Fragt man die jüngsten Nachwuchsspieler des 1.FC Köln, die in der U8 oder U9 dem runden Leder nachjagen, was ihr größter Traum sei, so werden die allermeisten sicherlich angeben, dass dies ein Profivertrag beim 1. FC Köln sei. Die Anzahl derjenigen, die es wirklich schaffen, in die Fußstapfen eines Lukas Podolski, Timo Horn oder Yannick Gerhardt zu treten, ist jedoch verschwindend gering.
Diese Artikelserie wird sich mit den Lebenswegen ehemaliger vielversprechender Jugendspieler des 1. FC Köln beschäftigen, deren Traum einer Profikarriere beim FC sich nicht erfüllt hat, die nicht zu einem zweiten “Icke” Häßler oder Lukas Podolski geworden sind, die aber trotz dieser Enttäuschung das Leben gemeistert haben und beruflich erfolgreich sind. Kurt Ludwigs präsentiert in der Rubrik “Lebenswege – mal mehr, mal weniger im Rampenlicht” ehemalige Nachwuchsspieler des 1. FC Köln – den Anfang macht “Joschi” Chang.
„Wir waren einfach eine verschworene Gemeinschaft, eine richtig tolle Truppe, auf dem Spielfeld und auch außerhalb!“ – Joschi Chang schwärmt bereits zum Einstieg in unser Gespräch von der damaligen Zeit. Die tolle Truppe war die B-Jugendmannschaft des 1. FC Köln, die 1990 unter Trainer Frank Schaefer die deutsche Meisterschaft mit einem 2:1-Sieg im Endspiel gegen den VfB Stuttgart gewann. Einer der beiden Manndecker damals war Young-Suk Peter Chang, den seine Freunde nur “Joschi” nennen.
Deutscher Meister 1990 mit der B-Jugend des 1. FC Köln
Wir sitzen im Fisch-Hof, einer Sushi-Bar im Belgischen Viertel, die Joschi Chang in der heutigen Form seit 2001 betreibt und die sich nahtlos in die bunte Mischung von Cafés, Boutiquen, Galerien, Theater, Kneipen und Bars dieses Szeneviertels einfügt. Die Einrichtung ist spartanisch-schlicht, ohne Schnickschnack. Wir sitzen auf einfachen Holzstühlen an ebenso einfachen Holztischen und doch wirkt dieses Ambiente irgendwie urig.
„Die Stuttgarter waren die haushohen Favoriten, sie hatten eine Mannschaft, die mit Jugendnationalspielern gespickt war“, erinnert sich Chang. „Einer von ihnen, Sascha Nikoljewicz, ist einige Wochen später zum AC Turin gewechselt, Thomas Reis und Thomas Sobotzik wurden Stammspieler in der Bundesliga. Aber wir waren mannschaftlich das bessere Team und hatten mit Frank Ploeger, Guido Jörres und Pablo Thiam auch einige herausragende Einzelspieler.“
Die Anfänge seiner Karriere
Von einer deutschen Meisterschaft konnte Joschi Chang allerdings nur träumen, als er seine Fußballkarriere im zarten Alter von vier Jahren in Porz bei den Sportfreunden Eil begann, von wo er dann ein Jahr später zur SpVg Porz wechselte. Er war immer der bei weitem jüngste Spieler in den Jugendmannschaften, die er bis zur D-Jugend dort durchlief. Besonders heiße Duelle gab es mit der KSV Heimersdorf, wo ein schmächtiger, blonder Spieler die Fäden im Mittelfeld zog – Markus Anfang, der heutige FC-Trainer. „Wir haben meistens verloren, irgendwie waren uns die Heimersdorfer überlegen“, räumt Chang ein.
