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Lebenswege beim 1. FC Köln: Stefan Oventrop – oder ganz einfach: Ove

Stefan Oventrop heute | Foto: Inka Englisch

„Gerne Stefan und Du“, sagt Stefan Oventrop, als ich mit einem „Herr Oventrop …“ das Gespräch beginnen will. „Oder ganz einfach Ove“, fügt er hinzu, „weil mich seit meiner Fußballzeit alle so nennen.“  Es ist früher Abend; wir sitzen in einem kleinen Restaurant unweit des Belgischen Viertels;  sanfte Jazzklänge erfüllen den Raum. Ove wirkt locker und entspannt, etwas später sagt er: „Ich rede gerne.“

Das stimmt! Er tut dies jedoch keineswegs unreflektiert; seine gelegentlichen Rückfragen deuten an, dass er auch in einem solchen Gespräch den Dingen gerne auf den Grund geht. Geboren ist Ove in Osnabrück, von wo er als Dreijähriger mit seinen Eltern und seinen beiden Brüdern für vier Jahre nach Portugal zieht, weil sein Vater dort als Berufssoldat stationiert ist. 1994 kehrt die Familie nach Deutschland zurück und bezieht eine Wohnung in Köln-Deutz, genau gegenüber der Platzanlage der SV Deutz 05.

Der Beginn einer Fußballkarriere

Dort beginnt der siebenjährige Stefan seine Fußballkarriere in der F-Jugend und bleibt den Deutzern auch bis 1999 treu. Als D-Jugendlicher trainiert er zusammen mit seinem älteren Bruder Andreas in der C-Jugend des Vereins und wird dort von Herbert Gehrke, dem damaligen Auswahltrainer des Fußballkreises Köln, entdeckt. „Ich wurde zu einem Sichtungstraining eingeladen“, berichtet Oventrop, „und als ich danach mein Geburtsjahr 1987 in einen Spielerbogen eingetragen hatte, sagte mir Gehrke, dass sich die Sichtung auf den 86er-Jahrgang beschränke und ich dafür noch zu jung sei.“

“Und dann die Chance zu bekommen, beim großen FC zu spielen, war einfach Wahnsinn!“

Er erkennt aber das Talent des D-Jugendlichen und vermittelt ein Probetraining beim 1.FC Köln. Stefan Oventrop überzeugt FC-Trainer Andreas Billetter – und trägt fortan das Trikot mit dem Geißbock auf der Brust. „Das war ein überragendes Gefühl“, erinnert sich Oventrop. „Damals war Fußball mein Leben. Sobald ich aus der Schule nach Hause kam, ging es für mich auf den Fußballplatz. Und dann die Chance zu bekommen, beim großen FC zu spielen, war einfach Wahnsinn!“

Vom Stürmer zum Defensivakteur

Nach einem halben Jahr übernimmt dann der spätere Nachwuchskoordinator des 1.FC Köln und heutige Trainer des FC Hürth, Oliver Heitmann, den älteren D-Jugend-Jahrgang und leitet mit einer Umstellung eine Reihe von Positionswechseln des jungen Deutzers ein. „Ich war Mittelstürmer und habe vor meinem Wechsel zum FC regelmäßig 30 Tore und mehr pro Saison erzielt“, erzählt er. „Heitmann zog mich auf die Sechser-Position zurück, weil ich im Sturm nicht so gut mit Marco Quotschalla harmonierte.“

Quotschalla war vom 1.FC Köln unter einigem finanziellem Aufwand von Bayer Leverkusen abgeworben und als 12-Jähriger mit einem Achtjahresvertrag ausgestattet worden. Von Teilen der Kölner Presse wurde er damals als „Wunderkind“ bezeichnet. „Ein Jahr später wurde ich zum Innenverteidiger umfunktioniert“, ergänzt Oventrop, „danach spielte ich wieder auf der Sechs. Bei Alemannia Aachen II wurde ich als rechter Außenverteidiger eingesetzt. In Spich spiele ich heute wieder im defensiven Mittelfeld.“

