Die Antwort ließ auf sich warten, doch nach dem Abstieg des 1. FC Köln äußern sich die Ultras zum Offenen Brief des Vereins. In einer zehnseitigen Stellungnahme rechnen sie dabei vor allem mit dem effzeh-Vorstand ab.
Es hat ein paar Monate und den mittlerweile feststehenden Abstiegs des 1. FC Köln gedauert. Seit dem „Offenen Brief“, den Präsidium, Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Beirat sowie Teile des Mitgliederrats unterschrieben und an die Ultras gerichtet haben (effzeh.com berichtete), ist viel Wasser den Rhein herunter geflossen. Jetzt haben die Kölner Ultra-Gruppen aber umso ausführlicher Stellung zu den Inhalten der ausführlichen, öffentlichen Standpauke des Vereins bezogen – und fordern den Rücktritt des Kölner Vorstands um Werner Spinner, Markus Ritterbach und Toni Schumacher.
„Der derzeitige Vorstand hat es unserer Ansicht nach geschafft, innerhalb kürzester Zeit die gute Arbeit und die Aufbruchsstimmung, die sich seit 2012 im Verein verbreitet hatte, zu zerstören. Ein Führungswechsel ist daher nötig, damit ein weiterer Neuanfang gelingen kann“, heißt es in einer zehnseitigen Stellungnahme, die sowohl auf den Websites der „Wilden Horde“ als auch der „Coloniacs“ zu finden ist. Dass Club-Führung und Öffentlichkeit so lange auf die Reaktion warten mussten, dürfte wohl sportliche Gründe haben: Erst sollte das sportliche Schicksal feststehen, dann die Auseinandersetzung mit den Fehlern der näheren Vergangenheit folgen. Und für die nehmen sich die hartgesottenen Anhänger nun umfangreich Zeit und Raum.
Angriff ist die beste Verteidigung
Der Text, der von den Kölner Ultra-Gruppen, also nicht vom Südkurve 1. FC Köln e.V. in Gänze, unterzeichnet wurde, geht nach Themenblöcken sortiert ausführlich auf alle Kritikpunkte im seit längerer Zeit schwelenden Konflikt mit der Kölner Vereinsführung und Themen aus dem Offenen Brief ein. Ob das Krisenmanagement in der Hinrunde der aktuellen Saison, der Umgang mit der Mitgliederinitiative „100 % FC“, die Stadionpläne, das Engagement in China, Sektorentrennung im Stadion, die „Choreoklausel“, den stillstehenden Dialog oder das blinde Vertrauen der Vereinsbosse zu Schmadtke und Stöger – zu all diesen Punkten nehmen die Ultra-Gruppen überwiegend sachlich Stellung, sparen aber nicht mit scharfer Kritik.
„Wir akzeptieren kein Präsidium, das von Werten eines Traditionsvereins schwadroniert, aber überhaupt kein Verständnis dafür hat, was diesen Verein wirklich ausmacht“, heißt es in der zehn-seitigen Stellungnahme unter anderem. „Stattdessen macht man die Hand überall dort auf, wo es Geld regnen kann, vergleicht sich derweil auf der Mitgliederversammlung lächerlicherweise mit Bayern München und faselt was von ‚Spürbar anders‘”, heißt es unter anderem in der Stellungnahme. Eine kritische Auseinandersetzung mit unliebsamen Themen sei vom aktuellen Vorstand schlichtweg nicht erwünscht und werde dementsprechend von ihm bekämpft.
Ultras bekräftigen Status Quo in der Choreo-Frage
Die Gruppen äußern sich aber auch selbstkritisch – vor allem das Verhalten in Belgrad wird noch einmal thematisiert. Auch dass man Vereinsmitarbeiter im Vorfeld der Choreo zum 20. Geburtstag der „Wilden Horde“ nicht korrekt über die geplanten Inhalte informiert habe, wird eingeräumt. Seit dieser Täuschung besteht der 1. FC Köln bei Choreos auf Formalitäten, die die Ultras nicht erfüllen möchten. Auch dazu nehmen die Gruppen Stellung: „Die derzeitige Vereinsführung hat sicher Recht: Es ist möglich, derzeit Choreographien durchzuführen. Aber eben nur, wenn man völlig bescheuert ist.“ Solange der Verein auf die „Choreoklausel“ bestehe, werde es keine weiteren Choreographien bei Heimspielen mehr geben, bekräftigen die Ultras den Status Quo seit Anfang 2017.
