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Spielerportraits

Der kölsche Königstransfer

Lokalpatriot, Passmaschine, Schnäppchen: Innerhalb kürzester Zeit hat sich Marco Höger zu einem wichtigen Puzzlestück beim effzeh entwickelt.

Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images

Wie schmal der Grat zwischen Depp und Held sein kann, konnten die Anhänger des 1. FC Köln am Sonntag in Müngersdorf erleben. Anthony Modeste beispielsweise bolzte in der ersten Hälfte einen Elfmeter mit gefühlten 150 Kilometer pro Stunde an den Pfosten, nur um nach dem Seitenwechsel mit seinem ersten Bundesliga-Hattrick zum Matchwinner zu avancieren. Oder Marcel Risse, dessen Hereingabe in den ersten 45 Minuten wohl wieder einige wütende Anrufe an der Geißbockheim-Rezeption heraufbeschworen, nur damit er nach dem Pausentee mit zwei Torvorlagen zu glänzen. Oder eben Marco Höger, der wegen eines taktischen Fouls um ein Haar mit Gelb-Rot vom Feld gemusst hätte, um sich kurz darauf zum Taktgeber einer furios aufspielenden effzeh-Elf aufzuschwingen.

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Insbesondere bei der Entstehung zum 2:0 stach der Neuzugang dank Spielübersicht und Passqualität heraus. Am Ende standen für den 27-Jährigen starke Zahlen zu Buche: 75 Ballkontakte, eine Passquote von 92 Prozent, 10,37 Kilometer abgespult und mehr als die Hälfte aller Zweikämpfe gewonnen. Schon nach nicht einmal zehn Einsätzen wirkt es, als hätte er niemals woanders gespielt, als wäre er schon seit Jahren Teil dieser Mannschaft, als würde er bereits zum x-ten Male in Müngersdorf auflaufen. Dabei ist der Rechtsfuß erst vor der Saison von Schalke 04 in seine Heimatstadt zurückgekehrt, 1,5 Millionen Euro soll der effzeh dem Vernehmen nach für den vielseitig einsetzbaren Mittelfeldspieler bezahlt haben. Und schon nach etwas mehr als einem Viertel der Bundesliga-Saison darf geurteilt werden: Jörg Schmadtke ist abermals ein Schnäppchen gelungen. Mit seiner physischen Präsenz, der Ballsicherheit und der Laufstärke ist Höger auf dem besten Weg, ein unverzichtbares Puzzlestück in der Erfolgsgeschichte der aktuellen Saison zu werden.

Ein Kindheitstraum wird wahr

[perfectpullquote align=”right” cite=”” link=”” color=”” class=”” size=””]Ich habe ja nie ein Geheimnis draus gemacht, dass in meinem Herzen der Geißbock lebt. Jetzt für den FC zu spielen – das ist ein Traum.[/perfectpullquote]

Dass der gebürtige Kölner die Vorschusslorbeeren, die ihm bei der Verpflichtung zuteil wurden, bereits nach so kurzer Zeit unter Beweis stellen kann, hatten ihm nicht alle zugetraut. Nach einer Kreuzbandverletzung musste Höger auf Schalke fast die komplette vergangenen Saison pausieren. Zuvor war der kampfstarke Mittelfeldmann bereits einmal wegen einer schweren Knieblessur länger ausgefallen. Dennoch war der effzeh von ihm überzeugt – und stattete Höger gleich mit einem Fünfjahresvertrag aus. Für den Rechtsfuß war der Wechsel eine Frage des Herzens. Den effzeh hatte der gebürtige Kölner zuvor nur als Fan erlebt, gespielt hatte er für die „Geißböcke“ zuvor auch in der Jugend noch nicht. Dass sein Herz dennoch für den Klub seiner Stadt schlägt, daraus hatte Höger nie einen Hehl gemacht. „Ich habe immer gesagt, dass ich gerne einmal für den FC spielen würde“, erklärt der „kölsche Jung“. Selbst zu Schalker Zeiten sah man ihn ab und zu bei Heimspielen im Müngersdorfer Stadion. „Wann immer ich konnte, habe ich den FC angeschaut, auch im Fernsehen“, gesteht er.

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Kaum verwunderlich, dass er nach dem Debüt mit dem Geißbock auf der Brust strahlte wie ein kleines Kind zu Weihnachten. Beim 2:0 gegen Darmstadt 98 ließ Höger seine Qualitäten bereits mehrfach aufblitzen. „Gänsehaut pur“ hatte er beim Einlauf unter den Klängen der effzeh-Hymne, für den international erfahrenen Profi wurde ein Kindheitstraum war. „Ich habe ja nie ein Geheimnis draus gemacht, dass in meinem Herzen der Geißbock lebt. Als ich klein war, habe ich zusammen mit meiner Familie mit dem FC mitgefiebert, jetzt stehe ich selber als Akteur auf dem Platz: Das ist einfach ein Traum“, schildert Höger seine Gefühlswelt. Die Heimatverbundenheit spielte für den 27-Jährigen eine große Rolle: „Für mich ist das insgesamt einfach eine runde Sache: Ich kann in meiner Heimat Fußball spielen, bei meinem Traumverein, dem ich schon als kleines Kind die Daumen gedrückt habe“, betont der Mittelfeldspieler, dessen Idol in frühen Kindertagen der ehemalige FC-Stürmer Toni Polster war.

