Folge uns
.

Rudelbildung

Das Pfeifen im (Müngersdorfer) Walde

Der effzeh ist weiterhin Tabellenführer, spielt aber nicht mehr ganz so flockig. Darf man da pfeifen?

 

© effzeh.com

© effzeh.com

Patrick: Und im Grunde geht es ja auch um die permanenten Nörgler. Klar hat man Lieblinge, klar hat man auch Spieler, die man nicht so gerne sieht. Den Chihi oder auch den Nova habe ich schon immer kritisch gesehen. Aber niemals hätte ich die ausgepfiffen oder brüllend niedergemacht. “Was ist das für ein Idiot? Wieso wird der nicht ausgewechselt? Der kann doch gar nix! Dieser Vollpfosten!” Nicht selten wird so auf den Rängen getönt, und zwar lauthals. Denken kann man das ja, aber das lauthals zu propagieren ist kontraproduktiv.

Rüdiger: Mal im Ernst: Warum haben die Menschen eigentlich das Verlangen, zu pfeifen? Ich hab während der 90 Minuten echt anderes zu tun. Fingernägelkauen, anfeuern, meinen Nachbarn anbrüllen, zum Bierstand gehen, etc. Man muss doch wissen, was das auf die Mannschaft ausübt. Zudem ist es auch noch ein furchtbares Geräusch für den Nebenmann. Wer zur Hölle steht schon auf Tinitus? Das Schlimme ist ja, dass sich diese Form in Deutschland irgendwie etabliert zu haben scheint. In England sieht man das höchst selten. Und gerade dass die FC “Fans” das machen, ist schon sehr traurig! Die ach so toleranten Kölner pfeifen ihr eigenes Team aus und wundern sich, dass die Mannschaft nichs mehr auf die Reihe bekommt. Da werde ich wahnsinnig!

Thomas: Sehe allerdings noch einen Qualitätsunterschied zwischen dem einzelnen Nörgler und einem “orchestrierten” Pfeifkonzert gegenüber der Mannschaft oder (noch schlimmer) einem einzelnen Spieler. Das gehört sich nicht, das entspricht auch nicht meinem Werteverständnis. Bezüglich der Erwartungshaltung: Ist doch klar, dass die steigt. Einerseits hat die Mannschaft schon gezeigt, dass sie es besser kann (im Gegensatz zum Stanislawski-Bockumstoßen-Kackstift-Brutalmarschieren-Fußball der letzten Saison), andererseits spielten wir gegen den Tabellenletzten. Da in der zweiten Halbzeit so ein grausames Gewürge abzuliefern, kann einen wütend machen.

Patrick: Klar macht das einen wütend. Aber wie oft macht mich das Verhalten meiner Kinder wütend, und ich pfeife sie nicht aus. Ok, schlechter Vergleich…
Das Problem ist aber ein anderes. In Köln gehört es seit Jahr und Tag dazu, auf den effzeh zu schimpfen. Das ist vielleicht auch Stückweit Mentalität. Wir lieben unsere Stadt, schimpfen aber auf alles, was die Stadt ausmacht: die KVB, die Verwaltung… und eben auf den effzeh. Der Kölner beschimpft scheinbar gerne, was er liebt. Ich lerne Menschen kennen, die über den effzeh schimpfen, als wäre das der letzte Verein, zu dem sie ins Stadion gehen würden. Und wenn ich dann frage, zu wem er/sie denn hält, kommt “Na, zum effzeh NATÜRLICH!” Da wird kritisch sein mit Beschimpfen und Verunglimpfen verwechselt.

Thomas: Man kann zu diesem Fleckchen Erde allerdings auch eine gepflegte Hassliebe entwickeln. Empfehle zu diesem Thema die Wise Guys mit “Köln ist einfach korrekt” (lacht).

Patrick: Eben in diesem Sinne. Hassliebe ist da das richtige Wort. Gibt es das Wort eigentlich in ganz Deutschland oder nur in Köln? Ich denke aber auch an all die ewigen Nörgler über Brecko. Kaum hat der den Ball, holen die schon Luft, beklagen selbst Pässe oder Flanken, die ankommen. Geht dann mal was schief, geht die Schimpferei richtig los. Ich immer: “Lass doch mal den Brecko in Ruhe. Er macht das so gut er kann, und einen besseren haben wir nicht.” Dann lachen die. Aber ich finde das gar nicht witzig, eher unwürdig.