„Ich war schon damals ein Teamplayer, der den Erfolg der Mannschaft über persönliche Meriten stellte“,  erläutert Ove. „Mein Vater hat das bereits in meiner Deutzer Zeit sehr gefördert. Wenn ich ein Tor schoss, spendete er einen kleinen Geldbetrag in die Mannschaftskasse. Gelang mir aber eine Torvorlage, verdoppelte er die Spende.“

Mentalitätsspieler bei DFB-Lehrgängen

In der C-Jugend wird Oventrop dann auch in die Mittelrheinauswahl berufen und spielt dort so gut, dass der DFB auf ihn aufmerksam wird. „Ich war nie der schnellste, nie der technisch beste und ausdauerndste, aber mir sagte man viel Herz, Aggressivität und Leidenschaft nach“, sagt er. Heute würde man ihn wohl als Mentalitätsspieler bezeichnen. Einladungen zu DFB-Lehrgängen folgen, und dort gehört er zu der Auswahl der 30 besten Nachwuchsspieler des 87er Jahrgangs und trainiert unter anderem mit Sami Khedira, Kevin-Prince Boateng, Dennis Aogo, Fin Bartels und Rouwen Hennings. Zu Einsätzen in der Jugendnationalmannschaft kommt es allerdings nicht.

„Das hatte mehrere Gründe“, erklärt der gebürtige Osnabrücker. „Wenn ich ganz ehrlich bin, war ich in keiner der von mir gespielten Defensivpositionen so überragend, dass ich dort spielen musste, aber überall spielen konnte. Ich war ein Defensivallrounder, was Fluch und Segen zugleich war. Meine Konkurrenten um den Platz in der Nationalelf waren mir einfach ein Stück voraus. Dazu kam, dass ich mit Muskel- und Kapselverletzungen zu tun hatte, und dies hat mich immer wieder in meiner Entwicklung zurückgeworfen.“

Starke Konkurrenz in der A-Jugend des 1.FC Köln

Kurz vor Ende seiner B-Jugendzeit zieht sich Oventrop eine Meniskusverletzung zu, die eine Reha erfordert und ihn wochenlang außer Gefecht setzt. Als Jungjahrgang ist für ihn im ersten A-Jugendjahr die Konkurrenz im Mittelfeld mit Jugendnationalspieler Daniel Grebe, dem heutigen Viktorianer Mike Wunderlich und Kamil Niewiadomski und in der Abwehr mit Sebastian Jansen, Nicola Kaiser und auch Thomas Sabacinski sehr groß, zudem sind seine Ausdauerwerte eher unterdurchschnittlich,  so dass die meisten seiner Einsätze aus Einwechslungen bestehen.

Auf der nächsten Seite: Comeback mit Happy End und ein Pokalsieg ohne Freude

In der Sommerpause arbeitet er an seiner Fitness. „Mein Laktattest zum Ende der Saison war unterirdisch, und deshalb hatte ich die Auflage, Läufe über 120 Minuten zu machen, was ich auch tat“, sagt Stefan Oventrop. „Am Ende der Ferien war ich für meine Verhältnisse richtig fit und wollte zur neuen Saison voll angreifen.“ Im letzten Vorbereitungsspiel bei Renault Brühl bleibt Oventrop bei einem an sich normalen Zweikampf im Rasen hängen und reißt sich das rechte Kreuzband und den rechten Außenmeniskus.

In der auf die Operation folgenden Reha bemerkt der Inhaber der Einrichtung, ehemaliger Physio von Bayer Leverkusen, bei Oventrop körperlich-konditionelle Defizite und schickt ihn zu einem Spezialisten. Der diagnostiziert eine Borreliose. „Am Geißbockheim gibt es ja viel Gebüsch, und beim Ballholen muss ich mir da einen Zeckenbiss eingehandelt haben“, erläutert er. „Die Vermutung war, dass mein Muskelsystem durch die Borreliose so geschwächt war, dass ich mir in einer eigentlich völlig harmlosen Situation eine so schwere Knieverletzung zugezogen hatte.“

Comeback mit Happy-End

Nachdem der Defensivallrounder die Borreliose überwunden hat, kämpft er verbissen gegen die dunklen Gedanken an, die ihn nach dem Kreuzbandriss heimsuchen. Ist dies das Ende einer möglichen Karriere bei den Profis? Er will sich damit nicht abfinden und setzt in der Reha alles daran, körperlich und konditionell in eine möglichst gute Verfassung zu kommen. „Ich habe in der Reha jeden Tag fünf Stunden trainiert und bin zur Vorbereitung in der Winterpause richtig stark zurückgekommen“, erinnert sich Oventrop.