Er ist nicht der erste, dessen Weg zurück nach Köln führt, obwohl dies auf den ersten Blick in der Karriere einen Schritt zurück bedeutet. Auch Marcel Risse, Högers Freund aus alten Jugendtagen bei TuS Höhenhaus und Bayer Leverkusen, ging dieses Wagnis ein. Dass es ihn erst so spät erstmals zum FC verschlug, daran hat auch der öffentliche Personennahverkehr seinen Anteil: In der D-Jugend trainierte Höger, damals in Höhenhaus unter der Leitung seines Vaters aktiv, bereits am Geißbockheim, jedoch stellten sich die Fahrten vom Wohnort Bergisch Gladbach als zu zeitintensiv dar. Der kleine Marco wechselte nach Leverkusen, dort konnte er zum Training mit dem Bus fahren. Über die Jugend der „Werkself“, Alemannia Aachen, wo Höger den Durchbruch als Profi schaffte, und Schalke führte die Karriere ihn doch noch als Ziel seiner Träume. Und lässt den effzeh so kölsch wie lange nicht mehr werden: Neben Marcel Risse und ihm sind auch noch das Torwarttrio Timo Horn, Thomas Kessler und Sven Müller sowie die Talente Salih Özcan und Marcel Hartel in Köln geboren. Gleich sieben Profis aus der eigenen Stadt – das bedeutet mit Abstand Ligarekord.

“Ich will mit dem FC einiges erreichen”

[perfectpullquote align=”left” cite=”” link=”” color=”” class=”” size=””]Ich will vorangehen – das ist mein Anspruch. Ich gehe immer kompromisslos in jeden Wettbewerb, das ist meine Spielweise.[/perfectpullquote]

Und Höger peilt mit seinem Herzensverein den Höhenflug an. „Ich habe mir hohe sportliche Ziele gesteckt. Ich will mit dem FC einiges erreichen“, betont der „Jung us’m Levve“, der seinen Wechsel von Europa-League-Teilnehmer Schalke 04 nach Köln nicht als „Rückschritt“ sieht. Bei den „Geißböcken“ möchte „Derby-Höger“, wie er bei den „Königsblauen“ wegen seines Tores gegen den BVB genannt wurde, Führungsaufgaben übernehmen: „Ich will vorangehen – das ist mein Anspruch. Für mich ist es sowieso eine Herzensangelegenheit, für den FC zu spielen. Wenn ich dann noch eine Führungsrolle bekleiden kann, macht es das für mich sehr besonders“, sieht sich die kölsche Frohnatur in der Pflicht. Dazu gehört auch die entsprechende Prise Ehrgeiz, wie Höger betont. „Ich bin sehr impulsiv und emotional auf dem Platz – mir ist es egal, ob es Fußball-Tennis oder ein Bundesliga-Spiel ist: Ich will gewinnen. Ich gehe immer kompromisslos in jeden Wettbewerb, das ist meine Spielweise. Ich bin jemand, der auf dem Platz versucht, immer an die Grenzen zu gehen. Nur deshalb bin ich auch so weit gekommen“, sagt der 1,82 Meter große Modellathlet, dessen Opa bereits für den FC gegen den Ball trat.

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Um dieser Rolle gerecht zu werden, nahm sich der 26-Jährige in der Sommerpause einen Fitnesscoach, der ihn auf den Jahnwiesen in Form bringen sollte. Nach seinem zweiten Kreuzbandriss hatte Höger in der vergangenen Saison erst am letzten Spieltag wieder auf dem Platz gestanden. „Keinerlei Einschränkungen“ habe er nach der Blessur, vermeldete Höger schon zum Trainingsauftakt. Das zeigte er auch direkt in der Vorbereitung: auf dem Platz ist er eine Maschine. Ich sehe ihn jetzt schon als sehr wichtigen Spieler für uns, weil er die Ruhe am Ball hat und die Bälle verteilt und immer gut anspielbar ist“, urteilte Dominique Heintz im „kicker“ bereits nach wenigen Wochen: „Man sieht, dass er bei einem großen Verein und schon Europa und Champions League gespielt hat“, betonte der Innenverteidiger. Und auch wenn sich Höger als „typisch kölsch“ einschätzt, die große Klappe überlässt er anderen. „Ich habe häufig einen Spruch auf den Lippen und bin für jeden Spaß zu haben. Aber eben alles zu seiner Zeit, wenn es um die Ernsthaftigkeit geht, dann kann man sich auf mich verlassen. Unser Job erfordert für die optimale Leistung Ernsthaftigkeit und Professionalität“, erklärt der Neuzugang. Das betrifft auch den Umgang mit dem eigenen Körper: Im Fitnessraum in der eigenen Wohnung schuftet Höger, um die Stabilität des Knies zu gewährleisten.

Treibstoff für die Euphorie

Auch deshalb sorgt effzeh-Coach Peter Stöger für Pause bei seinem Stabilisator: In den bisherigen Englischen Wochen setzte Höger jeweils einmal aus, zuletzt pausierte er im Pokalduell gegen Hoffenheim komplett. „Es gibt Nachwehen nach so einer schweren Verletzung. Damit hätte ich früher nicht gerechnet, aber heute weiß ich, dass zum Beispiel nach einer langen Pause durch die Belastung schnell muskuläre Probleme auftreten können. Damit muss man schlau umgehen und sich vielleicht auch mal rausnehmen”, versteht er die Herangehensweise. So konnte er unter der Woche sogar ein wenig die grandiose Stimmung im Müngersdorfer Stadion genießen.

Mit dem aufkommenden Hochgefühl in der Stadt hat Höger keinerlei Probleme: „Die Fans sollen ruhig euphorisiert sein. Warum nicht? Sie hatten lange genug keinen Grund dazu. Es ist schön, mal oben zu stehen. Und wir wollen so lange wie möglich unsere gute Platzierung halten und geben alles dafür, dass die Euphorie anhält“, betont der 27-Jährige. Wenn es ihm wie dem Team gelingt, den schmalen Grat zwischen Held und Depp weiterhin auf der richtigen Seite zu beschreiten, dann dürfte es problemlos gelingen.

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