Joschi Chang vor seiner Sushi-Bar “Fisch-Hof” | Foto: effzeh.com
Auf Vermittlung seines Vaters Jae-In wurde Chang dann zu einem Probetraining beim 1. FC Köln eingeladen und wechselte kurz darauf zu den Geißböcken. In seinem zweiten Jahr in der C-Jugend (U15) zog er sich eine schwere Schulterverletzung zu, die ihn lange außer Gefecht setzte und ihn seinen Stammplatz im Mittelfeld kostete. Er wechselte wenig später zu Bayer Leverkusen, wo er in der folgenden Saison vorzeitig von der B2 (U16) in die B1 (U17) hochgezogen wurde und fortan unter Michael Reschke trainierte, dem späteren Nachfolger von Reiner Calmund und kürzlich entlassenen Sportverstand beim VfB Stuttgart.
Umgeschult bei Bayer – und zurück zum 1. FC Köln
In diese Zeit fiel auch die Umschulung Changs vom Mittelfeldspieler zum Manndecker. „Achim Gödde, unser damaliger Co-Trainer, kam am Tag vor einem Spiel gegen Bayer Uerdingen, zu dem zwei oder drei Stammkräfte der Leverkusener Abwehr verletzt ausfielen, zu mir und sagte: Du bist schnell, wendig, kannst ein Spiel lesen und bist hartnäckig im Zweikampf. Du spielst morgen Manndecker gegen den Uerdinger Torjäger.“ Der Stürmer bekam keinen Stich gegen Chang und der sollte seine neue Position fortan beibehalten.
Da er zudem noch beidfüßig war, wurde er auf dieser Position Stammspieler in der B1 der Leverkusener. Trotzdem zog es ihn weg von dem Werksclub. „Bei Bayer war zwar alles sehr professionell, von der medizinischen Betreuung über die Trainingsbedingungen bis hin zur Auswahl der Fußballschuhe, aber ich habe mich da einfach nicht wohlgefühlt“, sagt Chang. Schnell wurden die Kontakte zum FC wiederbelebt und der „verlorene Sohn“ wieder Teil der FC-Familie.
Jetzt wussten wir, dass wir gut waren. Wir haben einander angeschaut und geschworen: Das wird unsere Saison!
„Zu Beginn der Rückrunde haben wir an einem hochkarätig besetzten Turnier in Saint-Brieuc teilgenommen und konnten auf dem Weg ins Finale holländische und englische Spitzenteams besiegen, bevor wir dann das Endspiel unglücklich 1:2 gegen Paris Saint-Germain verloren“, schwärmt Chang. „Jetzt wussten wir, dass wir gut waren. Wir haben einander angeschaut und geschworen: Das wird unsere Saison!“
Pablo Thiam schafft den Sprung zu den Profis des 1. FC Köln (Foto: Lutz Bongarts/Bongarts/Getty Images)
Die Mannschaft bestand aus Spielern, die alle aus Köln oder zumindest aus dem Rheinland stammten. Pablo Thiam kam aus Bonn, Guido Jörres aus Düren, Sascha Lenhart aus Euskirchen. Und Joschi Chang kam aus Porz, genau wie FC-Legende Wolfgang Weber, der den Weg des jungen Manndeckers sehr genau verfolgte und ihm so manchen Tipp gab. „Weber hatte ja selber in seiner langen Karriere unzählige Mittelstürmer ausgeschaltet, er wusste also ganz genau, wovon er sprach. Er ist ein Supertyp, zudem Porzer mit Leib und Seele und hätte es deshalb gerne gesehen, wenn mit mir wieder ein Porzer den Sprung zu den FC-Profis geschafft hätte.“
Der Schock der Daum-Entlassung
Die B-Jugend des 1.FC Köln wurde Mittelrhein-Meister und schaltete danach auf dem Weg ins Endspiel Hannover 96, Bayer Uerdingen und SC Siemensstadt Berlin aus. Das Viertelfinalrückspiel bei Bayer Uerdingen sollte sich dabei als die härteste Bewährungsprobe erweisen, wobei dies nicht nur an den starken Seidenstädtern lag, sondern auch mit einer Entscheidung des FC-Präsidiums zu tun hatte – Christoph Daum war vier Tage vorher entlassen worden. „Wir standen immer noch unter Schock, niemand konnte das begreifen“, sagt Chang. „Immer, wenn wir uns am Geißbockheim über den Weg liefen, hatte er ein aufmunterndes Wort und ein Schulterklopfen für uns – genauso Morten Olsen.“
Auf der nächsten Seite: Die Karriere kommt ins Stocken.