Stefan Oventrop ist in der mittleren Reihe der fünfte Spieler von links | Foto: 1. FC Köln

Das Spiel beim Spitzenreiter VfL Bochum am 5. März 2006 wird dann zum Comeback für ihn. Es hat stark geschneit, der Kunstrasenplatz ist vom Schnee geräumt, der hinter den Toren aufgehäuft worden ist. Beim Stand von 1:1 wird Stefan Oventrop zu Beginn der 2. Halbzeit für seinen besten Kumpel im Team,  Manuel Glowacz, eingewechselt und erzielt in der 67. Minute nach einer Ecke den 2:1-Siegtreffer. „Meine Mannschaftskameraden haben mich vor Freude mit dem Kopf voran in den Schnee gedrückt“, sagt er.

Auch seine Ausbildung treibt Oventrop voran. Nach einem Realschulabschluss mit der Durchschnittsnote 1,1 und dem Fachabitur auf einer Höheren Handelsschule für Wirtschaft und Verwaltung absolviert er ein Praktikum in der Scouting-Abteilung des FC bei Siggi Marti, dem heutigen Chefscout von Mainz 05.

Ein Pokalsieg ohne Freude

In den weiteren Spielen der Rückrunde spielt die A-Jugendmannschaft des FC gut, schnuppert sogar einige Male an der Tabellenführung, so dass ihr Trainer, Frank Schaefer wenig Grund zu Wechseln in der Stammformation sieht.  Der ehemalige Deutzer kommt zwar auf eine Reihe von Einsätzen, spielt aber nur selten von Anfang an. Am Ende der Saison steht Schaefers Team im Finale um den Mittelrheinpokal, das in Leverkusen gegen die Bayer-Elf ausgetragen wird. Die FC-Jugend gewinnt ihr letztes Saisonspiel 5:0, Jubel und Freude allenthalben, nur Stefan Oventrop ist nicht nach Feiern zumute. Er hat keinen Vertrag mehr.

„Am Abend wurde das Champions-League-Finale zwischen Barcelona und Arsenal übertragen, ich konnte und wollte es mir nicht ansehen“, erinnert er sich. „Ich habe geheult, vor Trauer und vor Wut und war richtig down.“ Der damalige Vizepräsident Jürgen Glowacz, der den Weg des Defensivallrounders schon seit der D-Jugend verfolgt und dessen Zweikampfstärke, Siegeswillen und Einsatzbereitschaft ausgesprochen schätzt, hört von der misslichen Vertragssituation und reagiert. „Sein Argument war, dass man einen Nachwuchsspieler, der sieben Jahren lang Auswahlspieler war und bei seinen Einsätzen zumeist gute Leistungen gezeigt hat, nicht einfach so ziehen lassen könne.“

Schwierige Zeiten in der U23 des 1.FC Köln

Oventrop bekommt einen Einjahresvertrag als Vertragsamateur für die zweite Mannschaft des 1.FC Köln. Deren Trainer, Christoph John, ist von dieser Entwicklung wenig begeistert. „Er sagte mir, ich sei die Nummer 23 im Team, und es würde schwierig für mich werden, auf Einsatzzeiten zu kommen“, erinnert sich Oventrop. „Die Mannschaft war gerade aus der Regionalliga Nord in die Oberliga Nordrhein abgestiegen und John präferierte ältere Spieler wie Carsten Cullmann, Sebastian Zinke, Stefan Schwellenbach und Tobias Nickenig, um in der rustikalen 4. Liga bestehen zu können.“

Das Verrückte in dieser Saison war: Ich spielte gegen belgische und holländische Nationalspieler und bekam regelmäßig gute Kritiken.

