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Nachspiel

1. FC Köln und die Niederlagenserie: Das Streben nach Glück

Pech und Unvermögen im Abschluss sowieso Aussetzer in der Defensive bescheren einem couragiert auftretenden 1. FC Köln eine 1:2-Pleite.

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Wieder alles in die Waagschale geworfen, wieder nichts gewonnen. Wenig Glück und Unvermögen im Abschluss sowieso Aussetzer in der Defensive bescheren einem couragiert auftretenden 1. FC Köln eine 1:2-Heimniederlage.

Optimisten würden sagen, dass der 1. FC Köln angesichts der letzthin gezeigten Leistung auf einem guten Weg ist, irgendwann mal wieder einen Sieg in der Bundesliga zu feiern. Pessimisten würden entgegen, dass auch das Spiel am Sonntag offenbart hat, woran es beim effzeh in dieser Saison schon die ganze Zeit gehapert hat und die Geißböcke noch immer weit davon entfernt scheinen, je wieder erfolgreich zu sein.

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Realisten hingegen verweisen auf die Bundesligatabelle und die zeigt auch nach dem Sonntagsspiel einen sieglosen Europa-League-Verein, der schon sechs Zähler Rückstand auf einen Relegationsplatz hat, die wenigsten Tore der Liga geschossen und die meisten kassiert hat.

Woran hat es gelegen?

Nein, auch der kämpferisch einwandfreie Einsatz gegen das neuste Modeprodukt der Bundesliga hat nicht die Wende gebracht und vielmehr die uralte Fußballweisheit bestätigt, dass es eben nicht läuft, wenn du unten drinsteckst. Doch woran hat es gelegen? Angesichts der mittlerweile fast surreal erscheinenden Leistungen des großen 1. FC Köln in der letzten Saison hatte Köln-Müngersdorf noch am Donnerstag sein erstes Europapokal-Heimspiel seit 25 Jahren erhalten. So machte das Duell am Sonntag den Heimspiel-Doppelpack innerhalb von drei Tagen perfekt.

Selbstverständlich waren nicht einmal ansatzweise so viele Gästefans wie am Donnerstag anwesend, weil schließlich jeder weiß, dass die Anfahrt aus Belgrad an einem Donnerstagabend eben viel leichter ist als der beschwerliche Weg aus dem AfD-Hoheitsgebiet Sachsen.

Bittencourt verbessert, Trippel begeistert

Der Mannschaft von Peter Stöger war das aber zunächst einmal ganz egal. Sie startete trotz dreier Änderungen gegenüber der 0:1-Niederlage am Donnerstag (Klünter, Bittencourt und Osako für Olkowski, Meré und Guirassy) mit dem gleichen Elan, den sie auch in der zweiten Hälfte gegen Roter Stern an den Tag gelegt hatte. In der Halbzeitpause sprach Stadionsprecher Trippel von der vielleicht besten ersten Halbzeit, welche die Fans in dieser Saison im RheinEnergie Stadion gesehen hatten. Von der ersten Minute an waren die Hausherren am Drücker, wobei gerade der spielfreudige Bittencourt die junge Innenverteidigung, bestehend aus zwei 18-Jährigen, vor Probleme stellte.

Im Abschluss fehlen Glück und Genauigkeit

Vor den Augen des im Stadion anwesenden Anthony Modeste schaffte es der effzeh sogar hin und wieder, vernünftige Kombinationen aufs Feld zu zaubern. Immer wieder kamen die Gastgeber ins letzte Drittel. Da fehlten aber zumeist Glück und/oder Genauigkeit – ein in dieser Saison weithin bekanntes Phänomen. Der effzeh erarbeitete sich etliche Standardsituationen, von denen aber (auch das ist nicht neu) nur ein Bruchteil gefährlich wurde. Nach einer Viertelstunde köpfte Yuya Osako eine Ecke vom kurzen Pfosten aufs kurze Eck, wo der Gästekeeper locker klärte. Jojic und Bittencourt scheiterten mit weiteren Torschüssen und irgendwie wirkte es so, als sei der effzeh dem ersten Tor nahe.

Foto: Patrik Stollarz/AFP/Getty Images

Natürlich kam dann, was kommen musste. Die Gäste schaltete nach gut 25 Minuten einen Gang höher. Aus dem Nichts kamen die Gäste zur riesigen Doppelchance, als Sabitzer erst freistehend im Strafraum den Pfosten traf und Poulsen den Abpraller schließlich aus kurzer Distanz unfassbarerweise gegen Horn statt ins Tor schoss.