Trotz allem wurde das Endspiel erreicht und gewonnen, was, so Chang, nicht zuletzt harter und konsequenter Arbeit geschuldet war. „Wir haben viermal in der Woche trainiert, montags stand dann für mich noch das DFB-Stützpunktraining in Hennef auf dem Plan, dazu kamen dann noch Lehrgänge und Spiele der Mittelrheinauswahl.“ Zudem hatte die Mannschaft in Frank Schaefer einen wahren Motivationskünstler als Trainer.
„Wenn er eine Kabinenansprache machte, wären wir anschließend für ihn auch durchs Feuer gegangen“, so der einstige Abwehrspieler. In dem von Schaefer präferierten 3-5-2-System mit einem hochstehenden Libero, in dem Chang aufgrund seiner Beidfüßigkeit wahlweise linker oder rechter Manndecker spielte, fühlten sich die Spieler wohl und dies trug maßgeblich zu dem großen Erfolg bei.
Auf dem Sprung in die Nationalmannschaft
Changs Einsätze in der Mittelrheinauswahl – er hatte inzwischen sogar die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen, um dort spielen zu können – und seine Leistungen in der Endrunde blieben auch vom DFB nicht unbemerkt und so wurde er vom damaligen U17-Bundestrainer Rainer Bonhof in den erweiterten Kader für die anstehende U17-Europameisterschaft berufen. Neben ihm stand noch ein Abwehrspieler von Bayern München für die Defensive auf Abruf bereit, und als sich ein Kaderspieler verletzte, wurde dieser Verteidiger und nicht Joschi Chang nachnominiert. Sein Name: Max Eberl, heute Manager bei Borussia Mönchengladbach.
In der Jugend Joschi Changs Trainer: Frank Schaefer (Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images)
Auch 1990 war es schon üblich, dass eine Mannschaft, die einen nationalen Meistertitel holte, belohnt wurde. Mannschaftsreisen nach New York oder Team-Aufenthalte auf spanischen Sonneninseln zählten zu diesen Formen von Anerkennung. Beim FC war das etwas anders: “Wir sind dann im Herbst ein Wochenende in die Lüneburger Heide gefahren als Lohn für die Meisterschaft“, sagt Chang. „Man kann sich leicht vorstellen, wie wenig begeistert wir davon waren, zumal auch einige Spieler der Meistermannschaft den Verein inzwischen verlassen hatten und deshalb nicht mitfahren konnten.“
Der entscheidende Knacks kommt in der A-Jugend
Die folgende erste Saison in der A-Jugend brachte Joschi Chang und dem 1. FC Köln zwar nicht den Meistertitel am Mittelrhein, dafür erreichte man aber das Endspiel um den DFB-Junioren-Vereinspokal. Im Endspiel, das in Köln ausgetragen wurde, unterlag man dem FC Augsburg nach einer 2:0-Führung noch mit 2:3. Joschi Chang wurde in der 71. Spielminute eingewechselt, konnte die Niederlage jedoch nicht verhindern. Kapitän der Augsburger war Dieter Frey, der 1994 mit den Münchener Bayern Deutscher Meister wurde und mit ihnen 1996 den UEFA-Pokal gewann. Die Abwehr der Fuggerstädter organisierte ein großgewachsener, schon damals asketisch wirkender Schlaks mit dunkelblonden Haaren – Thomas Tuchel, aktuell Trainer bei Paris Saint-Germain.