Stefan Oventrop ahnt, dass dies möglicherweise seine letzte Chance ist, im Profigeschäft Fuß zu fassen und gibt im Training richtig Gas. Ältere Spieler wie Gustav Schulz und Peter Madsen attestieren ihm gute Trainingsleistungen, allein er wird nicht aufgestellt. „Das Verrückte in dieser Saison war, dass ich Teil der Mannschaft des FC war, die an der internationalen Nachwuchsrunde teilnahm und gegen Mannschaften wie Ajax Amsterdam und Standard Lüttich spielte“, erläutert er. „In diesen Spielen, unter anderem gegen belgische und holländische Nationalspieler, bekam ich regelmäßig gute Kritiken und nahm unter Christoph Daum auch einmal am Training der FC-Profis teil.“

Auf der nächsten Seite: Der Abschied vom 1. FC Köln und berufliche Neuorientierungen

Oventrop kommt erst in drei der letzten vier Oberligaspielen von Beginn an zum Einsatz, zu dem Zeitpunkt ist aber schon klar, dass er den Verein verlasssen wird . „Der Bonner SC hatte mir ein Angebot gemacht. Der Verein wollte in der Saison 2007/2008 aus der Oberliga aufsteigen und hatte enorm investiert“, sagt er.“  Damalige Zweitligaspieler wie Hilko Ristau von Rot-Weiß Essen und Dirk Caspers von Alemannia Aachen sowie erfahrene Kicker wie Adama Niang, Mirhudin Kacar und Orhan Özkaya bilden das Gerüst eines nominell starken Teams.

Wieder muss Stefan Oventrop erfahren, dass in der Oberliga Erfahrung und körperliche Robustheit jugendlichem Elan und technischem Können vorgezogen werden und kommt nur auf 18 Einsätze. Im Spiel gegen Germania Dattenfeld wird er als rechter Außenverteidiger eingesetzt und beeindruckt den Co-Trainer von Alemannia Aachen II, Franz Stolz, so sehr, dass die Kaiserstädter ihm einen Zweijahresvertrag für ihre Zweitvertretung anbieten.

Zwei Jahre in der Kaiserstadt

Die erste Mannschaft der Alemannia spielt 2008/2009 in der 2. Liga und strebt den Wiederaufstieg in die 1. Bundesliga an. „Ich unterschrieb, da das für mich die Chance war, noch einmal an einer Profikarriere zu schnuppern“, erklärt der ehemalige FC’ler. Er will jedoch nicht alles auf die Karte ‚Fußball‘ setzen und  absolviert in der Zeit bei der Alemannia eine zweijährige Ausbildung zum Bürokaufmann bei der Sporthopädie Wallenborn.

Auch fußballerisch fängt die Zeit in Aachen gut an. In seinem ersten Spiel, das mit einem 6:1-Sieg gegen Jugendsport Wenau endet,  erzielt Oventrop die ersten beiden Tore – jeweils aus der Distanz. „Als 10-Jähriger war ich Fan vom BVB, besonders Lars Ricken hatte es mir angetan“, erinnert er sich. „Als er im Champions-League-Finale gegen Juventus Turin eingewechselt wurde und den Juve-Keeper Peruzzi mit einer Bogenlampe aus 30 Metern zum entscheidenden 3:1 überlupfte, spornte mich das an, es ihm nachzutun. Das hat auch wirklich einige Male geklappt.“

Oventrops Wegbegleiter in Aachen: Marco Höger, heute Vizekapitän des 1. FC Köln | Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Das 3:0 bei dem 6:1-Sieg in Wenau erzielt der 18-jährige Marco Höger. „Marco war schon damals ein technisch überragender Spieler, der zudem den Ball im Zweikampf hervorragend abschirmen konnte“, sagt Oventrop. „Allerdings wirkte er nicht ganz austrainiert. Nach der Saison 2008/2009 bekam er einen gesonderten Trainings- und Ernährungsplan, den er auch entsprechend befolgte, und startete danach richtig durch.“

