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Spielerportraits

Neuzugang Dejan Ljubicic im Porträt: Rapids Ruhepol für den 1. FC Köln

Mit Dejan Ljubicic macht der 1. FC Köln den ersten Transfer für die kommende Saison perfekt. Der Kapitän von Rapid Wien soll im Mittelfeldzentrum für die notwendigen Impulse vor der Abwehr sorgen. Eine Rolle, die dem 23-Jährigen auf den Leib geschneidert zu sein scheint.

SOCCER - CL, Gent vs Rapid GHENT,BELGIUM,15.SEP.20 - SOCCER - UEFA Champions League, qualification, KAA Gent vs SK Rapid Wien. Image shows Dejan Ljubicic Rapid and Niklas Dorsch Gent. PUBLICATIONxINxGERxHUNxONLY GEPAxpictures/xPhilippxBrem
Foto: imago images / GEPA Pictures

Sein sportlicher Aufstieg durch die Rapid-Reihen scheint schier unaufhaltsam: Im Sommer 2017 erhält Ljubicic einen Profivertrag bei seinem Herzensverein, der „Mittelfeldspieler mit großem Potenzial“ wird allerdings direkt zum Zweitligisten Wiener Neustadt verliehen. Dieses Gastspiel ende jedoch bereits nach sieben Spielen, das Toptalent wird aufgrund von Verletzungsnöten beim Stammverein nach Hütteldorf zurückbeordert. Und hat dennoch in der kurzen Zeit mächtig Eindruck gemacht. „Großartiger Spieler, großartiger Mensch“: Solch Lobeshymnen werden auch in Österreich nicht jedem Leihspieler hinterhergeschickt. Bei Rapid feiert Ljubicic am sechsten Spieltag gegen den LASK sein Bundesliga-Debüt und etabliert sich bei den Grün-Weißen schnell als Stammspieler. Ruhig am Ball, spielintelligent und zielstrebig bei der Balleroberung: Seine Fähigkeiten sind kaum zu übersehen. Einer steilen Karriere steht offenbar nichts mehr im Weg – so scheint es jedenfalls.

Ljubicic schreibt weiter Schlagzeilen, allerdings diesmal nicht sportlich und alles andere als positiv. Im Dezember 2017 wird er im bosnischen Städtchen Kiseljak gemeinsam mit einem anderen österreichischen Fußballer aufgegriffen, als sie Flaschen gegen die ortsansässige Moschee werfen. Ein Vorfall, der in Österreich heftige Kritik hervorruft und von seinem Verein aufs Schärfste verurteilt. “Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist und kann mich nur entschuldigen und versichern, dass mir dieser Fehler sehr leid tut”, erklärt der reumütige Sünder danach öffentlich. Bereits am Tag nach dem Vorfall habe er beim Imam in der Moschee um Entschuldigung gebeten. „Ich habe eine große Dummheit begangen und kann mich an gar nichts erinnern. Ich hatte einen kompletten Blackout und hatte mich selbst nicht mehr unter Kontrolle. Das war nicht ich und so etwas wird mir niemals wieder passieren. Es tut mir leid, das ist mir eine große Lehre für die Zukunft. Ich verspreche: So etwas wird sich niemals wiederholen!“

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Rapid gibt dem aufstrebenden Talent, das versprach, den verursachten Schaden an der Moschee finanziell ebenso wiedergutzumachen wie die entstandenden Kratzer an seinem Image, eine zweite Chance. Auch weil Ljubicic so gar nicht dem Klischee eines Enfant terribles entspricht. Ganz im Gegenteil sogar: Bei Rapid loben sie Ljubicic trotz dieser Eskapade für seine fußballerischen Fähigkeiten und seinen Charakter gleichermaßen, der junge Wiener wird stets als respektvoll, höflich und ruhig beschrieben. Ein fröhlicher Typ, kein Lautsprecher oder Marktschreier. Jemand, der auf dem Platz seine sportlichen Qualitäten für sich sprechen lässt. Und neben dem Feld viel Wert auf seine Familie und seinen Glauben legt. „Ich war schon immer ein sehr ruhiger Typ. Das ist manchmal auch gut so – vor allem bei Rapid“, sieht er sich als Ruhepol inmitten eines stürmischen Clubs, der auch dank der Leistungen des 1,89 Meter großen Abräumers nach schwächeren Jahren wieder an die Spitze des österreichischen Fußballs vorstößt.