In der Rückrunde der darauffolgenden Saison erhielt Changs Karriere beim FC den entscheidenden Knacks. Das Verhältnis zu Trainer Frank Schaefer gestaltete sich nicht immer unproblematisch und die Vertragsgespräche mit dem 1. FC Köln für die Zeit nach der A-Jugend verliefen enttäuschend. „Es gab drei Arten von Verträgen: Amateurverträge, Verträge als Vertragsamateur und Profiverträge. Als Vertragsamateur hätte ich 1500 bis 2000 DM verdient und auch meine Leistungen beim FC als angemessen wertgeschätzt empfunden“, erklärt Chang. „Angeboten bekam ich jedoch lediglich einen Amateurvertrag, der keine Verbesserung zu meinem Jugendvertrag bedeutet hätte.“
Die Unterschiede zu heute – und Changs weiterer Weg
So wie Chang ging es den meisten Spielern des Meisterteams von 1990, lediglich Pablo Thiam sollte später einen Profivertrag bekommen. Das Ergebnis war grenzenlose Enttäuschung und die Erkenntnis, dass niemand da war, der diese Enttäuschung abfedern half. „Es gab damals noch keine sportpsychologische Begleitung der Jugendspieler, wie es heute das NLZ macht. Wenn wir Probleme hatten, mussten wir diese selber lösen“, erläutert das einstige FC-Talent. „Auch die Partnerschulen, in denen die heutigen Jugendspieler ihre schulischen Qualifikationen erwerben können, und die zusätzlich im Sportinternat zur Verfügung stehenden Lehrkräfte wurden erst im neuen Jahrtausend Teil des Nachwuchskonzepts. Zu meiner Zeit hat es niemanden im Verein interessiert, ob wir schulische Probleme hatten oder nicht.“
Seit ich begonnen hatte, Fußball zu spielen, hatte ich keinen anderen Wunsch gehabt, als den, Profi beim FC zu werden. Für mich war ein Traum kaputtgegangen!
Er zog die Konsequenzen aus dem wenig befriedigenden Vertragsangebot und schloss sich noch vor Ende der Saison der Kölner Viktoria an. „Für mich war ein Traum kaputtgegangen!“ Chang hält kurz inne. „Seit ich begonnen hatte, Fußball zu spielen, hatte ich keinen anderen Wunsch gehabt, als den, Profi beim FC zu werden – und nun das!“ Er trainierte sieben Monate bei der Viktoria mit, die zu der Zeit in der Oberliga Nordrhein spielte. Ein Vertragsabschluss mit den Rechtsrheinischen kam aber nicht zustande, weil die damals für A-Junioren übliche Ablöseforderung des FC von der finanziell klammen Viktoria nicht geschultert werden konnte.
Auf der nächsten Seite: Südkorea, Fisch und die Karriere nach der Karriere.
Joschi Chang wollte den Traum einer Profikarriere aber noch nicht endgültig aufgeben und ging deshalb nach Südkorea, das Land seiner Vorfahren. Er schloss sich den Yukong Elephants an, einem Club der 1. Liga, der 1989 südkoreanischer Meister geworden war. „Der Wechsel dorthin war ein Kulturschock für mich“, so Chang. „Ich sprach kaum Koreanisch, da ich in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert worden war. Ich war ganz auf mich alleine gestellt, meine Familie war ja in Köln zurückgeblieben.“
Nach dem Ende der Profi-Träume: Der Aufbau einer beruflichen Existenz
Auch die Auffassung vom Fußball unterschied sich von der aus Deutschland bekannten. „Im ersten Training sind wir zwei Stunden lang nur gelaufen, ohne Ball bei 35 Grad im Schatten“, sagt Chang. „Als wir nach den zwei Stunden an die Gatorade-Kanister kamen und ich nach einem davon griff, spürte ich einen Klaps im Rücken. Dort war es Usus, dass die älteren Spieler – unter ihnen auch einige Nationalspieler – zuerst trinken durften und ganz zum Schluss erst die jungen.“
Nach einem Jahr kehrte Joschi Chang wieder nach Deutschland zurück. Seine Fußballkarriere führte ihn noch nach Wesseling, zum TuS Höhenhaus und auch noch nach Porz zur dortigen Sportvereinigung – dorthin, wo alles begonnen hatte. Er nahm ein Sportstudium in Köln auf, erwarb den Spielerberaterschein und die Trainer B-Lizenz. Bei den Kursen für den Trainerschein teilte er das Zimmer mit Lars Leese, den Traumhüter, der seinen „moment of glory“ bei einem 1:0-Auswärtssieg im Tor seines FC Barnsley beim FC Liverpool erleben durfte.