Von der Alemannia zum SC Brühl

Auch heute hat „Ove“ noch Kontakt zum jetzigen Vizekapitän des 1.FC Köln. „Er hat vor allem mit Schalke einiges erreicht, hat international gespielt und ist trotzdem ein absolut geerdeter Typ geblieben, der weiß, wo seine Wurzeln sind“, berichtet er. „In seiner ersten Champions-League-Saison bei Schalke hat er zu Silvester einen großen Saal in der Nähe des Doms gemietet und ein tolles Fest veranstaltet für 150 Gäste, alte Schulfreunde, ehemalige Mannschaftskameraden, Weggefährten und Freunde von früher.“

In der zweiten Saison in Aachen holt Oventrop wieder das Verletzungspech ein, eine Innenmeniskusverletzung und ein Bänderriss im Knöchel tragen dazu bei, dass er nur auf 17 Saisonspiele kommt. Zudem versteht Trainer Eric van der Luer die Zweitvertretung der Alemannia als Talentschmiede und setzt vor allem auf Spieler, die jünger sind als der inzwischen 23-jährige Ex-FC’ler.

So verlässt Oventrop Aachen 2010 und schließt sich dem damaligen Verbandsligisten SC Brühl an. Vor allem aber trifft er eine lebensverändernde Entscheidung,  er macht sich selbstständig. „Ich habe erkannt, dass ich im Profifußball keine Karriere mehr machen werde“, sagt er. „Deswegen habe ich mich umorientiert und habe nach der abgeschlossenen Ausbildung zum Bürokaufmann eine  Weiterbildung zum Versicherungsfachmann absolviert. Dies war der Beginn eines Zeitraums von  sieben Jahren, in denen ich selbstständig in der Finanz- und Versicherungsbranche tätig war.

Zurück zu den Wurzeln

Das Jahr in Brühl ist fordernd: Tagsüber arbeitet er in dieser Zeit als Finanzberater, fährt danach zum Training und arbeitet nachts am Kölner Flughafen bei UPS, um sozialversichert zu sein. Nach einem Jahr wechselt Oventrop dann zu Deutz 05 und gibt damit dem jahrelangen Werben seines Heimatvereins nach. „Ich hatte den Verantwortlichen gesagt, dass ich zurückkomme, wenn sie in die Landesliga aufsteigen und einen Kunstrasenplatz anlegen würden“, berichtet er. „Der Aufstieg wurde geschafft, der Kunstrasenplatz wurde aber erst zur Rückrunde fertig.“

Die Folge war, dass die Hinrundenheimspiele auf einem Aschenplatz gespielt werden mussten. „Die Kickerei auf diesem Untergrund und meine Vorstellungen von Fußball waren nicht vereinbar“, erklärt Oventrop. „Ich habe auch mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg gehalten. Das habe ich nie getan, wenn ich von etwas überzeugt war. Deshalb galt ich bei vielen Trainern als schwieriger Charakter.“

Ich habe auch mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg gehalten. Das habe ich nie getan, wenn ich von etwas überzeugt war.

Nach fünf Spielen der Saison 2011/2012 hört Stefan Oventrop zum ersten Mal mit dem wettkampfmäßigen Fußball auf. „Die Bolzerei auf Asche war einfach nicht meins“, sagt er. „Zudem war ich zeitlich durch meine Versicherungsagentur sehr eingespannt und reiste oft in Sachen Finanzen und Versicherungen durch ganz Deutschland.“ Gelegentlich spielt er den kommenden drei Jahren in der zweiten oder dritten Mannschaft der Deutzer, wenn im Team seines Bruders der elfte Mann fehlt oder die alten Kumpels ihn „bequatschen“.

Auf der nächsten Seite: Mal auf, mal neben dem Platz und der nächste Neubeginn

Erst in der Saison 2014/2015 spielt er wieder regelmäßiger, bestreitet die letzten Hinrundenspiele in der Zwoten. Als zu Beginn der Rückrunde die 1. Mannschaft, an der Tabellenspitze der Bezirksliga liegend, die ersten drei Spiele verliert, wird Oventrop wieder zur Ersten hochgezogen und leistet seinen Beitrag zum Aufstieg in die Landesliga.