Luka: Ich habe das Ganze gepflegt auf meinem fetten Hintern sitzend auf der Couch verfolgt. Insofern müsste ich eigentlich der Prototyp des nörgelnden, besserwissenden und -könnenden Fans sein, der Muskelkater im Arm von der ständigen Abwink-Bewegung bekommt. Bin ich aber übrigens nicht, das nur am Rande, aber was viel wichtiger ist: Am Freitag ging mir durch den Kopf, dass es eine vorhersehbare Niederlage werden könnte, gegen den typischen Underdog, mit dem Rücken zur Wand, nichts zu verlieren, einen schäumenden Trainer am Rand irrwischend. Das fand ich dann natürlich unerfreulich, aber auch nicht wirklich einen Grund, um darüber über die Stränge schlagend unzufrieden sein zu müssen. Es ist nämlich so, dass ich der aktuellen Mannschaft inkl. Trainer und Vereinsführung so viel Sympathie entgegenbringe, dass ich gut damit zurechtkomme, wenn sie sich einfach einmal eine Schwächephase erlaubt (übrigens lieber jetzt als 5 Spieltage vor Ende der Saison). Anders sieht es bei mir aus, wenn da unten Spieler über den Platz lümmeln, denen alles wurscht zu sein scheint und denen ich nicht abnehme, dass sie wissen, was sie da anrichten, wenn sie nicht alles in die Waagschale werfen. Aber die aktuelle effzeh-Generation erweckt auf mich zu 0,0 diesen Eindruck. Wenn es nicht läuft, dann deshalb, weil sie es in dem Moment einfach nicht besser auf die Pfanne bekommen. Und nicht: Weil sie keine Böcke haben. Und wenn man etwas in einem bestimmten Moment nicht besser kann, weil bspw. das Wetter kacke ist, weil mancher Magenfiepen oder schlecht geschlafen hat oder aber: einfach der Gegner gut eingestellt ist (!), dann ist es nicht hilfreich, wenn dann von außen die Messer gewetzt werden.

Martin: Man muss ja immer mit zweierlei Maß messen. Wenn ich 100 Euro für ein scheiß Länderspiel in Stuttgart ausgebe, weil ich die Bayern-Stars sehen will und die Bayern-Stars, die im Verein alles so wirklich richtig krass wegmähen, wenn die dann auf einmal alle Fehlpässe der gesamten Saison liefern und komplett lustlos wirken, dann würde ich vielleicht pfeifen. Kann ich übrigens genauso wenig wie der Rüdi. Ganz ehrlich: Jeder, ja jeder hat gesehen, dass ein paar Spieler da auf dem Feld, sicher nicht 100 Prozent gegeben haben für ihr Land. Geht nicht. Da darf man sauer sein. Verständlich. Vor allen Dingen deshalb verständlich, weil ich damit bei einem TESTspiel zum Ausdruck bringe: Okay Jungs, finde ich nicht okay. Nehmt das mal so hin. Wenn ich jetzt aber in einem richtungsweisenden Spiel einen armen Teenie-Debütanten auspfeife, der sich die ganze Zeit voll ins Zeug legt und dann mal drei, vier unglückliche Szenen habe, dann denk ich mir: Herr, lass Hirn vom Himmel regnen. Kein Mensch bei klarem Verstand kann das gut finden. Es ist logisch nicht erklärbar. Nun ist allerdings bekannt, dass beim Fußball nicht nur Menschen herumlaufen, die vor dem Spiel eine offene Diskussion über die letzte arte-Themenwoche führen. Von daher ist es auch müßig sich immer wieder darüber aufzuregen, wenn Menschen pfeifen. Das kann man nicht verstehen. Das ist nicht gut. Das ist demoralisierend. Glücklicherweise hat die Kurve dieses Mal alle richtig gemacht: Sie hat reagiert! Klasse, wie die Pfiffe sofort mit Sprechchören überschallt wurden. Genau das hat der Mannschaft Aufwind gegeben. Leider werden das viele Menschen nie nie verstehen. Und manchmal verstehen sie es vielleicht, reagieren aber instinktiv anders. Pfiffe kommen ja oft auch aus der Emotion heraus. Falsch sind sie trotzdem, ich bin aber stolz auf den Großteil unserer Fans, denn die Pfiffe waren in der Minderheit. Genau so muss das bleiben.

Luka: Davon abgesehen (wie ich auch schon mit anderen Worten in meiner Vorschau schrieb): WIR SIND TABELLENFÜHRER, VERDAMMT! Was soll das Geheule?

Patrick: Aber am Ende der Saison darf ich dann pfeifen, oder? Zur Melodie von “Nie mehr, zweite Liga! Nie mehr! Nie mehr!”…

 

Seite 2 von 2Weiter

Mehr aus Rudelbildung

.