeit in Perfektion
Gehen wir zurück zum Sportlichen: Mit dem Rückstand wurde die Aufgabe für den 1. FC Köln natürlich ungleich schwieriger. Dass Schwierigkeiten im Kölner Lager bestehen, mit dem Ball produktiv in gefährliche Räume zu kommen und Abschlüsse zu generieren, ist mittlerweile deutschlandweit bekannt – Mainz konnte sich im zweiten Durchgang in aller Ruhe der Avancen des effzeh erwehren. Bis auf ein paar Distanzschüsse vom später eingewechselten Osako kam nicht viel dabei herum. Die Nachspielzeit des Spiels offenbarte dann, dass sich beim effzeh momentan fehlendes Selbstvertrauen, mangelnde Qualität und situativ falsche Entscheidungen zu einem katastrophalen Konglomerat zusammenschließen.
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Mainz-Keeper Zentner spielte Jojic den Ball in die Füße, der allerdings mit seinem Schuss vorbei zielte. Ein Pass auf Bittencourt wäre hier wohl die bessere Lösung gewesen. Genauso war es auch in anderen Szenen in der Partie, in der die “Geißböcke” in eigentlich aussichtsreichen Situationen den schwierigen anstatt den geradlinigen Weg wählten: Nach einer Balleroberung durch Cordoba kam Jojic in der ersten Hälfte am 16er an den Ball, seine Weiterleitung auf den komplett freien Zoller missriet jedoch völlig.
Wie will der 1. FC Köln jemals wieder ein Tor erzielen?
Nach 36 Minuten setzte Zoller Guirassy in Szene, der sich vom Tor weg bewegte und aus schwierigem Winkel mit links abschließen musste – Cordoba auf der rechten Seite zog zum Tor hin und wäre wohl die bessere Alternative gewesen. Diese Szenen sind beispielhaft für die akute Harmlosigkeit, unter der der 1. FC Köln aktuell leidet – diese macht es schwer, daran zu glauben, dass man den eigentlich nicht unmenschlich großen Rückstand auf Bremen und Freiburg noch einholen könnte. Die Hoffnung hör’ ich wohl, allein es fehlt der Glaube.
Gegen eine wahrlich nicht unbesiegbar erscheinende Mainzer Mannschaft verlor der 1. FC Köln damit das zehnte Bundesliga-Spiel in dieser Saison. Ob verdient oder nicht, diese Frage stellt sich mittlerweile eigentlich gar nicht mehr. Die fehlende Qualität der Mannschaft ist offenkundig und es ist einfach nur dramatisch zu beobachten, wie schnell man innerhalb von sechs Monaten vom Zenit bis in die Hölle runterfallen kann. Wir erinnern uns alle gern an den 20. Mai, an dem der effzeh die Qualifikation für die Europa League perfekt machte – die Erinnerung verblasst aber schnell in Antizipation der sehr wahrscheinlichen kommenden Saison in der zweiten Liga.