Im ersten Heimspiel der Rückrunde 2015/16 findet sich Stefan Oventrop zu seiner Überraschung auf der Ersatzbank wieder. „Natürlich war ich sauer“, erinnert er sich. „Es regnete in Strömen, die jungen Ersatzspieler vertrieben sich die Zeit mit Ballhochhalten und Ohrenflitschen. Da habe ich mir einen Kaffee geholt und mich in den Kabinengang ins Trockene gestellt – sehr zum Missfallen meines Trainers, der mich dann auch prompt suspendierte.“

Natürlich war ich sauer. Es regnete in Strömen, die jungen Ersatzspieler vertrieben sich die Zeit mit Ballhochhalten und Ohrenflitschen. Da habe ich mir einen Kaffee geholt und mich in den Kabinengang ins Trockene gestellt.

Oventrop hört zum zweiten Mal mit dem wettkampfmäßigen Fußball auf und kickt ab und an in der dritten Mannschaft. Im Sommer 2017 überzeugt ihn dann sein ehemaliger Deutzer Mannschaftskollege Sebastian Hecht von einem Wechsel zum Bezirksligisten SV Bergheim, den er in der Winterpause nach der Entlassung des Trainers und einiger Spieler wieder in Richtung des Ligakonkurrenten FC Niederkassel verläßt.

Private und berufliche Veränderungen

Inzwischen hat sich privat und beruflich im Leben des Stefan Oventrop einiges verändert. Er lernt seine spätere Frau Ramona kennen, im Juli 2017 heiraten die beiden auf Hawaii. Auch beruflich orientiert sich der Ex-FC’ler neu. „Ich hatte in meinem Job als Versicherungs- und Finanzberater gut verdient“, sagt er. „Aber ich merkte immer mehr, dass dies nicht das war, was ich 40 Jahre lang machen wollte. Außerdem wollte ich nicht länger Einzelkämpfer sein, sondern im Team mit anderen zusammen etwas wirklich Sinnvolles tun und Menschen helfen.“

In den letzten Jahren seiner Tätigkeit im Finanzgeschäft investiert Oventrop einiges an Zeit und eine Menge Geld in die Wahrnehmung von Weiterbildungsangeboten, in Seminare, Podcasts, Videos und Bücher. Besonderes Interesse zeigt er dabei an Angeboten zur Persönlichkeitsentwicklung. Irgendwann lernt er dann die im Zuge seiner Fortbildungsaktivitäten GEDANKENtanken kennen – und ist fasziniert.

Beruflicher Neuanfang bei GEDANKENtanken

„Ich habe dann dort einige Gespräche geführt und dabei gemerkt, dass dieses Konzept sich mit meinen Vorstellungen einer sinnhaften und ausfüllenden beruflichen Tätigkeit sehr gut vereinbaren ließ“, sagt er. „Im Oktober 2017 habe ich dann bei GEDANKENtanken angefangen, um meine Kompetenzen aus einer siebenjährigen Selbstständigkeit dazu zu nutzen, als Business Coach in der Business Factory Selbstständige in Bereichen wie  Führungskompetenzen, Positionierung, Marketing und Kommunikation zu unterstützen.“

Was ist GEDANKENtanken? „GEDANKENtanken ist eine Weiterbildungsplattform, die nationale u internationale Experten zusammenbringt, um Menschen, die zu uns kommen, Know-how zu allen möglichen Themen der beruflichen und persönlichen Weiterbildung zu vermitteln und zwar durch unsere Veranstaltungen, wie unser Aushängeschild, die Rednernächte, durch Seminare, Workshops und Online-Kurse“, erläutert Oventrop.

GEDANKENtanken ist in drei große Bereiche unterteilt: neben der Business Factory bieten wir in der Leaders Academy für Führungskräfte mittelständischer Unternehmen z.B. Führungskräftetrainings  an. Dies wird ergänzt durch die Marke Life, einen Bereich,  in dem Menschen aus allen Berufs- und Lebensbereichen  in Seminaren und Online-Kursen darin unterstützt werden ein glückliches und erfülltes Lebens zu führen. Wir bieten kostenfreie Vision Challenges an, die durch die Harmonisierung von Bewusstsein und Unterbewusstsein dabei helfen sollen, Ideen und Ziele zu formulieren und diese dann in die Tat umzusetzen.“