Auch zum verödeten Dialog zwischen den Gruppen und dem 1. FC Köln äußern sich die Ultras in ihrer Stellungnahme. Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zu Gesprächen und dementsprechende Fortschritte verbreiten die Zeilen allerdings nicht. „Wenn ein Dialog dauerhaft dazu missbraucht wird, hauptsächlich die persönlichen Eitelkeiten und die Öffentlichkeit zu befriedigen, sehen wir keinen Grund, uns an solchen Gesprächen zu beteiligen“, führen die Fans aus. „Der offene Brief sei hier als aktuelles Beispiel zu nennen.“
Eine Rückkehr zum Dialog mit dem Vorstand scheint ausgeschlossen
Eine Rückkehr zum Dialog mit dem aktuellen Vorstand scheint nahezu ausgeschlossen – zumal die Anhänger nun erstmals nach „Vorstand raus!“-Gesängen im Stadion auch in Schriftform die Rücktrittsaufforderung hinterlegt haben. Dass diese Meinung nicht von allen Fans des 1. FC Köln geteilt werden wird, scheint den Verfassern der Stellungnahme wohl bewusst gewesen zu sein. Das Schlusswort ist mit Bedacht gewählt: „Wir sind uns ziemlich sicher, dass wir mit unserer Sicht der Dinge und der Art wie wir diese äußern nicht bei allen FC-Fans auf Gegenliebe stoßen“, erklären die Ultras und fügen direkt an: „Wir sind uns allerdings genauso sicher, dass der aktuelle Vorstand der falsche für den 1. FC Köln ist.“
Wir sind uns ziemlich sicher, dass wir mit unserer Sicht der Dinge und der Art wie wir diese äußern nicht bei allen FC-Fans auf Gegenliebe stoßen. Wir sind uns allerdings genauso sicher, dass der aktuelle Vorstand der falsche für den 1. FC Köln ist.
Der Kölner Mannschaft begegnen die Fans derweil so friedlich wie zuletzt auch im Stadion zu sehen. Moral und Kampfgeist habe die Mannschaft „zum großen Teil bewiesen“, erklärten die Anhänger. „Und zwei Derbys für uns gewonnen!“ Der Mannschaft gebe man am Abstieg daher die geringste Schuld. Dieser sei vielmehr nur ein weiteres Symptom der schlechten Vereinsführung. Dazu haben sich Profis wie Timo Horn, Jonas Hector und Marco Höger für einen Verbleib beim FC entschieden. Ein Schritt, der von den Ultras sehr positiv gesehen wird: “Auch wenn es für uns kein Zauberstück ist, sein Herz dem 1. FC Köln zu schenken: Wir wissen sehr wohl, dass der Verbleib von Hoffnungsträgern im Abstiegsfall in der Welt des Profifußballs eine Seltenheit darstellt.”
Der Abstieg des 1. FC Köln ist kein “Unfall”
Trotz dieser Nachrichten sei der Abstieg allerdings weder eine Naturkatastrophe noch ein „Unfall“. Er sei vorhersehbar gewesen, daher auch vermeidbar und tut natürlich nichtsdestotrotz sehr weh. “Wir möchten allerdings nicht rumjammern, sondern wollen nach vorne schauen. In eine Zukunft, in der unser Verein unabhängig von Investoren bleibt, seinen Fans gehört, authentisch ist und in der trotzdem konstant erfolgreicher Fußball gespielt wird”, schließen die Ultras in ihrer Stellungnahme. All das mit dem aktuellen Vorstand in Zukunft zu erreichen, sei nicht möglich.
>>> Hier lest ihr die komplette Stellungnahme der Ultragruppierungen des 1. FC Köln