Sushi in Köln – die Changs als Vorreiter
Für Chang stellte sich nun die Frage des Aufbaus einer beruflichen Existenz. Sein Vater Jae-In hatte den Fisch-Hof 1996 eröffnet, damals ein Fischgeschäft mit angeschlossener kleiner Sushi-Bar. Um Top-Qualität anbieten zu können, fuhr Joschi mit seinem Vater mehrmals in der Woche nach Paris zum Fischmarkt in Rungis. „Wir düsten dann um acht Uhr abends hier los, kamen nach Mitternacht in Rungis an, kauften den fangfrischen Fisch ein und waren dann vormittags wieder in Köln, wo mein Vater die Ware dann in seinem Laden verkaufte“, erklärt Chang.
Die Idee, Sushi anzubieten, hatte sein Vater aus Korea mitgebracht, wo als Folge der bis 1945 dauernden japanischen Besatzung Sushi zu einem beliebten Snack geworden war. Damit betrat er in Köln und Umgebung völliges Neuland. „Sushi kannten ja zunächst nur die Leute, die schon einmal in Japan oder den USA waren“, sagt Chang. „Dazu zählten Medienschaffende, Politiker, Schauspieler und Künstler.“
Alleiniger Inhaber einer prosperierenden Sushi-Bar
Zu den Gästen des Fisch-Hofs zählen Unterhaltungskünstler wie Mike Krüger, Harald Schmidt und Guildo Horn, Moderatoren wie Markus Lanz und Birgit Schrowange, Schauspieler wie Martin Semmelrogge und Moritz Bleibtreu sowie Politiker wie Volker Beck und Karl Lauterbach. Zudem war der Fisch-Hof Drehort für einige Szenen des deutschen Spielfilms „Fandango“ mit Moritz Bleibtreu, Richy Müller und Nicolette Krebitz, für Anke Engelkes „Ladykracher“ und Annette Friers TV-Serie „Danny Lowinski“.
Die Euro-Umstellung ließ die Fischpreise steigen, so dass der Fischverkauf nicht mehr rentabel genug war, andererseits erfreuten sich die angebotenen Sushi-Spezialitäten wachsender Beliebtheit. „Die Leute rannten uns förmlich die Sushi-Bar ein“, sagt Chang, und so war es nur allzu konsequent, das Fischgeschäft zugunsten einer vergrößerten Sushi-Bar aufzugeben. 2001 zwangen gesundheitliche Probleme Joschis Vater Jae-In kürzer zu treten.
Der Sohnemann stieg nun immer mehr in das Geschäft ein, führte aber bis 2003 sein Sportstudium weiter. Danach musste er erkennen, dass sich Studium und Beruf nicht mehr vereinbaren ließen, so dass er sich ab diesem Zeitpunkt vollständig auf den Fisch-Hof konzentrierte. Nach dem Tod seines Vaters ist Joschi Chang nun alleiniger Inhaber der Sushi-Bar.