Barack Obama nach Köln geholt

Es ist jedoch nicht nur der Inhalt der Arbeit, der Stefan Oventrop so begeistert, es ist auch die Atmosphäre im Team – bei der Arbeit und danach. „Unsere Projekte gehen wir stets in Teamarbeit an“, erklärt er. „Der Teamgedanke ist aber nicht nur auf den Arbeitsplatz beschränkt; auch privat ziehen wir an einem Strang und unternehmen vieles gemeinsam.“

Foto: Inka Englisch

Am 4. April 2019 veranstaltete GEDANKENtanken den World Leadership Summit, zu dem 15 000 Besucher in die Lanxess-Arena kamen. In dem vierstündigen Event beleuchteten Experten wie der Bonner Unternehmer Frank Thelen, der US-Bestsellerautor John Strelecky sowie  die Management-Trainerin Sabine Asgodom die Frage, was in der heutigen Zeit gute Führung bedeutet.

Höhepunkt der Veranstaltung war ein einstündiges moderiertes Gespräch mit dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten Barack Obama, der eigens zu diesem Zweck in die Domstadt gekommen war und das Publikum mit seinen klaren Aussagen und seinem authentischen Auftreten zu Standing Ovations hinriss.

Wieder Freude am Fußball beim 1. FC Spich

Auch fußballerisch findet Stefan Oventrop eine Heimat. Nach einem halben Jahr in Niederkassel wechselt er im Sommer 2018 zum Bezirksligisten 1.FC Spich, bei dem er wieder auf Sebastian Hecht trifft, der inzwischen zu einem guten Freund geworden ist. Erklärtes Ziel des Clubs ist der Aufstieg in die Landesliga: Nach 21 Spieltagen liegt man mit einem Spiel weniger und einem Punkt Vorsprung auf den ersten Verfolger, SV Wachtberg,  auf dem ersten Tabellenplatz.

Nach dem Spiel am letzten Sonntag meinte der Schiedsrichter zu mir: “Du warst kurz davor, vom Platz zu fliegen. Du bist eher so der Gattuso-Typ!” Daraufhin habe ich ihm gesagt: ‘Danke für das Kompliment, genauso sollte es sein!

Auch in Spich spielt er den Fußball mit der Leidenschaft, dem Biss und der Aggressivität, die ihn auch als Nachwuchsspieler beim 1. FC Köln ausgezeichnet hat. „Nach dem Spiel am letzten Sonntag meinte der Schiedsrichter zu mir: ‘Du warst kurz davor, vom Platz zu fliegen. Du bist eher so der Gattuso-Typ!‘ Daraufhin habe ich ihm gesagt: ‘Danke für das Kompliment, genauso  sollte es sein!“

Gennaro Gattuso, mit dem Spitznamen „Ringhio“ bedacht (dt. der Knurrer), war ein äußerst kampfstarker defensiver Mittelfeldspieler und 73-facher italienischer Nationalspieler, der den größten Teil seiner Karriere beim AC Mailand verbracht hat. In der bisweilen martialisch anmutenden Fußball-Lyrik wurde über ihn aufgrund seines Spielstils und seines Verhaltens auf dem Platz häufig gesagt, dass er „keine Gefangenen mache“.

Auf der nächsten Seite: Noch hängen die Fußballschuhe nicht am Nagel

Wie sieht die Bilanz von Oves Fußballkarriere aus? „Das Positive überwiegt deutlich“,  sagt er. „Ich habe dem Fußball unvergessliche Erlebnisse zu verdanken, wie zum Beispiel eine zweiwöchige USA-Reise mit der Mittelrheinauswahl, als ich als 18-Jähriger Las Vegas sehen und durch Arizona reisen durfte. Oder ein Turnier auf Teneriffa, wo wir mit der A-Jugend des FC ein Spiel gegen unsere Altersgenossen von Real Madrid bestritten, bei dem mir in einer Situation zwei Beinschüsse gelungen sind.“