“Ich war schon immer ein sehr ruhiger Typ. Das ist manchmal auch gut so – vor allem bei Rapid.”

In der Europa League schießt Ljubicic Rapid 2018/19 in die Runde der letzten 32, 2020 werden die Hütteldorfer in einer schwierigen Saison Vizemeister – und können dabei auf die Qualitäten des Rechtsfußes bauen, obwohl der junge Mittelfeldspieler beinahe den Absprung gewagt hätte. Im Winter buhlt Chicago Fire um seine Dienste, etwas weniger als drei Millionen Euro will der MLS-Club an Rapid überweisen. Doch der bereits perfekt gemachte Deal scheitert – aus dubiosen Gründen, denn Ljubicic fällt bei den US-Amerikanern aufgrund einer vermeintlichen Kreuzbandverletzung durch den Medizincheck. Nach der Rückkehr zu Rapid ergeben weitere Untersuchungen: Fehlalarm, keine Knieblessur beim umworbenen Eigengewächs, das nun weiter für die Grün-Weißen aufläuft. „Ich war schon enttäuscht, dass das nicht geklappt hat, aber nach ein, zwei Wochen hatte ich das schon vergessen und mich nur auf Rapid konzentriert“, schilderte Ljubicic einige Zeit nach dem geplatzten Wechsel und betont später: “Ich bin froh, dass es nicht geklappt hat.”

Kapitän bei Rapid Wien? “Eine große Ehre für mich”

Auch weil er bei seinem Heimatverein mehr und mehr zum Führungsspieler wird, im Mittelfeld der Grün-Weißen zur unverzichtbaren Größe avanciert. „Er ist extrem stark und ruhig für ein Spieler seines Alters. Ganz besonders, wenn es um den Spielaufbau geht“, heißt es in einem Scoutingbericht aus der Saison 2019/20, der Ljubicics Spielweise mit der von Barcelonas Star Frenkie de Jong vergleicht. Kaum verwunderlich, dass Rapid nach Schwabs Abgang im Zentrum bedingungslos auf seinen wohl talentiertesten Spieler setzt. So sehr, dass Ljubicic im Sommer 2020 zum Kapitän ernannt wird. Eine große Ehre für das Eigengewächs, das seit der U10 für die Hütteldorfer kickt und sich seinen Traum von der Profikarriere beim eigenen Verein erfüllen konnte. „Ich will mehr Präsenz als Führungsspieler zeigen“, nimmt der 23-Jährige die Spielführerbinde als weiteren Motivationsschub, betont aber auch: „Das Wichtigste ist, dass ich meine Leistungen bringe, daran werde ich arbeiten.“

Und das gelang Ljubicic, dessen Vertrag bei Rapid nur bis Sommer 2021 läuft, eindrucksvoll: Mit den Grün-Weißen sorgt er national wie international für Furore, das Team wie auch der Mittelfeldmann spielen eine starke Runde. Ljubicic wird, auch wenn ihn sowohl die Wechselgerüchte als auch ein Bänderriss im Sprunggelenk durchaus hemmen, erstmals zur A-Nationalmannschaft eingeladen. Auch privat erlebt Ljubicic eine gute Zeit, heiratet er doch im Oktober 2020 seine Freundin. Das „Ja“-Wort für seinen Verbleib bei Rapid, das gibt es allerdings nicht. Bereits im Winter ist klar, dass der Mittelfeldspieler seinen Vertrag nicht verlängern und die Hütteldorfer ablösefrei verlassen wird. Es brodelt in der Gerüchteküche, Mitte April soll er sogar unter der Woche zu Verhandlungen nach Italien gereist sein. Die Serie A hatte Ljubicic schon einmal als seine Lieblingsliga angegeben. Doch am Ende bekommt der FC den Zuschlag – und bekommt einen in sich ruhenden Mittelfeldmann, der von einem emotionalen Traditionsverein zum nächsten wechseln wird. Rapids Ruhepol aus der eigenen Jugend: Er wirkt demnächst in Köln als „Geißbock“.

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