Der Bezug zum 1. FC Köln hat abgenommen
Die Besuche am Geißbockheim sind unterdessen selten geworden. Zuletzt war er nach langen Jahren wieder einmal dort, weil er die U18-Nationalelf Südkoreas auf ihrer Tour durch Nordrhein-Westfalen begleitete und dieses Team ein Spiel gegen die U19 des 1. FC Köln austrug. „Es war Gänsehaut pur, nach mehr als 10 Jahren wieder einmal das FC-Gelände zu betreten“, sagt Chang. „Es hat sich gar nicht so viel verändert und in jeder Minute kamen tausend Erinnerungen hoch an Spiele, Spielszenen, Begegnungen mit Menschen.“
Von der U19 des FC war er sehr angetan. “Ich habe die Spiele der U18 Südkoreas gegen Leverkusen, Düsseldorf und den FC gesehen und die FC-Junioren haben dabei bei weitem am besten gegen das Nationalteam ausgesehen.“ Auch deshalb wünscht er sich, dass wieder vermehrt Eigengewächse des FC den Sprung in die Profimannschaft schaffen. Er wertet es als vielversprechendes Zeichen, dass mit Ostrak, Churlinov, Bartels und Führich vier Nachwuchskräfte mit ins Wintertrainingslager auf Mallorca genommen wurden.
https://twitter.com/fckoeln/status/1081906140580118529
Kontakte zum FC hat er in erster Linie über seinen Landsmann Ho-Yeon Kim, der seit Jahren im Mitgliederrat des Vereins aktiv ist. Die alten Mitspieler sieht er kaum, Begegnungen mit ihnen sind eher zufällig. „Natürlich ist man mit dem ein oder anderen durch die sozialen Netzwerke verbunden, aber auch dort ist der gegenseitige Austausch sehr überschaubar“, gibt Chang zu.
Einmal FC, immer FC.
Das letzte Mal im Stadion war er vor fünf oder sechs Jahren. Wenn es die Zeit erlaubt und er nichts anderes vorhat, schaut er sich die Spiele des FC im Fernsehen an. „Wenn ich weiß, dass der FC spielt, frage ich immer, wie das Spiel ausgegangen ist.“ Trotzdem scheint eine gewisse Distanz zu dem Club spürbar. „Damals im zweiten Jahr der A-Jugend ist vieles kaputtgegangen bei mir“, sagt er. “Die Enttäuschung ist immer noch da.“ Oder schwingt da noch etwas anderes als Distanz mit? Er macht eine Pause und schaut mir direkt in die Augen. “Aber einmal FC, immer FC.“
Fußball spielt immer noch eine Rolle
Den heutigen Fußball sieht er distanziert, die wachsende Kommerzialisierung mache vieles kaputt, bekennt er. „Es ist zu viel Geld im Spiel.“ Und dann wandern seine Gedanken doch wieder zum FC zurück. „Das Stadion muss unbedingt in Müngersdorf bleiben, es ist auch groß genug. Was willst Du mit einem Stadion, in das 70.000 Zuschauer gehen und es ist in einem Spiel gegen Augsburg oder Hannover halb voll!“
Foto: facebook/fchanguk
Fußball spielt er auch noch gelegentlich in der 5. Mannschaft von Blau-Weiss Köln. Sein Bruder Paul Chang hat dort ein Team aufgebaut, das fast nur aus in Köln und Umgebung lebenden Koreanern besteht. „Mein Bruder hat zehn Jahre in Südkorea gelebt und dort den FC Dogil gegründet. Dogil ist das koreanische Wort für Deutschland und dort spielten fast ausschließlich Deutsche, die in Seoul lebten. Die 5. Mannschaft von Blau-Weiß ist das Gegenstück dazu.“
Wir gehen nach draußen, um ein Foto zu machen, dann verabschieden wir uns. Nach einigen Schritten drehe ich mich noch einmal zu ihm um. Da steht Young-Suk “Joschi” Peter Chang, der „Porzer Jong“ mit koreanischen Wurzeln, dessen Traum von einer Profikarriere nicht in Erfüllung ging und der trotzdem seinen Platz im Leben gefunden hat.