Die kölsche Defensive reagierte auf die Chance so geschockt, dass in den anschließenden zwei Minuten kollektive Lähmungserscheinungen auftraten. Nach einer kurzen Ecke wurden gleich drei Leipziger nicht angegriffen, ehe Bruma einen Steilpass in den Lauf von Klostermann spielte, der frei durch war, weil der sonst starke Bittencourt schlief. Schuss in die kurze Ecke, 0:1. Alles wie immer also.

Riesiger Jubel bei Pizarro-Debüt

Anders als in vielen anderen Spielen diese Saison fing sich das Stöger-Team aber wieder und erspielte sich auch in der zweiten Halbzeit gute Chancen. Mit seiner letzten Szene des Spiels sorgte Cordoba für Gefahr, lieferte aber ein sehr anschauliches Beispiel für seine bisherige Saison, als er sich den Ball erst schön an der Außenbahn eroberte, dann aber einen schlampigen Rückpass an die Strafraumgrenze spielte. Dort hätte Leo Bittencourt die Kugel immer noch reinhämmern können, schoss aber passenderweise knapp am Tor vorbei.

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Kurz darauf verletzte sich Cordoba, was von einigen Idioten sogar gefeiert wurde. Für ihn kam Neuzugang Claudio Pizarro ins Spiel und plötzlich ging noch einmal ein Ruck durchs Stadion. Ein 38-jähriger Stürmer als Hoffnungsträger – die Erinnerung an vergessen geglaubte Zeiten.

Handwerker mit starkem ersten Auftritt

Der Peruaner legte auch gleich mit seiner ersten Aktion ein Tor von Bittencourt auf, welches wegen Abseits abgepfiffen wurde. Ansonsten tat aber auch er sich schwer mit der Mammutaufgabe, die unzähligen ungenauen Schläge in die Spitze irgendwie noch zu bekommen. Stoßstürmer beim effzeh 2017/18 zu sein bedeutet eben auch sehr viel Sisyphusarbeit.

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Zehn Minuten nach Pizarro kam ein weiterer Neuzugang zu seinem Debüt. Der 19-Jährige Tim Handwerker fügte sich gleich mit einem gefährlichen Distanzschuss ein und machte auch sonst auf der linken Seite jede Menge Betrieb. Dazu später mehr.

Inmitten aller kölschen Bestrebungen nach Glück, inmitten der ganzen abgefälschten Schüsse, die eben nicht wie letztes Jahr noch ins Tor sondern ins Seitenaus gingen, erzielte die Gastmannschaft zehn Minuten vor dem Ende das 0:2. Nach einem katastrophalen Fehlpass im Mittelfeld schaltete Sabitzer schnell um, ging die linke Seite entlang und flankte perfekt auf den Kopf von Poulsen.

Fans gehen, Handwerker flankt perfekt

Es war nicht die einzige Chance der Gäste. Schon zuvor hatte Timo Horn mehrfach stark auf der Linie pariert und Hoffnungen geweckt, dass der effzeh dann doch mal mit etwas Glück Punkte aus diesem Spiel entführen könnte.

Als sich etliche Fans, die nach dem 0:2 ihre Plätze verließen, bereits außerhalb des Stadions befanden, zeigte Tim Handwerker schließlich ein höchst selten im Spiel des 1. FC Köln zu beobachtendes Phänomen: Eine wohl durchdachte, schön angeschnittene und punktgenaue Flanke. Diese segelte von links in Richtung des langen Pfostens, wo Osako aus kürzester Distanz einnickte.

„Tot ist die Truppe auf keinen Fall!“

Wie schon bei der Niederlage gegen den HSV war der späte Anschlusstreffer aber keine Initialzündung. Der effzeh mühte sich noch zehn Minuten vergeblich, spielte unfassbar viele Fehlpässe und konnte sich für seinen kämpferisch einwandfreien Auftritt wieder nicht belohnen. Von den nach dem Abpfiff noch übrigen Fans wurde dieses Streben nach Glück mit anerkennendem Beifall und wieder einmal vorbildlicher Unterstützung quittiert. „Tot ist die Truppe auf keinen Fall“, meinte Bittencourt im Anschluss. Eine Beobachtung, die man nach dem Spiel teilen kann. Nur die nackten Zahlen sprechen eine andere Sprache.

Spieler des Spiels: Tim Handwerker. Der 19-Jährige kam, sah und gab ein bärenstarkes Bewerbungsschreiben ab. Eine starke Schusstechnik, eine starke Flankentechnik und der Wille, kreative Lösungen zu finden, zeichneten ihn aus. Angesichts der nicht unbedingt brutalen Konkurrenz auf den beiden offensiven Außenbahnen darf sich Handwerker Hoffnungen auf weitere Einsätze machen – und effzeh-Fans vielleicht auch mal wieder auf bessere Flanken.

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