Er hält einen Moment inne. „Ich habe durch den Fußball tolle Menschen kennengelernt und nachhaltige Freundschaften geschlossen. So bin ich etwa mit meinem besten Kumpel aus den Jugendtagen beim FC, Manuel Glowacz, auch heute noch befreundet. Auch zu Jürgen, seinem Vater, ist der Kontakt nie abgebrochen. Zudem hat mich der Fußball geprägt, hat einen erheblichen Anteil daran gehabt, wer ich jetzt bin. Aber natürlich gab es auch Negatives. Die dunklen Gedanken nach dem Kreuzbandriss, die Wut und Trauer nach dem Pokalspiel in Leverkusen. Sicherlich frage ich mich manchmal, wie meine Laufbahn verlaufen wäre, wenn ich nicht so oft verletzt gewesen wäre und mich in einigen Situationen diplomatischer dem jeweiligen Trainer gegenüber verhalten hätte. Wer weiß?“

Stefan Oventrop ist in der mittleren Reihe der dritte von rechts (Foto: privat)

Hat er noch einen Bezug zum FC?  „Mein Herz hängt am FC!“, kommt die prompte Antwort. „Ich bin kein großer Fußballfan mehr und schaue mir lieber mit meiner Frau zusammen American Football im Fernsehen an, aber ich fiebere immer noch mit, wenn der FC spielt, und versuche, mindestens einmal im Jahr im Stadion zu sein.“

Noch hängen die Fußballschuhe nicht am Nagel

Hängt er nach der laufenden Fußballsaison die Fußballschuhe an den berühmten Nagel? Er zögert kurz. „Nein“, sagt er dann. „Ich gehe davon aus, dass wir aufsteigen, und dann möchte ich mit Spich noch eine gute Saison in der Landesliga spielen.“ Er dreht das Glas Mineralwasser in seinen Händen. „Mit Trainer Stefan Bung, mit dem ich in der B-Jugend beim FC gespielt habe, meinem Kumpel Sebastian Hecht und mit den übrigen Mitspielern haben wir eine prima Mannschaft zusammen“, sagt er dann.

„Wir verstehen uns gut auf dem Fußballplatz und auch außerhalb. Es herrscht einfach eine tolle Atmosphäre dort, die Familien sind eingebunden; all dies möchte ich noch ein Jahr genießen.“ Die Bedeutung des Teams – bei GEDANKENtanken und beim 1. FC Spich! „Allerdings gibt es auch Herausforderungen“, räumt Oventrop ein. „Spielen kann ich eigentlich nur mit Schmerzmitteln. Die Schulter und der Rücken schmerzen, die Ferse tut eigentlich ständig weh. Ich trainiere nur so viel, dass es zum Spielen am Wochenende reicht.“

Foto: 1. FC Spich

Plötzlich huscht ein Lächeln über sein Gesicht. „Außerdem werde ich im August Vater eines Sohnes.“ Seine Vorfreude ist beinahe greifbar. „Da bin ich mal gespannt, ob ich das alles unter einen Hut bekomme. Aber meine Frau hat versprochen, mich bei meinem Vorhaben unterstützen, eine weitere Saison zu spielen.“ Hat er mit seiner Frau zusammen schon einen Vornamen ausgesucht? „Ich möchte ja, dass er Ove heißt.“ Wieder lächelt er. „Aber da muss ich bei meiner Frau noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten!“

Teamplayer, Business Coach – und bald Vater

Wir verlassen das Restaurant und gehen noch ein Stück gemeinsam. Es ist später Abend geworden, die Lichter der Neustadt-Nord hellen das Dunkel auf, der Wind hat aufgefrischt. Stefan Oventrop zieht den Reißverschluss seiner Jacke hoch. „Mein Vater hat mich immer unterstützt und mir viel Vertrauen entgegengebracht“, sagt er unvermittelt. „Er hat mir nie hereingeredet, weder in meine Fußballkarriere noch in meine Berufswahl.“ Er hält einen Augenblick inne. „Ich würde mir wünschen, dass ich das bei meinen Kindern auch so hinbekomme.“

Wir verabschieden uns, dann taucht er ein in das Gewusel dahinhastender Passanten. Ich schaue ihm nach, bald ist er aus meinem Blickfeld verschwunden. Er, Stefan Oventrop – Ex-FC’ler, Mentalitätsspieler, eloquenter Widerspruchsgeist, Teamplayer, Business Coach, bald Vater – oder ganz einfach: Ove.

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